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15 April 2014

Wie man lernt, sich mit Büchern auszukennen

General Stumm von Bordwehr versucht, über Spezialisten des Wissenmangements an tiefere Gedanken zu kommen. Dafür besucht er eine Bibliothek:


›Herr General,‹ sagt er ›Sie wollen wissen, wieso ich jedes Buch kenne? Das kann ich Ihnen nun allerdings sagen: Weil ich keines lese!‹ Weißt du, das war mir nun beinahe wirklich zu viel! Aber er hat es mir, wie er meine Bestürzung gesehen hat, auseinandergesetzt. Es ist das Geheimnis aller guten Bibliothekare, daß sie von der ihnen anvertrauten Literatur niemals mehr als die Büchertitel und das Inhaltsverzeichnis lesen. ›Wer sich auf den Inhalt einläßt, ist als Bibliothekar verloren!‹ hat er mich belehrt. ›Er wird niemals einen Überblick gewinnen!‹ [...]
›Aber Sie sind doch Doktor?‹ ›Gewiß. Sogar Universitätsdozent; Privatdozent für Bibliothekswesen. Die Bibliothekswissenschaft ist eine Wissenschaft auch allein und für sich‹ erklärte er. ›Wieviele Systeme, glauben Sie, Herr General,‹ frägt er ›gibt es, nach denen man Bücher aufstellt, konserviert, ihre Titel ordnet, die Druckfehler und falschen Angaben auf ihren Titelseiten richtigstellt und so weiter?‹ [...]
Der General droht zu verzeifeln, doch ein Bibliotheksdiener hilft ihm.
Er erzählt mir wieder, daß die Kriegsschüler, wenn sie eine schriftliche Aufgabe haben, manchmal zu ihm kommen und Bücher verlangen; ›und dann schimpfen sie halt oft ein bißl, wenn ich ihnen die Bücher bring,‹ fährt er fort, ›was das für ein Unsinn ist, den sie lernen müssen, und dabei erfährt unsereiner allerhand. Oder es kommt der Herr Abgeordnete, der den Bericht über das Schulbudget abzufassen hat, und fragt mich, was der Herr Abgeordnete, der den Bericht im vergangenen Jahr abgefaßt hat, dazu für Unterlagen benutzt hat. Oder es kommt der Herr Prälat, der schon seit fünfzehn Jahren über bestimmte Käfer schreibt, oder einer von den Herrn Universitätsprofessoren beschwert sich, daß er schon drei Wochen lang ein bestimmtes Buch verlangt, ohne daß er es bekommt, und da müssen alle Nachbarregale durchsucht werden, ob es nicht verstellt worden ist, bis sich herausstellt, daß er es schon seit zwei Jahren bei sich zu Haus und nicht zurückgegeben hat. Und das geht jetzt schon so fast vierzig Jahre; da merkt man sich ganz von selbst, was der Mensch will und was er dazu liest.‹ ›Na,‹ sag ich ihm ›mein Lieber, was ich zu lesen suche, das kann ich Ihnen trotzdem nicht ganz so einfach auseinandersetzen!‹ Und was glaubst du, antwortet er mir? Er schaut mich bescheiden an, nickt und sagt: ›Ich bitte gehorsamst, Herr General, das kommt natürlich vor. Erst unlängst hat eine Dame mit mir gesprochen, die genau das gleiche gesagt hat; vielleicht kennen sie Herr General, es ist die Frau Gemahlin vom Herrn Sektionschef Tuzzi aus dem Ministerium des Äußern?‹ Also was sagst du? Ich denke, mich trifft der Schlag! Und wie der Alte das merkt, bringt er mir richtig alle Bücher herbei, die sich Diotima dort reservieren läßt, und wenn ich jetzt in die Bibliothek komme, ist das geradezu wie eine heimliche geistige Hochzeit, und hie und da mach ich vorsichtig mit dem Blei an den Rand einer Seite ein Zeichen oder ein Wort und weiß, daß sie es am nächsten Tag finden wird, ohne eine Ahnung zu haben, wer da in ihrem Kopf drinnen ist, wenn sie darüber nachdenkt, was das heißen soll!«
So erfand der General das Markierungssystem für E-Bücher, und ich profitiere jetzt von Diotima und liefere die Stellen, die sie gekennzeichnet hat, frei Haus. 

11 Oktober 2012

Ausleihe von der lokalen Bibliothek über Internet

Man kann sich ein Buch als E-Buch ausleihen.
Nach Ende der Leihfrist gibt es keine Mahnung, sondern es erlischt einfach das Nutzungsrecht.

Mehr dazu

Beispiel onleihe.net

15 August 2011

Stationen der Bibliotheksgeschichte nach Jochum

Auf die Bibliotheken der Priesterkaste der Pharaos mit sakraler und Verwaltungsfunktion folgten in Griechenland Privatbibliotheken, die wichtigste die des Aristoteles, die dann nach Rom gelangte (S.42). Dort gab es eine öffentliche Bibliothek eines Privatmannes, die von Pollio.
Dann folgten die imperialen Bibliotheken von Caesar, Augustus, Trajan, bis Hadrian dann den Griechen wieder eine Bibliothek schenkte, in Athen.
"Der Kreis hat sich damit geschlossen." (S.46) Von den Herrscherbibliotheken der Ägypter zu den privaten der Griechen zu der Herrscherbibliothek für die Griechen.

In christlicher Zeit löste der Kodex aus Pergament die Papyrosrollen ab. (S.52) Nach und nach wurden dann auch die heidnischen Texte (Aristoteles etc.) auf Pergament umgeschrieben.
Bildungsträger wurde jetzt die Kirche anstelle des Staates.

Die kirchliche Reformbewegung führte im Mittelalter zu einem Rückgang der klösterlichen Bildung, "als 1130 der Papst im Zuge der Trennung von weltlichem und geistlichem Bereich das Studium der Medizin und der leges für Mönche und Regularkanoniker verbot." (S.72) "Die Klöster wurden sozial [...] isoliert" (S.72) und die Bibliotheken und Schulen wanderten um in "Domschulen und -bibliotheken". 
Darauf folgten die Universitäten. (vgl. etwa die Wiederentdeckung des römischen Rechts)
Einführung von Katalog und Signatur. (S.84-87)
"Die enorme Wirkung der Reformation" war begründet "im neuen Distributionsmittel des Druckes, das verhinderte, daß die häretische Meinung durch physische Vernichtung des Häretikers ausgelöscht werden konnte." (S.89) 
Bibliotheken wurden "zu einem Element der fürstlichen Repräsentation". (S.100)
"Die überlieferten Trümmer der Vergangenheit wurden dem barocken Auge zu Zeugnissen eines Untergangs, der einzig die Bücher ausspart" (S.100) "Nichts Tauerhafftes und unsterblichers ist, als eben die Bücher." (S.101)

Mit neuen Drucktechniken und der Aufhebung der "ewigen" Verlagsrechte in Deutschland 1867 (u.a. wurden alle Klassiker frei und es entstanden umfangreiche Klassikerausgaben) erweiterte sich die Buchproduktion (1801: ca. 4000 1851: 8326 1885: 16305) so stark, dass die systematische Einordnung aller Bücher zu aufwändig wurde; denn mit neuen Wissensgebieten musste auch die Systematik geändert werden. (S.133/34) Nach einigem Streit ging man daher vom Inhalt des einzelnen Buches aus und verschlagwortete das.

Die öffentlichen Bibliotheken (S.151)
"Bereits im 18. Jahrhundert bildete sich eine neue Haltung gegenüber dem Lesen aus: Statt maßgebliche Bücher, vor allem die Bibel, immer wieder zu lesen, begann man nun, immer mehr neue Bücher zu lesen (Wechsel von der intensiven zur extensiven Lektüre)." (S.151)

Im Unterschied zu den Romanen der Barockzeit, die als Gelehrtenliteratur im Quartformat daher kamen, zielten die Romane des Zeitalters der Empfindsamkeit wie etwa The Vicar of Wakefield, Rousseaus Nouvelle Héloise und Goethes Werther auf die Unterhaltungsbedürfnisse eines breiten Publikums, nicht zuletzt eines weiblichen, und wurden daher im kleineren Oktavformat und auch in Duodez- und in Sedezformat gedruckt.
Solche Bücher dienten nämlich  zum Lesen bis zum Verschlingen in jeder Lebenslage, nicht als Referenzwerke, die man in der häuslichen Bibliothek haben musste. Der größte Teil der Leserschaft lieh sie sich also nur aus, weil die Anschaffung zu teuer gekommen wäre.
Dass Leserinnen ihre männlichen Partner im Leseeifer oft übertrafen, galt den kulturkritischen Volkspädagogen fast als ein schlimmeres Laster als im 20. Jahrhundert das Fernsehen und im 21. die Computerspiele. Ging doch die Lesezeit von der Hausarbeit ab. Daher versuchten die öffentlichen Bibliotheken das "gute" Buch zu fördern, das weder Sittlichkeit noch staatstreue Gesinnung seiner Leserinnen und Leser gefährdete. (S.156ff.)

(Uwe JochumKleine Bibliotheksgeschichte. 3., verbesserte und erweiterte Auflage. Reclam, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-15-017667-2, (Reclams Universal-Bibliothek 17667)