Das Volk geriet in Angst; man beschloß, den Himmel um Regen anzuflehen. Tägliche Prozessionen am Nachmittag; indem sie mich an die heidnischen Gebräuche erinnerten, an jene Rubigalischen Feste, an den Regenstein des alten Rom, den man auf der Via Appia umhertrug, an das «votisque vocabitis imbrem», konnte ich sie nicht ohne Erstaunen betrachten. Es ist wahrhaft befremdend, sich unter einem Volke zu befinden, welches noch in unserer Zeit den naiven Glauben hegt, daß die unerschütterlichen Gesetze der Natur durch Gebet und Geschrei um Gnade können aufgehoben, verändert oder beschleunigt werden. Jeden Abend zogen die Frauen Genazzanos durch den Ort, paarweise, mit ihren roten Kopftüchern, welche schleierartig herabfallen und stets getragen werden, wenn das Weib die Kirche betreten will; vor ihnen die Geistlichkeit mit einem Heiligenbild. Erreichten sie murmelnd und singend den Hauptplatz, so riefen sie mit einer an Raserei grenzenden Inbrunst drei- und mehrmal: «Grazie, Grazie, Maria!», und dieser Schrei, von hundert und aber hundert hellen Stimmen zugleich ausgestoßen, hallte in den Lüften wider. «Et Cererem clamore vocant in tecta» (bei Virgil). Jeden Tag ein anderer Heiliger: aber einer war tauber oder trockener als der andere. Meine Wirtin - sie war bis zu einem gewissen Grade aufgeklärt und besaß obendrein kein mit Mais bepflanztes Ackerland - sagte eines Abends, da wir am Tisch saßen und plötzlich vor unserer Türe jenes rasende Geschrei «Grazie, Grazie, Madonna!» erschallte: «Warum quälen sie doch die Heiligen im Himmel? Sie werden das so lange tun, bis sie böse werden und gar nicht regnen lassen!»
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