"Ja, gewiss sind Künstler desto größer als Menschen, je größer ihre Kunst ist, aber sie messen mit anderen Maßen… Ihre Welt ist eine von Ihnen erfundene Welt, aus der sie sich (erwachen sie zur Realität) schwer umpflanzen können.
Darum sind solche Menschen oft so roh und verständnislos im Verkehr mit Frauen.
Sie sind ja ihr Gegenüber nicht; vom Fühlen gar nicht zu sprechen.
Die Frau wird neben einem bedeutenden Künstler immer zu kurz kommen.
Er empfindet sich, wie auch sie, nur als Instrument, um seine Art von Herrschsucht durchzusetzen und auslebend zu gestalten, nämlich seine Kunst. Mit einem Wort: um besser arbeiten zu können.
Wenn ich an Gustav Mahler denke, an Klimt, an Pfitzner, so verschieden diese Menschen sind, so gleichen sie einander in dem Punkte des Leicht-Nehmens und Schwer-Gebens im Geistigen: ich meine dem Individuum gegenüber. Sogar im Materiellen zuweilen." (S.68)
"Seine Egozentrik war ohnegleichen. Ich habe nie einen Menschen gesehen, der so absolut nichts sah als sich selbst. Es war ein Teil seiner Stärke. Ich habe ihn immer gewähren lassen, weil ich seine Bedeutung früh erkannt hatte. Ich anerkenne bei Menschen von großer Bedeutung das Recht auf absolute Selbstsucht: Sie sollen und müssen wohl so sein. (S. 71)
Man hat an Alma M-W.s Autobiographie kritisiert und parodiert, dass sie bei Kontakten mit Männern, über die sie berichtet, immer wieder betont, wie sehr sie ihnen geholfen habe. Aber das ist verständlich, wenn sie ihre Lebensleistung darin gesehen hat, ihnen trotz all ihrer Egozentrik bei der Hervorbringung ihres Werks zu helfen. Das ist keine Groupie-Rolle und nicht das sich Sonnen in fremdem Ruhm, sondern der Stolz auf den früh erlernten Verzicht auf eigene Hervorbringungen, auf Selbstverwirklichung über die Stützung eines anderen Egos.
Katja Mann nannte sich verständlicherweise Frau Thomas Mann, weil sie stolz war, einem Großen Selbstverwirklichung ermöglicht zu haben und seine Egozentrik immer wieder zu ertragen. Alma M-W hat die Gelegenheit gehabt, das bei verschiedenen Künstlern zu wiederholen, und ist offenkundig auch wegen dieser ihrer Bereitschaft umworben worden.
Juli 1917 Semmering
Endlich bin ich befreit von den vielen Menschen. Es gewittert stark, und die Spannung der Atmosphäre tut mir weh.
Manchmal glaube ich, dass alles vorbei ist, wenn ich aber meine kleine Manon ansehe, so weiß ich, dass ich noch notwendig bin. Nicht Anna Mahler – die braucht mich nicht mehr. Sie ist weise.
Gestern lag sie im Bett bei mir. Sie sagte:
'Wie merkwürdig, du und ich wir sehen die Natur sehr verschieden. Du viel großzügiger - ich mehr im Detail. Wir empfinden auch Musik verschieden. Du merkst dir das Gehörte, ich mir das Gesehene. Ich kann deshalb Bach leichter auswendig spielen als Wagner. Bach, Reger – eine andere Kunst, als die, die du liebst. Du spielst Wagner und Schumann so gut…'
Darum ist mir blau lieber, und dir rot… Darum liebe ich Laotse, und du…'
Das ging so ins Ungemessene und sie ist dreizehn Jahre alt. (S. 83)
Aber ich liebe sie so – obwohl sie mir vielfach schon jetzt fremd ist und immer fremder werden wird. Und das märchenhafte Kind Manon: jeder Mensch, der sie sieht, liebt sie, aber niemand weiß, wie ich dieses Geschöpf liebe.
Möchte den ganzen Tag ihre Händchen und Füße küssen; denn sie auf den kleinen Mund zu küssen, wage ich kaum.
Dieser Sommer war etwas zu bevölkert auf dem Semmering. Diese einsamen Villen auf einem schönen Platz am Berg sind entweder das Ziel aller Ausflügler, oder ganz vereinsamen… Eine Mitte scheint es nicht zu geben. [...]
Mir geht's gar nicht gut… Habe Herzschwäche. Ohne Bedauern würde ich von dieser Welt Abschied nehmen, die mir so viel echtes, wahres Leben gegeben hat.
Aber was soll jetzt kommen? Eine stündliche Wiederholung alles dessen, was gewesen, wenn es hochkommt!
Soll ich eine Hausfrau werden, mit allen ihren Schikanen und Lächerlichkeiten? [...]
Ich schicke die Besucher weg und kränke mich dann, dass ich vereinsame. (S. 84)
Im Herbst 1917
Ende des Jahres 1917 kam eine kleine Ursache, deren große Wirkung mein Leben von Grund auf umgestalten sollte.
Mir war im Sommer des Jahres vorher 'Wir wollen nicht verweilen' in die Hände gefallen. Es war das erste Buch, dass mir von Theodor Däubler sehr gefiel, ja, ich war hingerissen davon. Ich schrieb an Jakob Hegner in Hellerau, er möge mir zehn Exemplare von diesem Buch und weitere zehn Exemplare von Claudels 'Goldhaupt' zusenden. Ich wollte in meiner Begeisterung diese Bücher an meine Freunde verteilen.
Und so saß ich eines Winterabends allein. Es war bitter kalt, und ich hatte außer außer alten Zeitschriften nicht zum Verheizen… als es läutete und Jakob Hegner zur Türe herein kam mit den Worten: 'Ich muss mir doch den Menschen ansehen anschauen, der solche Bücher heute zwanzigmal bestellt. [...]
Auf dem Nachhauseweg frug mich Hegner, ob er mir den Dichter Franz Blei bringen dürfe. Ich verneinte es. Ich kannte ein Buch von diesen Menschen, das mir überaus missfallen hatte. Aber er redete mir so zu, schwor, dass Blei nun ein ganz anderer, also ernster, geworden sei, bis ich rief: 'Nun denn in Gottes Namen! (S. 85)
… Und damit mein Schicksal mittelbar besiegelt hatte.
Blei kam nun in mein Haus.
Eine lange weiße Kerze, mit einem vergeudetem Licht. Alles war hell an ihm und doch so dunkel.
Im Sommer kam Blei auf den Semmering. Aber in die Natur passte er nun erst recht nicht, [...] Er fühlte den Boden unter sich weichen. Da kam ihm der Gedanke und die Frage: 'Franz Werfel wird aus dem Felde zurückkommen, darf ich Ihnen den bringen?'
Dies war ja nun etwas anderes!
Diese Woche war bedeutungsvoll.
Erst sah ich meinen armen verrückten Freund Paul Kammerer nach langem wieder… Er war in einem bösen Zustand. Und er hat sich später umgebracht. Es ging mir nicht allzu nah. (S.86)
"[...] Ich kam noch sehr erregt von dem Gespräch mit Helene Nostitz nach Hause und fand Franz Blei vor, der mir den Dichter Franz Werfel gebracht hatte.(S. 86)
Da ich seine Gedichte liebe, eines: 'Der Erkennende' vor zwei Jahren komponiert hatte, so fühlte er sich gleich sehr zu Hause. Blei ging bald… Ein Stärkerer sprach, das konnte er nicht sehr gut vertragen.
Werfel ist ein untersetzter Mann, mit sinnlichen Lippen und wunderschönen großen blauen Augen unter einer Goetheschen Stirn.
Er gewinnt, je mehr er sich gibt. Seine übertriebene Menschenliebe und die Phrasen wie:
'Wie kann ich glücklich sein, wenn ein Geschöpf auf Erden noch leidet…, die ich wörtlich schon einmal von einem Egozentriker par excellence, nämlich Gustav Mahler, gehört hatte, konnte ich mir erst dann erklären, als er mir in vorgerückter Stunde seine Sünde, seine Sucht, 'gut zu leben', gebeichtet hatte. Ich sagte damals, dass wir ja auch nicht immer an unseren eigenen Tod dächten. Werfel ist eminent musikalisch. Er liebt Gustav Mahlers Musik und wollte mich deshalb kennenlernen. Er hat eine wunderschöne Sprechstimme und eine faszinierende Rednergabe.
Ich danke meinem Gott auf den Knien, der mir vergönnt, mit solchen Geistern nah zu verkehren.
Das Menschenerlebnis ist so es ist etwas so grandios Herrliches, dass ich immer schwer von meinem Entzücken in die Wirklichkeit zurückfinden kann. [...]
November 1917
Friedensangebot von Russland. Vielleicht erregt sich die Welt endlich zum Guten!
Viele wunderbare Dinge geschehen… Eine Nacht war… eine holdselige Nacht… Werfel, Blei, Gropius.
Wie jubelten. Musik.
Meistersinger, Louise, usw. … Werfel sprach einige seiner Gedichte, 'Der Feind' und andere, und er sang und ich spielte – und wir wussten von keiner Welt mehr. (S. 87)
Und so verquickt waren wir sofort durch dies unser ureigenstes Element, dass wir alles rundher vergaßen und vor den Augen der ganzen Welt quasi musikalisch-geistigen Ehebruch trieben.
Franz Werfel ist ein wunderbares Wunder!
Um zwei Uhr früh wollten sie weggehen, es war ein solcher Schneesturm, dass man nicht gehen konnte, aber auch keinen Wagen gefunden hätte. So bat ich die beiden Herren, bei uns zu übernachten, was auch geschah.
Wir arrangierten in aller Eile zwei fellbedeckte Makartbetten für die beiden Dichter. Franz Werfel sagte: 'Es wird mir merkwürdig sein, dass Aufwachen in diesem Zimmer voller Bücher, Noten und Bilder… Und das Zimmer wird den Mund verziehen, wenn es aufwacht und mich sieht.'
Ich war mit den sonderbarsten Empfindungen mit meinem Mann in mein Schlafzimmer gegangen. Musikberauscht schlief ich, an der Seite eines mir merkwürdig fremd Gewordenen ein.
8. Dezember 1917
Mittags: Die Gräfin Draskowitsch, Khuen, Klimt, Blei und andere.
Warum Gustav Klimt, dieser arme, blühende, große Maler, der er ist, nur Emporkömmlinge malen darf… Und nie etwas gutrassig Schönes…? So fragte ich.
Dieser Mensch weiß gar nicht mehr, wie eine schön befesselte Hand aussieht.
Ich beschimpfte die Draskowitsch, dass sie sich vom Maler Quincy Adams hatte malen lassen, und ich sprach die Worte aus, die ich mir dachte: 'Benutze die Zeit, in der dieses Genie unter uns lebt.
Gustav Klimt war verlegen, aber nicht ohne einige Genugtuung zu empfinden.
Meine Worte waren leider ominöse… Gustav Klimt war damals schon in Lebensgefahr, und niemand ahnte es.
Später
Es ist Weihnachten. Walter Gropius war zum Fest gekommen. Jetzt gab es wieder schöne Tage. Nach Weihnachten kam
Willem Mengelberg nach Wien und dirigierte 'Das Lied von der Erde' in einer meisterhaften Aufführung. (S.88/89)
Am Tage der Aufführung, früh morgens, nahm Walter Gropius Abschied, um nach seinen in Wien verbrachten Urlaub ins Feld zurückzukehren. Er eilte die Stiegen hinunter, und ich mühte mein bestes Lächeln aufs Gesicht, um ihm über die Schwere des Abschieds hinwegzuhelfen… Ich legte mich wieder nieder, um mich für den Vormittag zu rüsten, an dem das Mahler-Konzert stattfinden sollte.
Plötzlich läutete es heftig, und Walter Gropius stürzte herein. Er hatte den Zug versäumt.
Jedes Zurückkommen ist ein Fehler.
Ich hatte, um Diskussionen zu vermeiden, meine Mutter und deren Mann eingeladen und dieses Mahl, dessen hoffnungslose Trauer in seiner Tiefe niemand von den Anwesenden, außer Walter Gropius und mir, ganz verstand, verlief sehr gedrückt. Zum Schluss schluchzte Walter Gropius auf, dass er gegen meine Vergangenheit niemals ankämpfen wolle und auch die Kraft dazu nicht habe.
Als der Abend kam und Gropius abreiste, hatte ich mich wieder so weit in meiner Gewalt, dass der Abschied erträglich wurde.
Von der Grenze depeschierte er mir: 'Zerbrich das Eis in deinen Zügen' – ein Zitat aus einem Gedicht von Franz Werfel. So stark hat auch er sich an Franz Werfels Dichtung verloren.
Nichts als Franz Werfel liegt mir im Sinn. Und das Musizieren mit ihm ist mir schon Lebensatem geworden.
Januar 1918 [...] 5. Januar
Ich war im Konzert… Tief verbunden durch Blicke mit Werfel. Er kam in der Pause; dann gingen wir zusammen nach Hause.
Unser beredtes Schweigen brachte uns an den Rand. Es konnte ja gar nicht anders kommen, als dass er meine Hand ergriff und sie küsste – und dass sich unsere Lippen fanden, und das er Worte stammelte ohne Sinn und Zusammenhang…
Wohin wird mich dieses Erlebnis führen!
Ich liebe mein Leben… [S.89/90]
Und ich kann nichts bereuen. Diese tiefe musikalische und seelische Verbundenheit mit Franz Werfel ist fast tödlich. Es musste kommen, dass ich ihn liebe, und die Musik beschirmt uns.
Die letzten Tage, mit ihrer Erfülltheit durch Gustav Mahlers die Musik und Mengelberg sangen Liebe… Liebe.
Ich bin toll. Und Werfel auch…
Wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre, würde ich alles hinhauen und mit ihm gehen.
So aber… muss ich ihm mit tiefer Trauer nachsehen, wenn er seinen Götterlieblingsweg dahingeht.
Franz Werfel wohnte damals im Hotel Bristol, und es war mir weder angenehm noch leicht, ihn dort zu besuchen. Aber er wollte es, und ich ging doch aus einem ganz bestimmten Grunde hin.
Er war einer wirklichen Konzentration durch den Krieg unfähig geworden. Nun lagen seit Wochen die Fahnen zum 'Gerichtstag' dort im Zimmer herum – zerrissen und schmutzig, und er war nicht dahin zu bringen, sie ernsthaft durchzukollationieren. So kam ich, und er musste arbeiten, ob er nun wollte oder nicht, Zeile für Zeile, mit mir an seiner Seite. Und ich brachte ihn so in die Arbeit zurück, die der Krieg in ihm zerstört hatte.
Es waren unvergessliche Stunden – mit kleinen Zärtlichkeiten vermengt und doch tief ernst.
"Jedes Zurückkommen ist ein Fehler." Es ist bemerkenswert, wie Alma es versteht, ihr durchaus authentisches Gefühl noch im Nachhinein als allgemeine Lebensweisheit zu formulieren. - Ihr Mann geht in den Krieg zurück, und sie verhilft ihrem Geliebten "aus einem ganz bestimmten Grunde" seine Arbeit am Gerichtstag wieder aufzunehmen. "mit kleinen Zärtlichkeiten vermengt und doch tief ernst." - Später wird sie Werfels Tobsuchtsanfälle anprangern und seine fehlende Dankbarkeit dafür, dass "dass ich helfe und helfe, seit fünfzehn Jahren treulichst helfe. Alles ist selbstverständlich… Die Hingabe meines ganzen Ichs ist obligat." (S.220) "Ich habe genug von der Sklaverei unter dem Mann." (S.183) Und dann wieder: "Karl Schönherr sagt, er brauche mich für seine Arbeit, und da bin ich schon gewonnen." (S. 220) Selbstverwirklichung in der Rolle als Helferin ohne Rücksicht auf den Ehemann. - Es ist verständlich, dass die Zeitgenossen, die sie erlebten, sie sehr kritisch sahen. [Katja man ist bei der Fürsorge für 'ihr Genie' und ihre Kinder geblieben; freilich durchaus mit Ungleichbehandlung der Kinder, wie Golo zu berichten wusste.] Aber dass sie ihre Empfindungen ehrlich wiedergibt, dürfte weiterhin stimmen. Mehr dazu in der Wikipedia.
6. Februar 1918
Gustav Klimt ist am 3. Februar 1918 gestorben.
Mit ihm geht ein großes Stück Jugend aus meinem Leben. Wie hatte ich ihn einst verstanden! Und ich habe nie aufgehört, ihn zu lieben – allerdings in sehr verwandelter Form. (S.90)
[...] Er war in unendlich feiner Colorist. Seine großen Bilder für die Universität wurden zurückgewiesen. Sie waren zu modern zu abwegig, mit einem Wort: zu bedeutend. Diese Riesenbilder sind das stärkste, was er gemalt hat. Seine Bildung war gering. [...] Oskar Kokoschka ist der weitaus Stärkere, und Klimt hatte großen Respekt vor dessen Talent. (S.90/91) [Will sagen, er wusste, weshalb sie Kokoschka ihm vorzog.]
Franz Werfel war der einzige Sohn einer wohlhabenden Prager Industriellenfamilie. Sein Vater war Besitzer einer Handschuhfabrik. Franz Werfel besuchte die Piaristenschule und das Stefansgymnasium in Prag und kam mit siebzehn Jahren die Transportfirma Nagel & Wortmann in Hamburg, wohin ihn seinen Vater sandte, damit er später bei der Übernahme der Handschuhfabrik sein Gewerbe verstehe. Bevor er Prag verließ musste er aber seinen Meisterstück vollenden, einen handgenähten Handschuh, der aber – wie er schmunzelnd sagte – fast nur vom Werkführer verfertigt wurde, wenn niemand zusah..
In Hamburg wurde war ihm das Ganze so zur Qual, dass er stundenlang sitzen konnte und die Uhr bewachen – ohne eine Hand zu rühren –, bis der Zeiger auf der Stelle stand, die ihm die Freiheit brachte. Seine Arbeit an den Konnossementen hing ihn zum Halse heraus, und eines Tages warf er alle Schiffspapiere in das WC und zog die Wasserspülung. Er belustigte es sich nun an seiner Fantasie, die im vorgaukelte, dass jetzt alle Schiffe mitten im Meer stehenbleiben müssten. Die Schiffe blieben natürlich nicht stehen, aber Franz Werfel flog im Bogen aus dem verhassten Handelshaus heraus, als die Firma die Katastrophe entdeckte. Er floh nach Leipzig, wo Kurt Wolf ihn sofort zum Lektor seines Verlages machte. Man kann sich denken, wie erfreut sein Vater war! Franz Werfel hatte eine schöne Sprech- und Singstimme. Er war der außergewöhnlichste Rezitator, Vortragskünstler und Geschichtenerzähler. Über was er auch sprach, sein triumphierendes Temperament zauberte Leben und Fülle in seinen Vortrag – unwiderstehlich hielt er seine Zuhörer gefangen. (S. 91)
Er besaß einen unerschöpflichen Vorrat von selbst erlebten Anekdoten oder er erfand sie einfach beim Erzählen, die seine Zuhörerschaft faszinierten und in seinen Bann zogen. Inzwischen war der Sommer 1918 war vielleicht einer der schicksalhaften Zeiten meines ganzen Lebens. Die letzten Juli- und die ersten Augusttage brachten mich nicht nur an den Rand des Grabes, sondern schmiedeten mich auch unlösbar und für immer an den Mann, der mein Liebhaber und Lebensgefährte werden sollte – bis der Tod uns viele Jahre später trennte. Darum möchte ich hier Franz Werfel selbst sprechen lassen. (91/92)
"[...] Nun
sagte ich Baron Dirzstay alles, was mich von Oskar Kokoschka trenne:
seine Frivolität, seine zügellose Fantasie, alles.
'Ja',
sagte Baron Dirzstay, 'alles ist wahr, leider, aber eines bezeuge ich
bei allem, was mir heilig ist: wenn Ihr Name genannt wird, wird er
ein anderer. Da kommt alles, was gut und edel an ihm ist, heraus. Sie
sind sein Ideal und alles andere verblasst daneben.'
Ich
freute mich nun doch, dass diese Jahre also nicht umsonst durchlitten
waren und dass mein großes Opfer an Nerven und Gesundheit wenigstens
eines zur Folge hatte: dass Oskar Kokoschka weiß, wo das Gute in der
Welt ist. (S. 129) [Alma ist auffallend 'bescheiden'.]
Kokoschka ließ sich nach seinen Angaben eine Alma-Puppe basteln (Webseite über die Puppe und Kokoschkas Bilder von ihr)
zu Walter Gropius:
"1910 lernte er Alma Mahler, die Frau des Komponisten Gustav Mahler, kennen und begann eine außereheliche Beziehung mit ihr. 1915 – vier Jahre nach Gustav Mahlers Tod – heirateten sie. Ihrer gemeinsamen Tochter Manon (1916–1935) wurde nach ihrem frühen Tod durch Alban Bergs Violinkonzert Dem Andenken eines Engels ein musikalisches, durch Franz Werfel ein literarisches Denkmal gesetzt. Die Ehe wurde 1920 geschieden." (Wikipedia)
"Ich
war ihm für immer verloren und ohne jede Schuld von seiner Seite.
Mit meinem Bewusstsein, dass er, Gropius, das Nobelste, Edelste in
meinem Leben war." (S. 132)
"Warum
war diese Ehe mit Walter Gropius nicht gegangen? Er ist ein schöner
Mensch, in jedem Sinne, ein hochbegabter Künstler meiner Art, meines
Blutes (wir hatten sogar entfernte gemeinsame Verwandte in Hamburg).
Er hatte mir doch so gefallen… Ich war verliebt in ihn… hatte ihn
sehr geliebt… Es war vielleicht die Herrin Musik, die nicht sein
Element war und die uns trennte! Allerdings auch seine Aufgabe
interessierte mich nicht genug, und ich hatte zu wenig Interesse für
seine architektonisch-menschlichen Ziele." (S.
132/133)
"Rainer
Maria Rilke sagt: 'Ruhm ist die Summe von Missverständnissen, die
sich um einen Namen sammeln.'
Es
ist bei Werfel so, bei Mahler, bei Puccini, bei Schönberg.
Diese
Sentenz stimmt immer." (S. 149)
1922 - Wien
"Im Sommer habe ich mir ein Haus in Venedig gekauft. [...] Die
Menschen gehen wie Schatten durch mein Dasein. Manche gehen wir
plötzlich verloren…" (S. 157)
zu Franz Werfel:
1918 brachte Alma, noch während ihrer Ehe mit Walter Gropius, Werfels mutmaßlichen Sohn Martin Carl Johannes zur Welt, der 1919 starb. Am 7. August 1929 heirateten Werfel und Alma Mahler, die 1920 von Gropius geschieden worden war. Friedrich Torberg beschrieb sie in Die Erben der Tante Jolesch als „Frau von gewaltigem Kunstverstand und Kunstinstinkt. Wenn sie von jemandes Talent überzeugt war, ließ sie für dessen Inhaber – mit einer oft an Brutalität grenzenden Energie – gar keinen anderen Weg mehr offen als den der Erfüllung.“[2] (Wikipedia)