28 Januar 2020

Marilyn French: Frauen


"Einsamkeit ist die Sehnsucht nach Gleichen. Und mit Gleichen meine ich Menschen, die sehen, wer du bist, und das heißt, dass sie genug Verstand und Einfühlungsvermögen und Geduld dazu haben. Und das heißt, auch, dass sie dich akzeptieren können, da wir nicht sehen, was wir nicht akzeptieren können – wir löschen es aus oder packen es hastig in die eine oder andere Schublade. Wir möchten nichts anschauen, was die geistige Ordnung, die wir so sorgfältig errichtet haben, erschüttern könnte. Ich respektiere diesen Wunsch, sich die eigene Psyche unverletzt zu erhalten. Gewohnheit ist eine gute Sache für die Menschheit.“ (Marilyn French: Frauen, S.204)

Leben ist ungeordnet, nicht so klar gegliedert wie Literatur, wo entweder Katastrophe ist oder Happy End. Es geht einfach immer weiter. (Seite 205)

"Oh, du stirbst, gewiss, aber nie zum richtigen Zeitpunkt, nie, wenn große Worte dich umschmeicheln und ein ganzes Theater deinem Todeskampf zuschaut." (S. 207)

Als Miras Mann ein neues Haus mit vier Badezimmern gekauft hat, stellt die Erzählerin fest: "auf ihrem Gewissen lastete der moralische Imperativ, glücklich zu sein." (S.209)
(Marilyn French: Frauen, S.204)

Wikipediaartikel zu dem englischen Original: The Women's Room.

26 Januar 2020

Keller über Goethe und seinen (Kellers) "grünen Heinrich"

"Man spricht dabei immer nur von Goethe, obgleich eine Menge deutscher Notabilitäten, wie Herder, Jung-Stilling u. dgl. darunter sind, auch unser wackere[r] Lavater.  Es ist etwas Problematisches um die Gesellschaft eines solchen Schlingels, wie Goethe ist, man wird von dem ungeschlachten vordringlichen Herrn allzu leicht verdunkelt; doch auch beleuchtet manchmal. Ich glaube positiv, daß man von Lavater noch weniger sprechen würde jetzt, als es geschieht, wenn er sich nicht so viel an Goethe gerieben hätte, und wenn dieser nicht eine solche Menge wunderlicher Liebhabereien gehabt hätte."
(Keller an Salomon Hegi, 28.1.1849, Kellers Werke Atlantis Verlag Band 7,S.141)

"Nebenbei treibe ich noch Literaturgeschichte und arbeite an meinem unglückseligen Romane, welchen ich, da ich einen ganz anderen Standpunkt und Abschluss meines bisherigen Lebens gewonnen habe, erst wieder zu zwei Dritteln umschmelzen muss. Wenn der Sommer schön wird in dieser schönen Landschaft, so werde ich ein Schauspiel darin schreiben, das mir durch den Kopf geht. Was nächsten Winter aus mir wird kann ich noch nicht sagen, jedenfalls gehe ich nicht nach dem Orient; ich habe mehr Lust in Deutschland zu bleiben; denn, wenn die Deutschen immer noch Esel sind in ihrer Politik, so bekommen mir ihre literarischen Elemente umso besser."

(Keller an Eduard Dößekel 8.2.1849,  Kellers Werke Atlantis Verlag Band 7, S.145)

Keller Tagebuch 1847

"In den Zeitungen gelesen, daß der Publizist und Jurist Ammann in Schaffhausen, den ich vor einem Jahre am Winterthurer Schießen beohrfeigt habe, im Schaffhauser Großen Rat den Antrag gegen Exekution des Tagsatzungsbeschlusses bringen und eine demagogische Wühlerei im Schafhauser Volk anfangen will. Verletzte und unbefriedigte Eitelkeit soll den Esel dahin treiben und das Gelingen nicht ganz unmöglich sein. Ich hatte doch einen guten Instinkt damals und ich segne den Wein, der mich veranlasste, dem widerlichen Ohrfeigengesicht sein Recht angedeihen zu lassen. Feig war er auch, denn er ist stärker als ich, und ließ sich doch prügeln." (Keller: Tagebuch 16. September 1847)

Am selben Tag: "Ich weiß nicht, was schuld ist, aber immer scheint mir mein Verdienst zu gering, um ein ausgezeichnetes Weib zu binden, vielleicht kommt das von der wenigen Mühe, welche meine Produkte mir machen."
Keller hatte "1844 und 1845 an den beiden Zürcher Freischarzügen nach Luzern" (Wikipedia) teilgenommen, 1846 sein erstes Gedichtbuch herausgebracht und war damals 27 Jahre. Weil er aber der Schule verwiesen worden war, fehlte es ihm an den formalen Voraussetzungen für eine normale Bildungskarriere. Freunde ermöglichten ihm aber ein Studium in Heidelberg, was die Voraussetzung für sein erstes großes Werk, die Erstfassung von "Der grüne Heinrich" schaffte. 

25 Januar 2020

Gottfried Kellers Selbstbiographie 1889

Selbstbiographie.
(1889)
(erschienen in der Chronik der Kirchgemeinde Neumünster. Herausgegeben von der Gemeinnützigen Gesellschaft von Neumünster 1889. S. 430 ff. - in Wikisource im Internet zu finden, seine früheren autobiographischen Schriften habe ich bereits am 24.1.20 vorgestellt.)
     Gottfried Keller ist geboren am 19. Juli 1819 in Zürich als Sohn des Drechslermeisters Rudolf Keller von Glattfelden, der 1817 nach der genannten Stadt gezogen war, aber schon im Jahre 1824 im Alter von dreiunddreißig Jahren starb, und seine Wittwe Elisabeth, geb. Scheuchzer von Zürich, mit zwei Kindern, dem fünfjährigen Knaben und einem dreijährigen Töchterchen hinterließ. Letzteres, nachdem es seit dem Tode der Mutter ein Vierteljahrhundert allein mit dem Bruder zusammengelebt, ist im Herbst 1888 sechsundsechszigjährig gestorben.
     Den Knaben wußte die Mutter bis zum Beginn des sechszehnten Jahres durch die Schulen zu bringen und ihm dann die Berufswahl nach seinen unerfahrenen Wünschen zu gewähren. Im Herbst 1814 kam er zu einem sogen. Kunstmaler in die Lehre, erhielt später den Unterricht eines wirklichen Künstlers, der aber, von allerlei Unstern verfolgt, auch geistig gestört war und Zürich verlassen mußte. So erreichte Gottfried sein zwanzigstes Jahr, nicht ohne Unterbrechung des Malerwesens durch anhaltendes Bücherlesen [2] und Anfüllen wunderlicher Schreibebücher, ergriff dann aber mit Ostern 1840 auf eigenen und fremden Rath den Wanderstab, um aus dem unsichern Thun hinauszukommen und in der Kunststadt München den rechten Weg zu suchen. Allein er fand ihn nicht und sah sich genöthigt, gegen Ende des Jahres 1842 die Heimat wieder aufzusuchen. Während er hier seine Bestrebung im Komponiren großer Phantasielandschaften von Neuem aufzunehmen glaubte, gerieth er hinter seinen Staffeleien unversehens auf ein eifriges Reimen und Dichten, so daß ziemlich rasch eine nicht eben bescheidene Menge von lyrischen Skripturen vorhanden war.
     Um diese Zeit lebte A. A. L. Follen in Hottingen, der vom Wartburgfeste her wegen seiner schönen Gestalt deutscher Kaiser genannt wurde, wie die Sage ging. Er war an der von Julius Fröbel gegründeten Verlagsbuchhandlung „Literarisches Comptoir in Zürich und Winterthur“ betheiligt, welche später auch Arnold Ruge nach Zürich zog, als seinen Reformplänen dienend.
     Follen, welchem Gottfried Keller nach Art junger Anfänger seinen Erstlingsvorrath vorgelegt, sichtete diese Papiere und veranlaßte die Aufnahme eines Theiles in das vom literarischen Comptoir herausgegebene „Deutsche Taschenbuch auf das Jahr 1845“, das poetische Beiträge von Hoffmann von Fallersleben, Robert Prutz u. A. brachte. Der zweite und letzte Jahrgang 1846 enthielt einen weitern Theil, und ein inzwischen entstandener Cyklus von Liedern erschien im Stuttgarter Morgenblatt. Aus diesen Bestandtheilen redigirte Follen, der die Sache väterlich an Hand genommen und führte, den ersten Band von Gottfried Keller’s Gedichten, der 1846 in Heidelberg erschien.
[3]      Um diesen Übergang zur Literatur zu bekräftigen, begann er ein und anderes Kollegium an der Universität zu hören, so Herbartische Psychologie und Geschichte der Philosophie bei Bobrik, und zwar ohne genügende Vorbildung, und that sich auch sonst etwa bequemlich um, wie ungezogene Lyriker zu thun pflegen. Nur das Dichten trieb er, ebenfalls nach der Weise solcher, gewissenhaft weiter, als ob jeder Tag ohne Vers verloren wäre. Die Aufregungen des Sonderbundskrieges und der darauffolgenden Februar- und Märzrevolutionen verrückten aber den Dichtern den Kompaß und stellten die Zeitlyrik eine Weile kalt. Die Einen saßen in den Parlamenten, die Andern vertauschten die Poesie mit mißlichen Kriegsthaten; für Gottfried Keller eröffnete sich der Ausweg, daß ihm von Seite der Kantonsregierung ein Reisestipendium behufs einer Orientfahrt zur Gewinnung „bedeutender Eindrücke“ angeboten wurde, übrigens ohne bestimmteren Zweck. Um solche Reise nutzbringender zu machen, wurde ihm freigestellt, vorher ein Jahr zur Vorbereitung auf einer deutschen Universität zuzubringen. Demnach begab er sich im Herbst 1848 nach Heidelberg; allein statt den ägyptologischen und babylonischen Dingen nachzugehen, ging er denjenigen nach, welche den Tag bewegten und von der Jugend gerühmt wurden. Bei Hermann Hettner, dem er persönlich befreundet wurde, hörte er dessen jugendlich lebendige Vorträge über deutsche Literargeschichte, Ästhetik und ein Publicum über Spinoza, bei Henle Anthropologie, bei Ludwig Häußer deutsche Geschichte, und als Unicum in seiner Art die Vorträge Ludwig Feuerbach’s über das Wesen des Christenthums, welche dieser, von einem Theil der Studentenschaft herberufen, auf dem [4] Rathhaussaale vor einem Publikum von Arbeitern, Studenten und Bürgern hielt. Durch all’ das gerieth Keller so in den Fluß der Gegenwart hinein, daß er vor Ablauf des Winterhalbjahres schon nach Hause schrieb, ob er das zweite Reisejahr statt in Ägypten, Palästina und der Enden, in Deutschland, z. B. in Berlin zubringen dürfte, was ihm sofort bewilligt wurde. Wegen der politischen Ereignisse des Jahres 1849, vorzüglich des badischen Aufstandes, war in diesem Jahre aber in Ortsveränderungen nicht viel zu thun, als bei aller Theilnahme das Mitleid zu empfinden, das der Anblick abgefallener, in ihrem Bewußtsein irre gewordener Truppen unter allen Umständen erweckt, wenn sie von fremder Hand hin- und hergeworfen werden. So wurde es Ostern 1850, bis Gottfried Keller den Rhein hinunterfuhr und in Berlin anlangte mit der Befugniß, dort noch ein Jahr nach Gutfinden der Pflege seiner literarischen Instinkte zu leben, zu sehen und zu hören, was denselben entgegenzukommen schien. Es geschah aber nicht viel mehr, als daß er sich in dramaturgische Studien zu vertiefen suchte, indem er so oft als möglich in die Theater ging und nachher an Hand des mitgenommenen Zeddels, den er aufbewahrte, eine Reihe von Betrachtungen und Folgerungen schrieb, die er für sich aufbehielt. Zugleich aber begann er den Roman „Grüner Heinrich“ zu schreiben, zu welchem einige Anfänge vorlagen. Die vier Bände dieses Buches erschienen 1854, denn es wurde Herbst 1855, bis er von Berlin wieder heimreiste.
     Im Jahre 1851 erschienen die neueren Gedichte, außerdem schrieb er in Berlin noch den ersten Band der „Leute von Seldwyla“, der 1856 an’s Licht trat. Manches wurde zwischen hinein getrieben und entworfen, so auch die ersten [5] Kapitel des „Sinngedichtes", das aber erst in den Siebzigerjahren vollendet, d. h. im Ganzen verfaßt wurde. Weil nun mit dem Jahre 1850 auch die Stipendiengelder zu fließen aufgehört hatten und damals die Honorareinnahmen für junge Leute noch spärlich waren, so gerieth Gottfried Keller in allerlei Nöthen von jener Art, die man nicht sieht, bis sie da sind.
     Im Jahre 1855 kehrte er endlich nach Zürich zurück, ein erweitertes Bewußtsein mit sich nehmend und in Deutschland gewonnene Freundeskreise zurücklassend.
     In Berlin hatte er noch die „Sieben Legenden" begonnen und schrieb sie nun zu Hause fertig. Gedruckt wurden sie erst 1872. Sodann schrieb er einen Theil der neueren Seldwyler Erzählungen, sowie für Berthold Auerbach’s Volkskalender „Das Fähnlein der sieben Aufrechten", welches Opus als Ausdruck der Zufriedenheit mit den vaterländischen Zuständen gelten konnte, als Freude über den Besitz der neuen Bundesverfassung. Es war der schöne Augenblick, wo man der unerbittlichen Konsequenzen, welche alle Dinge hinter sich her schleppen, nicht bewußt ist und die Welt für gut und fertig ansieht.
     Im Jahre 1861 war die Stelle des ersten Staatsschreibers neu zu besetzen. In Folge einer an ihn ergangenen Aufforderung bewarb sich Gottfried Keller, der nicht daran gedacht, um die Stelle und wurde von der Regierung mit fünf gegen drei Stimmen gewählt, was im gleichen Verhältnisse gebilligt und getadelt wurde. Er bekleidete das Amt während fünfzehn Jahren und legte es Anno 1876 in dem Augenblicke nieder, in welchem er sich überzeugt hatte, daß er die schwindenden Jahre mit besserem Erfolg als früher den literarischen Arbeiten widmen könne.
[6]      Diese wieder aufnehmend, gab er die „Züricher Novellen“ heraus (1878), dann den umgearbeiteten Roman „Der grüne Heinrich“ in einheitlicher autobiographischer Form und bedeutend gelichtet (1879), im Jahre 1881 den Novellencyklus „Das Sinngedicht“, 1883 die „Gesammelten Gedichte“ und 1886 den Roman „Martin Salander,“ der durch Ungunst der Verhältnisse seines ausführlichen Schlusses ermangelte und statt desselben einem selbständigen Buche rufen dürfte.
     Im Sommer 1889 begann die Ausgabe der gesammelten Werke Gottfried Keller’s zu herabgesetztem Preise in zehn Bänden. Ferner dürften einige jener dramatischen Projekte aus den jüngern Jahren in Gestalt von Erzählungen erscheinen, um die so lange Jahre vorgeschwebten Stoffe oder Erfindungen wenigstens als Schatten der Erinnerung zu erhalten und zu gewahren, ob die Welt vielleicht doch ein ausgelöschtes Lampenlicht darin erkennen wolle. Sollte es der Fall sein, wäre der Schaden, wo die Bühne wie ein Dornröschen von dem abschreckenden Verfallsgeschrei umschanzt ist, nicht groß.

24 Januar 2020

Kellers Autobiographie 1847 und 1876

Um Kellers 200. Geburtstag war es relativ still.
"Ich bin im Jahre 1819 geboren. Mein Vater war ein Drechslermeister, von Glattfelden gebürtig, welcher sich in Zürich niederließ, ein aufgeweckter und wohlmeinender Mann; leider starb er schon, als ich kaum fünf Jahr alt war. Meine Mutter schickte mich in mehrere Schulen, zuletzt in die eben eröffnete Kantonsschule. Ich kam aber nicht weiter als bis in die dritte Klasse der untern Abteilung der Industrieschule, indem ich infolge von Unordnungen und Auftritten, welche sich die ganze Klasse gegen einen mißbeliebten Lehrer zuschulden kommen ließ, ziemlich unbegründet als Sündenbock ausgejagt wurde. Hierdurch wurde ein für allemal meine Schulerziehung abgeschnitten; denn meine Mutter hatte nicht die Mittel, mich in ein Privatinstitut unterzubringen. Wenn ich auch in der Schule nur in einem oder zwei Lieblingsfächern, z.B. in den sprachlichen, fleißig und eifrig gewesen war, so war ich doch während der Zeit außer der Schule immer vollauf beschäftigt; ich trieb eine heimliche unbewußte Schriftstellerei, welche in Dramatisierung der in der Schule vorkommenden geschichtlichen Aufsätze und den herkömmlichen Robinsonaden bestand. Mehr noch nahm mich eine wunderliche Malerei in Anspruch: was ich nur von Nürnberger Kinderfarben auftreiben konnte, wurde zur Nachbildung von Morgen- und Abendrot und anderer Himmelseffekte angewendet, welche dazumal meine Phantasie aufs dringendste beschäftigten. Eine Art von autodidaktischer Gewandtheit, die ich darin erlangte, erregte den sehnlichsten Wunsch in mir, Maler zu werden, und so kam es, daß ich nach meiner Ausweisung aus der Schule es durchsetzte. Da meine Mutter aber gerade so wenig Einsicht als ich selbst in den Gang einer künstlerischen Ausbildung [831] hatte und überdies von allem guten Rat entblößt war, so kam ich in die Hände unfähiger Leute, welche keinen Begriff von dem wahren Wesen der Kunst hatten. Ehe ich einen vernünftigen Strich zeichnen konnte, begann ich, meinem angeborenen Produktionstrieb folgend, allerlei Landschaften zu komponieren und derlei dummes Zeug zu treiben; man ließ mich aus Mangel an eigener Kenntnis und daher auch aus Mangel an Autorität gewähren, und ehe ich mich besann, war ich zwanzig Jahre alt geworden, ohne eigentlich etwas Rechtes zu können. Von Verdienen war keine Rede, denn bei aller Ungeschicklichkeit hatte ich immer einen unbändigen Künstlerstolz und wollte nichts beginnen, was nicht meinen inneren Wünschen und Begriffen entsprach.
Im Jahre 1840, als ich doch das Mißliche meiner Stellung bedenklich zu finden anfing, entschloß ich mich zu einem neuen Anfange. Ich ging mit einigen hundert Gulden, welche ich von väterlicher Seite her ererbt hatte, nach München. Die deutsche Kunst, welche hier einen Hauptsitz hat, machte gleich zu Anfang einen gewaltigen Eindruck auf mich, und mein Geschmack bildete sich ziemlich schnell aus. Ich war aber ohne Empfehlungen gekommen, lebte ohne nähere Bekanntschaft mit ausgezeichneten Künstlern, auf der Akademie war für die Landschaftsmalerei gar kein Lehrer, noch Raum: so war ich mir wieder selbst überlassen. Obgleich ich zwar mit mehr Überlegung und Wahl arbeitete, so blieb ich doch in technischer Ausführung zurück. Ich unternahm große Kartons und Bilder, welche ihres Gedankenreichtums wegen den Künstlern gefielen; fertigmachen aber konnte ich sie nicht, hatte auch keinen besondern Trieb dazu; wenn ein Bild gezeichnet, angelegt und in einige Beleuchtung und Haltung gebracht, somit der Hauptgedanke ausgesprochen war, so drängte sich mir schon wieder ein anderes auf, und das erste blieb liegen. Dazu kam, daß ich durch die Stoffe der vielen Kunstwerke, die ich in München sah, auf die poetische Literatur geführt wurde. Das Nibelungenlied war mir neu und imponierte mir, Romantisches und Klassisches drang in verworrenen Massen auf mich ein, das persönliche Leben und der Umgang mit deutschen Künstlern, Künstlerfeste und dergleichen weckten und unterhielten Stimmungen und Anschauungen in mir, die ich vorher oft geahnt und nun in schönster Genüge hatte,[832] aus denen ich aber zu klarem Bewußtsein herauszukommen strebte; und, unwillkürlich auf eine geordnetere und anhaltende Lektüre geraten, trieb ich meiner Kunst und meinen Verhältnissen ziemlich fremde Studien zu einer Zeit, wo ich mich doppelt hätte zusammennehmen müssen, um die Not, welche vor der Türe stand, abzuhalten. Diese brach wirklich herein und machte mein Leben auch in dieser Beziehung ziemlich pikant und poetisch. Zuletzt schlug die Sache aber allzusehr in Prosa über, und ich war genötigt, die Zuflucht wieder ins mütterliche Haus zu nehmen, mit dem Vorsatze, sobald als möglich zurückzukehren und die Sache gescheiter als bisher zu treiben.
Ich befand mich in großer Niedergeschlagenheit, als ich im Herbst 1842 nach Zürich zurückkehrte, und mein einziges Trachten war München. Es wollte sich aber nichts zeigen, welches mir die Rückkehr möglich machte.
Da machte ich von ungefähr im Frühling 1843 einige Verse, die ersten fast in meinem Leben, und war sehr verwundert über die Leichtigkeit, womit sie mir gelangen. Sogleich fiel ich auf den wunderlichen Einfall, einen Band Gedichte herauszugeben und mit dem Gelde, welches ich dafür erhalten würde, nach München zurückzukehren. Ich dichtete den ganzen Sommer und Herbst über tüchtig darauf los. Die Zeitereignisse führten noch die Politik in den Kreis meines Bewußtseins. Als ich einen ziemlichen Pack Reimereien beieinander hatte, überschickte ich sie Professor Follen und bat ihn mit angstvoller Erwartung um Entscheidung über Sein oder Nichtsein dieser Versuche, wie schon viele meiner Landsleute vor mir; denn er ist zu seiner großen Unbequemlichkeit das Orakel der poetischen Anfänger in der Schweiz geworden. Er fand das meiste meiner Sachen unbrauchbar, das übrige aber gut genug, mich zur entschieden poetischen Laufbahn aufzumuntern. Es wurde gleich einiges in einem Taschenbuche gedruckt, fand günstige Aufnahme und erwarb mir wohlwollende und belehrende Freunde. Ich fing an, mich gründlicher in der Geschichte der deutschen Literatur zu orientieren, und trieb mein eigenes Dichten besonnener als bisher. Insofern schien ich keinen üblen Tausch gemacht zu haben, als ich in der schreibenden Poesie weniger Zeit und Ausdauer zur Bekleidung eines Gedankens brauchte als in der malenden, was meinem Produktionstrieb sehr zusagte. Ob ich [833] wirklich zum Dichter geboren bin und dabei bleiben werde, ob ich wieder zur bildenden Kunst zurückkehren oder gar beides miteinander vereinigen werde, wird die nähere Zukunft lehren. Wenn ich auch keine gelehrte Erziehung genossen habe, so ersetzt mir die Schule eines bewegten Lebens dasjenige, was sich nicht nachholen läßt."
1876 schreibt er über diese Zeit:
"[...] Kurz, ich lebte in gedrängtester Zeitfrist alle Phasen eines erhitzten und gehätschelten jungen Lyrikers durch und blieb wohl nur wenige von den Thorheiten und Ungezogenheiten schuldig, die einem solchen anhaften.
     Da kam das Jahr 1848 und mit ihm zerstoben Freunde, Hoffnungen und Theilnahme nach allen Winden und meine junge Lyrik saß frierend auf der Haide. Nur einige ernstere Gelehrte und Magistrate, aus Deutschen und Schweizern gemischt, die still zugesehen hatten, zeigten sich und veranlaßten nun, daß ich mit einem Staatsstipendium auf Reisen gesandt wurde, um nachträglich auch noch etwas zu lernen. Mein Malkasten war längst zugeschlossen und jenes unheizbare Atelier verlassen, und so zog ich zum zweiten Male aus, um an deutschen Schulen, wo es gut schien, meinen Aufenthalt zu nehmen. 
Auf diesen Fahrten nahm ich den einst angefangenen Roman wieder zur Hand, dessen Titel: „Der grüne Heinrich“, schon existirte. Ich gedachte immer noch, nur einen mäßigen Band zu schreiben; wie ich aber etwas vorrückte, fiel mir ein, die Jugendgeschichte des Helden oder vielmehr Nichthelden als Autobiographie einzuschalten mit Anlehnung an Selbsterfahrenes und Empfundenes. Ich kam darüber in ein solches Fabuliren hinein, daß das Buch vier Bände stark und ganz unförmlich wurde. Ursache hiervon war, daß ich eine unbezwingliche Lust daran fand, in der vorgerückten Tageszeit einen Lebensmorgen zu erfinden, den ich nicht gelebt hatte, oder, richtiger gesagt, die dürftigen Keime und Ansätze zu meinem Vergnügen poetisch auswachsen zu lassen. Jedoch ist die eigentliche Kindheit, sogar das Anekdotische darin, so gut wie wahr, hier und da blos, in einem letzten Anfluge von Nachahmungstrieb, von der konfessionellen Herbigkeit Rousseaus angehaucht, obgleich nicht allzu stark. [...]
     Dagegen ist die reifere Jugend des „grünen Heinrich“ zum größten Theile ein Spiel der ergänzenden Phantasie und sind namentlich die beiden Frauengestalten gedichtete Bilder der Gegensätze, wie sie im erwachenden Leben des Menschen sich bestreiten.
     Endlich aber mußte das Buch doch ein Ende erreichen. Der Verleger, welcher sich erst über die unverhoffte Ausdehnung und das langsame Vorrücken desselben beschwert hatte, interessirte sich zuletzt für den wunderlichen Helden und flehte, als Vertreter seiner Abnehmer, um dessen Leben. Allein hier blieb ich pedantisch an dem ursprünglichen Plane hangen, ohne doch eine einheitliche und harmonische Form herzustellen. Der einmal beschlossene Untergang wurde durchgeführt, theils in der Absicht eines gründlichen Rechnungsabschlusses, theils aus melancholischer Laune. Ich nahm die Sache auch insofern von der leichten Seite, als ich dachte, man werde den sogenannten Roman eben als ein Buch nehmen, in welchem mancherlei lesbare Dinge ständen, wie man sich Lesedramen gefallen läßt. So wurde der grüne Heinrich also begraben.
     Allein er schläft nicht sehr ruhig; denn wie ich höre wird der arme Kerl in den Mädchenpensionaten, wenn der Sprach- und Literaturlehrer auf das Kapitel das Romanes [22] kommt, stets heraufbeschworen und vor die unaufmerksamen Schülerinnen hingestellt, herumgedreht, hin- und hergeführt und muß als abschreckendes Beispiel dienen, wie ein guter Roman nicht beschaffen sein soll, und es hilft gegen diese grausame Belästigung nicht der Umstand, daß der Ärmste ja mittelst der eigenen Vorrede die Erklärung in der Tasche mit sich führt, daß er kein rechter Roman sei.
     Wenn auch ein schlechter, so war ich bei der Dicke des Buches nun doch ein Schriftsteller und begab mich mit dieser letzten verspäteten Jugendstudie wieder über den Rhein zurück."

Die von der New York Public Library am häufigsten ausgeliehenen Bücher

6 der 10 seit 1895 beliebtesten Bücher waren Kinder- und Jugendbücher. Das beliebteste ist im deutschsprachigen Raum weniger bekannt:
Ezra Jack KeatsThe Snowy Day“ 1960, ein Bilderbuch

mehr über die beliebtesten Bücher:
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher-ausleihe-in-new-york-das-beliebteste-buch-16585368.html FAZ 19.1.2020

Gottfried Keller: Autobiographisches

Brief an die Mutter

München, den 9. September 1841.
Liebe Mutter!
Ich melde Dir hiermit den Empfang des Geldes sowohl, als Deines werten Briefes, und muß Dir gestehn, daß ich das Paket nur mit Angst eröffnete, weil ich wußte, daß nur durch liebevolle Aufopferung und Entbehrung von Deiner Seite die Sendung dieses Geldes möglich geworden war. Desto unerwarteter und befremdender mußten mich Deine Berichte von Herrn Vogel und Frau Schinz berühren, und wirklich sind solche Aussprüche von Leuten, die sonst mehr Kenntnis besitzen, hart zu verdauen. Daß Hr. Vogel ungern in die Sache einging, sie sogar ablehnte, mag daher kommen, daß Du zu ihm gegangen bist, ohne daß er etwas von mir gesehen hat. Er urteilte halt nur nach Steiger etc. und vermutet wahrscheinlich in mir einen der gewöhnlichen Koloristenlehrjungen, welche derselbe sonst zu halten pflegt. Daß er sich meiner nicht erinnerte, ist merkwürdig, indem er mich doch durch Kaspar Rordorf in seinem letzten Briefe grüßen ließ. Die Gründe und Ansichten des Herrn Vogel, das schwere Auskommen, die nötigen Talente usw. betreffend sind mir ebenso oft schon von Anfang an von allen Leuten vorgeleiert worden und werden jedem jungen Menschen gesagt, daß es eigentlich gar keine Künstler mehr gäbe, wenn jeder darauf horchen wollte. Es ist nur die Frage, welche auch Du mir stellst und welche ich deswegen jetzt frisch wieder reiflich überdenke, ob ich wirklich zum Maler geschaffen sei und die nötigen Talente habe oder nicht. Hier muß ich nun bemerken, daß mir von allen Leuten, Kennern und Nichtkennern, weder in Zürich noch hier gesagt worden ist, ich tauge nichts dazu. Frau Dekan Schinz selbst hat mich nur immer aufgemuntert und gelobt, wenn ich zu ihr kam; und worauf sie nun ihren jetzigen Ausspruch gründet, ist mir nicht recht klar. Wenn man in Zürich nun sagt, ich werde nichts, so kann ich wiederum die Stimme meiner jetzigen Umgebung, die eben nicht aus Mistfinken besteht, auch nicht verachten, und welche mich nur aufmuntert. Wenn ich nun meinen Eifer und die einzige Neigung zur Landschaftsmalerei dazu rechne, welche ich immer gehegt, und daß ich mir gar keinen Beruf denken kann, bei dem ich mich besser finden würde, so denke ich, die Frage ist nicht schwer zu entscheiden. Daß Herr Vogel sagt, er könnte mit seinem Verdienst seine Familie nicht ernähren, benimmt mir eben das Zutrauen an seine anderen Aussagen; denn, wenn er wollte, so konnte er sechs Familien, wie seine, ernähren. Daß er sich nicht nach anderen Leuten zu richten braucht und seine Gemälde selbst zu behalten vermag, ist kein Grund zu seinen Ansichten.
Dem sei nun, wie es will, ich werd in den nächsten Wochen zwei entworfene und leicht gemalte Landschaften heimschicken und dem Ausspruche unterwerfen; Herrn Vogel werde ich natürlich seinem Wunsche gemäß nicht schreiben; wenn Du meinst, er werde einige Augenblicke zum Ansehen der Bilder verwenden, so kannst Du ihn ja dazu noch bitten. Hingegen werde ich einen Brief an Herrn Ulrich mitschicken und ihn bitten, die Sachen anzusehen.
Indessen würde ich mich, selbst in dem Falle, daß man mir Talent nicht abspräche, nicht besinnen, etwas anderes zu ergreifen, wenn sich Gelegenheit zu einer schicklichen Stelle finden würde. Daß ich kein eigentliches Handwerk mehr erlernen könnte, oder etwa in einer Handlung als Postbub einstehen würde, wirst Du selbst begreifen; und es möchte daher schwer sein, irgend einen ordentlichen Platz zu kriegen, wo ich nicht zu lang umsonst schaffen müßte. Hätte ich Vermögen oder Unterstützung, so würde ich vielleicht nicht ungern die Rechte studieren; aber so wird es am besten sein, ich bleibe bei meinem Leisten, und werde in diesem Entschluß durch das Beispiel von tausend andern bestärkt, die nur durch Not und Erfahrungen aller Art auf einen grünen Zweig gekommen sind. Diese Beispiele sind etwa nicht aus alten Zeiten und Geschichten, sondern sie bewähren sich noch täglich. Daß ich einstweilen nicht zu kolorieren vermag, habe ich folgende Gründe: erstens will ich es so lange vermeiden, solange noch irgend ein anderer Ausweg ist; denn es ist doch gewiß besser, wenn man sich durch ein momentanes Opfer in kürzerer Zeit eine gute Existenz verschaffen kann, als durch solche langweilige Hülfsmittel sich Jahre lang durchzuschleppen. Denn während ich koloriere, lerne ich nicht nur nichts, sondern vergesse noch das Gelernte. Zweitens gibt es hier nicht so hübsche Kolorierarbeit, wie in der Schweiz, sondern nur Sachen, die jede Jungfer machen kann, und werden meistens auch nur von Jungfern gemacht. Fischer hat nun genug zu kolorieren, aber er denkt nicht weiter. Er hat auch Spinner und Kündig hieher zitiert, welche auch zu tun haben werden. Allein ich mag nun einmal nicht, denn ich bin zu gewiß, daß ich in weniger Zeit der Entsagung mehr verdienen kann, als diese Schmierhänse. Ich kenne hier zu Dutzenden junge Künstler von drei-, vier- bis fünfundzwanzig Jahren, welche alle im Anfang die gleiche Geschichte und Not hatten, wie ich, und die nun sehr gut stehen. Wir wollen es also einstweilen getrost darauf ankommen lassen; denn, wenn mir etwas anderes bestimmt wäre, so wären gewiß meine Gedanken etwa schon darauf gefallen, und ich habe bis jetzt keine Ursache, an der Vorsehung zu zweifeln.
Der Frau Dekan Schinz wirst Du schon das Nötige für mich sagen zur Danksagung; es ist mir nicht sehr lieb, etwas von Leuten annehmen zu müssen, welche doch glauben, es sei schlecht angewendet. Was meinen neuen Rock betrifft, so war derselbe schon notwendig; denn der andere war nur ein ganz geringer grüner Rock und wurde nun fast ein Jahr lang alle Tage, Sonn- und Werktag, getragen. Jedoch ist er noch gut, nur konnte ich ihn nicht mehr brauchen am Sonntag oder bei sonstigen Anlässen, denn ich gehe mit ordentlichen und gut gekleideten Leuten und kann einmal nicht den Kniffer spielen ... Herr Vogel mag wohl sechs Jahre lang in einem abgeschabten Rock umhergegangen sein. Es war wahrscheinlich unter den damaligen Künstlern so Mode. Hier geht es einmal nicht; denn München ist noch ziemlich kleinstädtisch, wo man auf dergleichen Sachen so gut sieht, wie in Zürich ...
Einstweilen kann ich nur in wenigen Worten für Deine Güte danken; jedoch versteht sich's, daß Du, im Falle Du meinem Plane entsprechen wirst, die vier Louisdor sogleich an dem Gelde, so Du für mich borgst, abziehen wirst, damit Du in Deiner häuslichen Rechnung nicht zu kurz kömmst; denn meine Sache muß getrennt sein von Euren Angelegenheiten, damit ich später alles richtig wieder in Ordnung bringen kann. - Bis dahin muß ich Dich nur wieder bitten, die Sache nicht so schwer aufzunehmen: die Not ist gar nicht so groß, und wenn ich denken muß, daß Du meinetwegen immer in Sorgen seist, so verbittert und verleidet mir dies alle Arbeit. Tausend Grüße an alle.
Dein Sohn.

Tagebuch 1843
»Ein Mann ohne Tagebuch (er habe es nun in den Kopf oder auf Papier geschrieben) ist, was ein Weib ohne Spiegel. Dieses hört auf Weib zu sein, wenn es nicht mehr zu gefallen strebt und seine Anmut vernachlässigt; es wird seiner Bestimmung gegenüber dem Manne untreu. Jener hört auf, ein Mann zu sein, wenn er sich selbst nicht mehr beobachtet und Erholung und Nahrung immer außer sich sucht. Er verliert seine Haltung, seine Festigkeit, seinen Charakter, und wenn er seine geistige Selbständigkeit dahin gibt, so wird er ein Tropf. Diese Selbständigkeit kann aber nur bewahrt werden durch stetes Nachdenken über sich selbst, und geschieht am besten durch ein Tagebuch. Auch gewährt die Unterhaltung desselben die genußvollsten Stunden.« Diese Worte habe ich vor fünf Jahren, im Heumonat 1838, in meinem neunzehnten Jahre, niedergeschrieben, ohne daß ich bis jetzt irgend einmal ein Tagebuch angefangen hätte. Ich denke aber, es geht mir nicht allein so, und ich habe schon oft geahnt und an mir selbst erfahren (ich müßte denn eine tüchtige Abnormität sein), ich habe schon oft bemerkt, sage ich, daß in der Welt sehr viel Schönes, Wahres, sehr gründlich und solid Scheinendes, dem, der es sagt, zur Ehre Gereichendes gesprochen, geschrieben und behauptet wird, ohne daß es dem Autor im mindesten in den Sinn käme, das mit so viel Energie Geäußerte auf sich selbst anzuwenden oder auszuüben. 
So ist es mir nun auch mit meinem Tagebuch gegangen, und ich habe die so lehrreiche Zeit meines ersten Ausfluges in die Welt, die drei Jahre, welche ich in München zubrachte, samt allen Eindrücken, die ich dort empfangen, das heitere, schöne Künstlerleben, die bangen sorgenvollen Tage, die ich erlebt, und sonst noch so vieles, was mein Gemüt lebhaft ergriffen; die Rückkehr und Flucht ins mütterliche Haus: das alles habe ich handelnd und leidend an mir vorbeiziehen lassen, ohne eine Silbe darüber niederzuschreiben. 
Ich habe mir zwar das ganze Bild in seinen Umrissen und mit seinen Lokalfarben ziemlich treu bewahrt, und wenn ich einst aus mir selbst heraustreten und, als ein zweites Ich, mein ursprüngliches eignes Ich in seinem Herzkämmerlein aufstören und betrachten, wenn ich meine Jugendgeschichte schreiben wollte, so würde mir dies, ungeachtet ich bis jetzt nie ein Tagebuch führte, und nur früher, vor bereits sechs Jahren, dann und wann, aber sehr selten, einzelne abgerissene Vorgänge der Außen- und Innenwelt aufzeichnete, dennoch ziemlich gelingen.
Aber wie viele, viele Gedanken und Ideen, wie sie Sonne und Mond uns bringen, gingen mir nicht verloren? Wie viele Erfahrungen und Erlebnisse hatten keinen oder nur wenigen Nutzen für mich, weil ich sie mir nicht genugsam einprägte? 

Wie viele poetische Motive und künstlerische Erscheinungen gingen wie Traumbilder, auf die man sich beim Erwachen nicht mehr besinnen kann, an mir vorüber? Und wie viel reizende und bedeutungsvolle Geschichten, Vorfälle und Anekdoten verweben sich dem sinnigen Menschen in sein tägliches Leben, aus denen er oft die schönsten Geistesblumen ziehen könnte, und die meistens spurlos verloren gehen, wenn er nicht einen gehaltvollen Briefwechsel oder ein Tagebuch führt! 
Der Hauptgrund aber, der mich zur Führung eines solchen trieb, liegt in der Beschäftigung an sich selber, die sie mir verleiht. Das Tagebuch wird mir ein Asyl sein für jene grauen, hoffnungslosen Tage, die mir oft in stumpfem Nichtstun vorübergehen und spurlos in die dämmernde Vergangenheit verschwinden. Es sind dies die Tage, welche man, gehemmt durch äußere, widerliche, oft miserabel kleinliche Umstände, oder durch innere Erschöpftheit, Rat- und Mutlosigkeit dahinbrütet, ohne einen frischen Entschluß zur Arbeit fassen zu können. Ich weiß wohl, es gibt Leute, welche diese Tage nicht kennen; sondern jahraus jahrein, vom Morgen bis Abend, arbeiten können; ich meine hier nicht die Handarbeiter, sondern die Geisteshandlanger, die glücklichen Wesen, welchen materiell kein Augenblick verloren geht, den sie nicht benutzen können, wie man Nadel und Zwirn, Waschwasser u. dgl. benutzt, welche mit der unerträglichsten, selbstzufriedenen Emsigkeit die Werkel- und Schmutztage hindurch fuseln und schlampen und am Sonntage mit fetter Behaglichkeit nichts tun, nichts denken, nichts sehen; sondern ihren Gänsebraten verzehren und mit Weib und Kind hinausschlendern, nicht um Wald und Au zu sehen, vielmehr um Basen und Gevattern anzutreffen, und den feinen, wohl konservierten Sonntagsrock zu lüften; welche nur sprechen: Heute ist Feiertag! und sich dann vor allem Denken so wohl verwahren können, wie man sich vor dem Sonnenscheine schützt, indem man nur in den Schatten tritt. Glücklich sind diese Leute, und ich bin geneigt zu glauben, daß diese Behaglichkeit, verbunden mit einem geregelten, ersprießlichen Fleiße, mit den spätern Jahren auch feurigern und kräftigen Naturen, wenn sie lange genug gelitten und gekämpft haben, zuteil werden könne. Denn jeder Mensch wird am Ende Philister, nur mit dem Unterschiede, daß es der eine innerlich, der andere äußerlich, der dritte aber traurigerweise total wird. 

Ich aber bin noch nicht, noch lange nicht so weit, daß alle meine Entwürfe, oder nur der kleinere Teil derselben, so gediegen, klar und unabänderlich wären, daß nicht Tage, ja Wochen und Monate der Unterbrechung und der Niedergeschlagenheit kämen, wo nichts ans Sonnenlicht dringen will in freudiger Klarheit. Es gibt Zeiten, wo man, geschweige einen warmen Menschen, nicht einmal ein warmes, lebendiges Buch zur Hand hat, an dem man sich bereichern und erquicken könnte. In diesen Zeiten soll das Tagebuch mein Trost sein! Wenn ich einen lieben langen Tag nichts Bleibendes getan habe, so will ich wenigstens dies hineinschreiben, und dann wird das Buch mir entweder einige Gedanken geben, oder einige entlocken, so daß doch etwas, daß doch einige Worte zurückbleiben von der luftigen Blase, der Zeit. Aber nicht bloß in Tagen der Mutlosigkeit – nein! auch in Tagen der festlichen, rauschenden Freude will ich stille Momente verweilen und ausruhen im traulichen Schmollwinkel meines Tagesbuches. Ich will die schönsten Blüten erlebter Freude hineinlegen, wie die Kinder Rosen- und Tulpenblätter in ihre Gebetbücher legen; und wie sie sich dann in späteren Jahren wehmütig erfreuen, wann ihnen so ein verblichnes Blumenblatt in einem alten Buche zufällig wieder in die Hände fällt: so will ich mich in meinen letzten Erdentagen erfreuen an den Bildern entschwundener Freuden. [...]
18.7.1843
Nach der Natur gezeichnet und mich dabei an einem Ameisenbau ergötzt, welcher in meiner Nähe war. Ich warf das ausgerauchte Endchen einer Zigarre hinein. Einige Polizeiinspektoren untersuchten es, machten sich aber spornstreichs wieder davon. Nachher legte ich ein kleines Stückchen von einem Pfannkuchen hin, welchen ich zum Mittagsmahle mitgenommen hatte; sogleich war es mit Ameisen bedeckt, und nun ging das possierlichste Treiben an. Das Stückchen bewegte sich bald fort, hinten und vorn zogen und schoben die Tierlein auf das lustigste. Ich sah ganz deutlich, wie einige im Wege liegende Hindernisse, Reiserchen und dergleichen erst auf die Seite schafften und dann nachher wieder anpackten, während andere solche vorragenden Ecken des fortzuschaffenden Gegenstandes, welche durch die Öffnung nicht hindurchpaßten, abbissen und so wegschleppten. In einer Weile darauf sah ich nichts mehr davon. Nach ungefähr zwei Stunden störte ich den Bau mit einem Rütchen vorsichtig auf, und siehe, das Omelettenfragment war zuunterst, etwa dreiviertel Fuß tief, wohl versorgt, obgleich schon tüchtig angenagt. Jetzt wimmelte aber alles auf, und die erste Sorge war, den Schatz wieder in Sicherheit zu bringen. Erst nachdem sie ihn wieder verborgen hatten, begannen sie die Renovation der Kolonie, welche am Abend beinahe zu Ende war. Das unglückselige Zigarrenendchen aber lag, wie eine verzauberte Prinzessin, immer an der selben Stelle. Die emsige Geschäftigkeit und die anscheinende Freudigkeit der Tierchen über den fremdartigen Fund des Pfannkuchenstücklein erinnerte mich an die Trojaner, als sie das rätselhafte Pferd in Ihrer Stadt führten.

21 Januar 2020

Harald Jähner: Wolfszeit

Harald Jähner: Wolfszeit. Deutschland und die Deutschen 1945 - 1955 Berlin 2019, ISBN 978-3-7371-0013-7.

Ich habe schon viel Lob über dies Buch gelesen und kenne einige Zitate daraus, die ich sehr interessant fand. 
Anarchie des Anfangs, SZ 19.2.19
Das Lachen im Elend, Deutschlandfunk 24.2.19
#Jähner
Andererseits dachte ich, angesichts der vielseitigen Literatur der Nachkriegszeit, "Trümmerliteratur", wie man sie auch nannte, könne das Buch etwas so Außergewöhnliches nicht sein.
Ich habe mein Urteil revidiert.  Von der ganzen Reihe von bemerkenswerten Stellen, die ich beim ersten Blättern gefunden habe, zitiere ich hier:

Stunde Null? (Kapitel 1, S.17-30)
Jähner sagt: Nein, es lief vieles weiter und überhaupt beeinflusst die Vorgeschichte natürlich alles.
In Trümmern (Kapitel 2, S.31-60)
Trümmerfrauen, Frauen kommen allein zurecht.

Das große Wandern (Kapitel 3, S.61-119)
"Insgesamt vierzig Millionen auf die eine oder andere Art Entwurzelte in den vier Besatzungszonen! Geflohene, Obdachlose, Desertierte, Gestrandete – eine erzwungene Mobilität und vorstellbaren Ausmaßes. Das heißt nicht, dass alle tatsächlich in Bewegung waren. Die meisten steckten fest, harrten in Lagern aus, kamen nur qualvoll langsam oder mit Unterbrechungen voran. Die einen mussten möglichst rasch nach Hause gebracht, die anderen erst einmal festgesetzt werden. Versorgt werden mussten sie alle – eine gigantische logistische Leistung, selbst wenn es oft nicht einmal das Nötigste war, das beschafft werden konnte. Die Zahl der vorübergehend zu internierenden deutschen Kriegsgefangenen war nach der Kapitulation derart, dass die Alliierten keine andere Möglichkeit sahen, als etwa eine Million von ihnen in den so genannten Rheinwiesenlagern unter freiem Himmel einzuzäunen und sie über viele Wochen ohne Dach über dem Kopf hinter Stacheldraht hausen zu lassen. Erst im Verlauf des Juni hatten die meisten der 23 Lager Latrinen, überdachte Küchen und Krankenbaracken erhalten. Im September 1945 wurde das letzte dieser Massencams aufgelöst, nachdem der Großteil der Internierten längst verhört und entlassen oder auf andere Lager verteilt worden war.
Die teils zu Hundertausenden zusammengepferchten Soldaten, auf dem Boden hockend und schutzlos Wind und Wetter ausgesetzt, boten ein schockierendes Sinnbild der puren Masse, zu der das NS-Regime und der Krieg die Gesellschaft herabgewürdigt hatten. Vielen, die jenseits dieser Zäune lebten, ging es kaum besser. Wer das Wagnis unternahm, in dieser Zeit eine Reise zu machen, obwohl er ein festes Dach besaß, begegnete den Umherziehenden auf den Straßen, den Bahnsteigen und Wartesälen." (Seite 62/63)


Flüchtlinge
Ursula Trautmann wird auf ihrer Flucht von ihrer Mutter getrennt. 

"Die Witwe Harms, bei der sie wohnt, bringt die Flüchtlinge nur auf dem Heuboden im schmutzigen Stroh unter, obwohl ihr halbes Haus leer steht. [...] 
Als die englischen Besatzungssoldaten merken, dass ihre Aufforderungen, die Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen nichts fruchten, lassen Sie die Dorfbewohner auf dem Kirchplatz in Reih und Glied antreten und drohen mit Beschlagnahme und Enteignung der Häuser. Daraufhin kommt Ursula mit acht weiteren Flüchtlingen in einem Zimmer beim Dorfschmied unter. Dafür lässt man sie bei jeder Gelegenheit spüren, dass man sie zum Teufel wünscht. Es seien zu wenig Schiffe mit Flüchtlingen untergegangen, zischt man dem jungen Mädchen hinterher. Zum Glück findet wenigstens die versprengte Familie wieder zusammen. Das enge Netz von Nachrichten, dass die Vertriebenen über weite Entfernungen unterhalten, bewährt sich. [...] 
Da die Wullenkordts geschickte Landwirte sind, gelingt es ihnen, einen heruntergekommenen Hof, den sie 1955 pachten, wieder in Schuss zu bringen. Nun klettert allerdings die Pacht in unbezahlbare Höhen. Die Familie nimmt daraufhin den nächsten bankrotten Hof unter ihre Fittiche und päppelt ihn hoch, bis auch hier die Pacht steigt. Nach dieser Methode sanieren sie durch Fleiß und Geschick einen heruntergekommenen Hof nach dem anderen, ziehen "von Hardissen nach Roth, dann nach Ransbach-Baumbach, danach auf die Rheininsel Königklinger Aue, nach Birkenfeld an die saarländische Grenze, schließlich nach Neukirchen bei St. Wendel und am Ende nach Rheinhausen in der Pfalz" – eine Sanierungsodyssee, die sie durch ganz Westdeutschland führt und viele Leute reich macht, nur sie selbst nicht." (S.92/93)
"Die Einheimischen, ob in Bayern oder Schleswig-Holstein, wehrten sich teilweise so vehement gegen die Einquartierungen, dass die Vertriebenen nur unter dem Schutz von Maschinengewehren in ihre zugewiesenen Behausungen geleitet werden konnten." (S.94/95)
Der Rassismus lebte fort und richtete sich nun munter nach innen. [...] Nach dem Zusammenbruch hatte die Idee der Volksgemeinschaft an Strahlkraft verloren, der Hochmut aber keineswegs abgenommen. Das Volk war desavouiert, nun besann man sich plötzlich wieder auf die Region als das entscheidende Identitätsmerkmal. In der innerdeutschen Migration sahen viele eine Art multikulturellen Angriff auf sich selbst. Der Tribalismus blühte, man grenzte sich als Stammesangehörige durch Sitten, Gebräuche, Glaubensriten und Dialekte von den umliegenden ab und erst recht von den Deutschböhmen, Banater Schwaben, Schlesiern, Pommern und Bessarabiendeutschen – alles 'Polacken'. [...] 
Ob die Maiandacht auf dem Friedhof, im Freien oder in der Kirche gehalten wird, wie ein Maibaum auszusehen hat [...] all das führte zu Reibereien mit den Flüchtlingen (S.97)
"Der Kreisdirektor des bayrischen Bauernverbandes, Dr. Jakob Fischbacher, bezeichnete es in einer viel beachteten Rede als Blutschande, wenn ein bayrischer Bauernsohn eine norddeutsche Blondine heiratete, und forderte die Bauern auf, die eingefallenen Preußen wieder nach Osten zurückzutreiben [...] 
Der Hass auf die Zuwanderer, der solche Hetzreden beflügelte, hatten einen Grund in der unbestreitbaren Erosion der lokalen Traditionen, die der Zuzug ja tatsächlich bewirkte. Jahrhundertelang gewachsene regionale Eigenheiten waren bedroht. [...] Im Krieg waren Massen von ausgebombten und evakuierten Großstädtern aufs Land geströmt und von den Behörden oftmals mit der gleichen Militanz einquartiert worden wie die Vertriebenen. Die Städter hatten mit ihren freizügigen Sitten die Dörfler schockiert, andere aber auch beeindruckt. Die immerhin fünf Millionen Städter, die auf die deutschen Lande verteilt worden waren, darunter viele lebenslustige junge Frauen [...] hatten die tradierten Wertvorstellungen dort irritiert. [...]
Mischehen [...] kamen trotz des erbitterten Widerstands der Pfarrer bald immer häufiger zustande. Der katholische Partner wurde dabei allerdings in der Regel exkommuniziert, wenn der protestantische nicht seinen Glauben wechselte. [...] Manche Gläubige, hin und her gerissen zwischen Liebe und Kirchentreue, litten unter dem Ausschluss aus der Gemeinde ein Leben lang." (S. 98-100)

"Die Härte der Konflikte hing auch damit zusammen, dass die Flüchtlinge Deutschland tatsächlich veränderten. Vor dem Krieg hatten in Westdeutschland 160 Menschen auf einem Quadratkilometer gelebt, jetzt waren es 200. In den Großstädten war davon relativ wenig zu spüren, in Berlin und Hamburg betrug der Anteil der Vertriebenen an der Gesamtbevölkerung gerade mal sechs und sueben Prozent. In Mecklenburg-Vorpommern aber waren es 45, in Schleswig-Holstein 33 und in Bayern immerhin noch 21 Prozent. Hier nacge die Einwanderung der Fremden beharrlich an der Gewissheit, die eigene Lebensweise sei die einzig gültige." (S.100/101)
Aufgrund der oft revanchistischen Töne ihrer Verbandsfunktionäre wurden die Vertriebenen lange zu den reaktionär Kräften der Bundesrepublik gezählt. Tatsächlich waren sie in hohem Maße bis in die siebziger Jahre hinein verantwortlich für rechtsradikale Umtriebe. (S.102) [...]
Das Paradoxe ist: so rückwärtsgewandt viele Vertriebene auch waren, in der Nachkriegs gesellschaft wirkten sie als Agenten der Modernisierung. Sie verursachten jene kulturelle und soziale Durchmischung maßgeblich mit, auf die die junge Republik sich später so viel einbildete. [...] So waren sie zum Beispiel – neben dem späteren Fernsehen – in vielen Regionen für den Mundartenschwund verantwortlich. [...]
Schnell wurden die Vertriebenen deshalb von einer Last zu einem Gewinn für die deutsche Wirtschaft. Sie waren meist schneller bereit, sich neuen Umständen anzupassen als die Alteingesessenen. [...]
Der rasche Aufschwung nach der Wirtschaftsreform 1948 wäre ohne die Arbeitsemphase der Vertriebenen nicht möglich gewesen. [...]
Trotz aller Integrationserfolge dauerte es bis 1966, bis die letzten großen Barackenlager für Vertriebene aufgelöst werden konnten. (S.103 -104)
Oft erhielten die Siedlungen von den Einwohnern der gewachsenen Stadtteile Spitznamen wie Kleinkorea, Neupolen, Mau-Mau oder kKeinmoskau, womit sie deutlich machten, wohin sie die Menschen dort am liebsten verbannt hätten. [...] Mau Mau markierte auf sprechende Weise den Punkt, an dem die Deutschen sich selber fremd worden, und das war bezeichnenderweise nicht der Moment, als sie den Holocaust begriffen. [...]
Der Historiker Friedrich Prinz resümierte: "Der zufriedene Rückblick auf die geglückte Integration der Vertriebenen verstellt heute manchmal die Einsicht, wie nahe wir der gesellschaftlichen Katastrophe waren (S. 105)
Die Vertreibung der Deutschen war ein gigantisches Enteignungsprogramm [...]" Irgendwie konnte man darin schon eine gerechte Strafe für das Unrecht ansehen, was NS-Deutschland den überfallenen Völkern angetan hatte. Aber: "Die Vertriebenen fragten sich jedoch zu Recht, warum sie diese Bußlast allein tragen sollten. [...] Von den zurechnungsfähigen Politikern verschloss sich auch niemand der abstrakten Einsicht, dass die Lasten gerechter verteilt werden müssten. In welchem Maße allerdings und wie das konkret bewerkstelligt werden könnte, darüber gingen die Meinungen erheblich auseinander.
Leichter hatte es das Regime in der sowjetischen Besatzungszone, weil es dirigistischer verfahren konnte. Der ab Herbst 1945 beschlagnahmte Großgrundbesitz wurde zu mehr als einem Drittel an Vertriebene verteilt. Die neue Bauernstellen die durch die Bodenreform entstanden, gingen sogar zu über 40 Prozent an die Flüchtlinge. Dafür durften sie sich jedoch nicht mehr Vertriebene nennen; das Regime nannte sie Neubürger oder Umsiedler [...] Das gelang relativ gut um den Preis, dass die Vertriebenen ihre Geschichte verleugnen mussten und sich im offiziellen Geschichtsbild der DDR nicht wiederfanden. [...] 400.000 Vertriebene, darunter etliche, die den Verlust ihrer Identität nicht hinnehmen wollten, zogen bis Jahresende 1949 allerdings in die Westzonen weiter – auch das erhöhte die Integrationschancen für die übrigen in der DDR.
In der Bundesrepublik hatte derweil eine quälende Diskussion um den so genannten Lastenausgleich begonnen. Ein entsprechendes Gesetz trat im September 1952 in Kraft. Es regeite wer welchen Anteil an den Kriegslasten zu tragen hatte. Das Lastenausgleichsgesetz liest sich so trocken und glanzlos, wie es sich anhört, und doch verkleidet der Begriff ein Wunderwerk an politischem Aushandlungsvermögen. [...]
Erich Ollenhauer formulierte: "Es ist das Gesetz der Liquidierung unserer inneren Kriegsschuld gegenüber von Millionen unserer eigenen Volkes genossen." [...]
Das Gesetz bestimmte, dass Eigentümer von Grundstücken, Häusern und sonstigen Vermögen fünfzig Prozent ihres Besitzes, über den sie am Stichtag, dem 21. Juni 1948, verfügt halten, abführen mussten. Die Summe konnte in vierteljährlichen Raten über 30 Jahre hin weg entrichtet werden Nutznießer waren die 'Kriegsgeschädigten': die Ausgebombten, Invaliden und Vertriebenen. [...]
Der Verlust großer Vermögen sollte prozentual weniger entschädigt werden als der Verlust kleineren Besitzes." (S. 106-108)


Tanzwut (4. Kapitel, S.121-148)
[...] Das Gefühl, der Katastrophe entronnen zu sein und die unvorhersehbare, ungeregelte Zukunft führten zu einer gesteigerten Lebensintensität. Viele existierten nur für den Moment; war dieser schön, wollten sie ihn bis zur Neige ausschöpfen." (S.121)


Liebe 47 (5. Kapitel, S.149-206)
"Ohne den Vater waren viele Familien zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammengewachsen, die mehr denn je auf einander angewiesen war (S. 152) 
"Die Entfremdung zwischen Vätern und Kindern, vor allem den Söhnen, nahm oft dramatische Formen an. Kinder, die in den Nachkriegsmonaten beim Hamstern und Schwarzhandeln über sich hinaus gewachsen waren, sahen nicht ein, warum sie sich plötzlich einem nichtsnutzigen, kranken Tyrannen unterwerfen sollten. 
(S. 154/155)
In glücklichen Fällen endete der Ehekrieg in einem langen anhaltenden Waffenstillstand. Man lernt sich zu arrangieren, fügte sich, schloss Kompromisse. Meist ging es nüchtern zu in diesen mühsam konsolidierten Ehen." (Seite 160/161)


Frauenüberschuss

"Weit über fünf Millionen deutsche Soldaten waren im Krieg gefallen. Hinzu kamen 6,5 Millionen Männer, die Ende September 1945 noch in westlicher Kriegsgefangenschaft waren. Über 2 Millionen Gefangene hungerten in sowjetischen Lagern. Noch 1950 entfielen auf 1000 Männer 1362 Frauen.[...] Von den Jahrgängen 1920-1925 kehrten mindestens zwei Fünftel der jungen Männer nicht mehr aus dem Krieg zurück. Besonders spürbar wurde das zahlenmäßige Ungleichgewicht in den Großstädten. [...] 
Es ging ja nicht nur um Liebe, sondern auch um den Lebensunterhalt, und die Erwerbsarbeit erschien nicht allen Frauen als das größte Glück auf Erden, zumal die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt bald wieder schlechter wurden. In der Folge wurde der Frauenüberschuss zu einer Kampfvokabel auf dem Stellenmarkt. Auch hier konkurrierten Frauen gegen Frauen. Die Alleinstehenden wurden gegen die Verheirateten ausgespielt. [...] Mit dem Hinweis auf die Vielzahl unverheirateter Frauen, die zu beschäftigen waren, entspann sich eine staatlich geförderte Kampagne gegen die 'Doppelverdiener', denen man vorwarf, sich überproportional zu bereichern. (S.176/78) 
"In vielen Bundesländern wurden weibliche Beamte, die mit männlichen verheiratet waren, aufgrund ihrer guten Versorgungslage aus dem Dienst entlassen – vorgeblich auch zum Wohl der Kinder und einer  'gedeihlichen Atmosphäre'. [...]
"Die Tochter einer Soldatenwitwe erinnert sich: [...] Die Heilgebliebenen separierten sich von den Blessierten, die mannlosen Frauen gerieten ins Abseits, die Kluft zwischen den Sanierten und den Dauergeschädigten blieb unüberbrückbar. Freundschaften entwickelte meine Mutter nur zu anderen Kriegerwitwen." (Seite 179)
"In Berlin verteilte die Rote Armee zeitweise Tintenfässer an die Frauen mit der Aufforderung, Vergewaltiger zu kennzeichnen, um sie durch ihre Vorgesetzten bestrafen zu lassen. Doch welche Frau traute sich schon, durch solche Maßnahmen die enthemmten Männer zusätzlich zu reizen?" (Seite 187)
"Ein SMS-Obersturmbannführer berichtete im März 1945 während des amerikanischen Vormarschs an seine Dienststelle, was ihm nach der vorübergehenden Rückeroberung eines Ortes durch die Wehrmacht von dessen Bewohnern erzählt worden war: 'Die Amerikaner hätten durchweg versucht, durch Verschenken von Konserven, Schokolade und Zigaretten ein gutes Verhältnis mit der Bevölkerung herzustellen.' [...] Allgemein wird behauptet, dass sie sich besser verhalten hätten als unsere deutschen Truppen." 

(S. 191/92)
Die amerikanische Militärführung hatte "ihre Soldaten auf eine schonungslose Unterwerfung des Feindes eingestimmt und Fraternisierung jedweder Art im April 1944 verboten. Kein Händeschütteln, keine Wortwechsel, nicht die geringste Annäherung sei erlaubt. Umso verblüffter reagierten die einrollenden GIs auf den freundlichen Empfang, der ihnen von hübschen Frauen und staunenden Jugendlichen bereitet wurde, und konnten sich an den dankbaren Reaktionen nicht sattsehen, die sie mit ihren Zigaretten und ihrer Schokolade ausgelösten, welche sie trotz des Verbotes aus den Jeeps reichten." (Seite 193)


"Der 24-jährige Daniel Militello aus Brooklyn war der erste amerikanische Soldat, der nach Kriegsende eine deutsche Frau heiratete". Er hatte freilich allerlei zu erdulden. Als er um Ausreise für seine Frau und den gemeinen Sohn einkam, wurde er verhaftet und in die UC`SA zurück gebracht. Nur dank des Einsatzes einen Kongressabgeordneten wurde nach Monaten erreicht, dass seine Frau ihm folgen durfte. 

"Bis 1988 sollten ihr auf diesem Weg schätzungsweise 170.000 deutsche Soldaten Bräute folgen." (S:201)
"Es waren bezeichnenderweise die Frauenzeitschriften, die sich am vehementesten gegen die Verurteilung der 'Fräuleins' wehrten. In dem Beitrag 'Veronika Dankeschön: Frauen und Mädchen – Die Vorwürfe gegen sie und wen sie in Wahrheit treffen' wendete sich das Blatt Die Frau – ihr Kleid, ihre Arbeit, ihre Freude  gegen die Unterstellung, es ginge Veronika vorrangig um Zigaretten. Vielmehr wolle die Frau, die der Krieg um so viele Tanzbälle, Dampferfahrten, Konzertabende und Liebesabenteuer betrogen habe, nun 'endlich mal leben'." (S.203)

Was Marta Hillers in ihrem Tagebuch beschrieben hatte, als sie in Berlin von mehreren russischen Soldaten vergewaltigt worden war, kommentiert Harald Jähner: 

"Ihr kaltblütiges Bestreben, sich in den oberen Militärrängen einen Leitwolf als Beschützer zu suchen, um fortan vor den Nachstellungen der rohen, einfachen Wölfe bewahrt zu werden, entspricht einer Urszene der Partnerwahl.Sie selbst ist erstaunt, wie das Gefühl der Dankbarkeit, inmitten der Anarchie einen gewissen Schutz gefunden zu haben, zu zärtlicher Anhänglichkeit führt. Es herrscht eben Wolfszeit; [...]" (S. 204)

Rauben, Rationierung, Schwarzhandeln – Lektionen für die Marktwirtschaft (6. Kapitel, S.207-250)
Die meisten Deutschen lernten den Hunger erst nach dem Krieg kennen. Bis dahin hatte man von der Ausplünderung der besetzten Gebiete einigermaßen gut gelebt." (S. 207)


"Besonders schwach ausgeprägt war das Unrechtsbewusstsein beim Verschieben von Kaffee. In den Dörfern an der belgischen Grenze wurde der Schmuggel zu einer Massenbewegung, die sich wegen der hohen Besteuerung in der britischen Zone extrem lohnte. Die polizeilichen Gegenmaßnahmen nahmen dort so militante Züge an, dass man bald von der "Kaffeefront" sprach. 31 Schmuggler und zwei Zöllner kamen bei den Auseinandersetzungen ums Leben. Da die Zöllner Skrupel hatten, auf Kinder zu schießen, kamen sie auch hier überall zum Einsatz. Dabei nutzten sie ihre schiere Überzahl. Zu Hunderten überrannten Kinder und Jugendliche die Grenze, die Taschen voller Kaffee, und wieselten zwischen den Zöllner Beinen hindurch. Gelang es den Grenzen aus dem Schwarm ein Kind herauszugreifen, mussten sie es am Abend wieder ziehen lassen, denn die Heime waren längst mit schweren Fällen überfüllt. Der Film "Sündige Grenze" von Robert A. Stemmle setzte 1951 den Schmuddelkindern von Aachen, die sich selbst "Rabatzer" nannten, ein eindrucksvolles, vom italienischen Neorealismus inspiriertes Spielfilmdenkmal. Stemmler hatte 500 Kinder und Jugendliche rekrutiert, die Hälfte davon aus Berlin, um an der deutsch-belgischen Grenze an den Originalschauplätzen zu drehen. Wie diese verwahrlosten Kindermassen die Bahndämme entern, gejagt von Zöllnern und Polizisten, sich unter anfahrenden Zügen hindurchzwängen und die Grenze befallen wie Heuschrecken, das gehört zu den packendsten Szenen, die der Nachkriegsfilm zustande brachte übrigens auch deshalb, weil er zeigte, wie unsicher die Grenze zwischen den Guten und Bösen verlief.
Ganz im Sinne von Kardinal Frings halten die Aachener Rabatzer das Verständnis der Kirche. Sie wandte sich mehrfach gegen den Schusswaffengebrauch an der Grenze. Die Schmuggler bedankten sich dafür auf ihre Art. Die Hubertuskirche in Nidegen in der Eifel, direkt an der Kaffeefront, war in der berüchtigten Allerseelenschlacht Anfang November 1944 schwer zerstört worden. Nach einem Spendenaufruf für den Wiederaufbau warfen die Schmuggler so viel Geld in den Opferstock, dass die Kirche sehr bald wieder in alter Schönheit zur Messe laden konnte und fortan St. Mokka genannt wurde." (S. 229/230)

Die Generation Käfer stellt sich auf (7. Kapitel, S.251-302)
Wolfsburg, VW, VW NachkriegszeitNordhoff

Die Umerzieher
Drei Schriftsteller und Kulturoffiziere arbeiten für die Alliierten am deutschen Geist (8. Kapitel, S.303-336)

Hans Habe schuf rasch ein Zeitungsimperium und mit der Neuen Zeitung ein Blatt von Rang, das viele große Namen anzog und eine erstaunlich freie Diskussionskultur pflegte. Er schreib Bestseller um Bestseller und leistete sich gegenüber seinen Förderern von der amerikanischen Besatzungsmacht recht große Freiheiten. Einen guten Klang hat sein Name heute wohl aber deshalb nicht mehr, weil er Rudolf Augstein und Heinrich Böll als Verharmloser des RAF-Terrors "abkanzelte" (S.333). - Bemerkenswert, wie es Hildegard Knef gelang, Habe und Henri Nannen, der Habe übel angegriffen hatte, dazu zu bringen, sich in einem "kleinen Atlantikpakt" wieder zu vertragen. (S.331)
Alfred Döblin arbeitete in der französischen Zone, leistete gute Arbeit, wurde aber in der Öffentlichkeit nicht mehr akzeptiert. (Seinen letzten Roman musste er in der DDR anbieten, dort verlangte man von ihm, ihn umzuschreiben. Als man ihn dann in Westdeutschland druckte, nicht in der Originalfassung, sondern in der der DDR.)
Rudolf Herrnstadt wagte es 1948 im Neuen Deutschland etwas über die Barbarei der Roten Armee im Siegesrausch zu schreiben. Aber als idealistischer Kommunist stand er "so zweifelsfrei auf Seiten der Sowjets, dass er von Ulbricht sogar verdächtigt wurde, das Politbüro für die Russen ausgeforscht zu haben" (S.326). Dann setzte er sich für "die Forderungen der Bauarbeiter nach besseren Absprachen und gerechterer Entlohnung" (S.327) ein. Als die am 17. Juni 1953 den Aufstand probten, war sein Schicksal besiegelt. "Die SED war einen ihrer größten Idealisten los." (S.328)

Der Kalte Krieg der Kunst und das Design der Demokratie (9. Kapitel, S. 337-371)
Wie die abstrakte Kunst die soziale Marktwirtschaft ausgestattete
"[...] Bei der Documenta sah man Besucherinnen, deren Kleider so gemustert waren wie die Bilder, die sie betrachteten. Der Kunsthandel wollte jetzt genauer wissen, wer welche Kunst kauft, und beauftragte das junge Allensbach-Institut mit einer Umfrage. Das Ergebnis: Willi Baumeister und seine Kollegen von der tachistischene Avantgarde wurden von den Zukunftsorientierten gekauft, von Industrieunternehmen, Elektroingenieuren, Betriebsdirektoren und Managern. Bedenkentragende Bankdirektoren, Professoren und Anwälte hingegen, das klassische Bildungsbürgertum, kaufte die Moderne moderaten Typs, also Expressionismus und Impressionismus. [...] (S.353)

Kubiceks Wirken ist beispielhaft für die amerikanische Reeducation-Strategie. Eine überaus effektive Linie verläuft vom Genie des Jackson Pollock bis hin zu den Berliner Kindern, die sich in der Malschule des Amerika-Hauses mit großen Gesten buchstäblich frei malten. [...] Pollock [...] schien mit seinen eindrucksvollen, riesigen Tröpfelbildern geeignet, Amerikas beste Seiten zu verkörpern. (S. 358)
"Wenn das Kunst ist, bin ich ein Hottentotte", hatte Präsident Truman 1947 im MoMA gesagt und konnte sich dabei des stürmischen Beifalls der Mehrheit sicher sein. Seine Strategen des Kalten Krieges hinderte das nicht, in genau dieser Kunst das beste Mittel zu sehen, um Amerika wirksam in Szene zu setzen. (S.359)


Wie der Nierentisch das Denken veränderte
[...] 20 Jahre später erschien der fünfziger-Jahre-Chic vielen als verlogen und deplatziert. Und doch gehörte das schräge Mobiliar zur geistigen Gesundung der Deutschen unbedingt hinzu.(S.368)

Der Klang der Verdrängung (10. Kapitel, S.373-403)


Nachwort: Das Glück (S.405-409)

Dass sich trotz der verbreiteten Weigerung, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, und trotz der massiven Rückkehr der NS-Eliten auf ihre alten Positionen in beiden deutschen Staaten vom Nationalsozialismus geläuterte Gesellschaften durchsetzten, ist ein viel größeres Wunder als das so genannte Wirtschaftswunder. Fast so beunruhigend wie die Dimension, in der Deutschland zum globalen Albtraum werden konnte, ist die schlafwandlerische Sicherheit, mit der es danach seine Biederkeit wieder gewann. Das Wunder ist gerade deshalb eines, weil es so unspektakulär ausfiel. (S. 405)


Jaspers forderte auf:
"Wir wollen lernen, miteinander zu reden. Das heißt, wir wollten nicht nur unsere Meinung wiederholen, sondern hören, was der andere denkt. Wir wollen nicht nur behaupten, sondern im Zusammenhang nachdenken, auf Gründe hören, bereit bleiben, zu neuer Einsicht zu kommen. Wir wollen uns innerlich versuchsweise auf den Standpunkt des anderen stellen. Ja, wir wollen das uns Widersprechende geradezu aufsuchen. Das Ergreifen des Gemeinsamen im Widersprechenden ist wichtiger als die voreilige Fixierung von sich ausschließenden Standpunkten, mit denen man die Unterhaltung als aussichtslos beendet." 
(Karl Jaspers: Die Schuldfrage. Von der politischen Haftung Deutschland, 2012, Seite 8 – zitiert nach Harald Jähner: Wolfszeit 2019, S. 409)

Aus den Rezensionen (in der Wiedergabe durch Perlentaucher): 
Melanie Longerich im Deutschlandfunk: "Die Geschichte Deutschlands mit seinen Vertriebenen wiederum schildere Jähner als "Fremdheitserfahrung der Deutschen mit sich selbst" (so Jähners Formulierung), die das Land nach dem Krieg gegen den Nationalismus geimpft habe."
Thomas E. Schmidt in der ZEIT: "Welch große Rolle der Zufall in den ersten Jahren nach dem Krieg spielte, wie soziale Marktwirtschaft aus dem Geist des Schwarzmarktes erwuchs, wie Albernheit und Erotik Urständ feierten und schließlich in Kulturreaktion mündeten - all das kann Jähner zeigen. Laut Schmidt verpasst er dabei nur die Gelegenheit, den "Rückzug ins Verzagte" hinreichend zu erklären."