Theodor Fontane war mehr als vier Jahrzehnte Journalist, bevor er Schriftsteller wurde. Ausgerechnet er nahm es mit der Wahrheit nicht so genau, sagt die Germanistin Petra McGillen. [...]
Für ein paar Jahre war er als Korrespondent in London.
Er war dort Presseattaché der preußischen Regierung. Mit seiner Berichterstattung sollte er ein Gegengewicht bilden zum sehr erfolgreichen österreichischen Korrespondenten Max Schlesinger, der in vielen deutschen Zeitungen gedruckt wurde und Preußen zu einflussreich geworden war. Aber es gelang Fontane nicht – Schlesinger war einfach zu gut.
War das der Grund, warum er begann, Dinge zu erfinden?
Fontane war immer klar, dass Journalisten im Wettbewerb stehen um die knappe Ressource Aufmerksamkeit. Tatsächlich hat er damals schon gelegentlich die Augenzeugenperspektive fingiert. Damit fiel er aber nicht völlig aus dem Rahmen. Die professionellen Standards im Journalismus bildeten sich seinerzeit gerade erst heraus. [...]
Können Sie ein Beispiel für seine unechte Berichterstattung nennen?
1861 hat er über ein verheerendes Feuer in der Londoner Tooley Street geschrieben. Nachdem es bereits seit Tagen wütete, hat Fontane die wichtigsten Passagen aus verschiedenen Zeitungen übernommen und aneinandergereiht, heute würde man sagen: copy and paste. Das Ganze hat er dann dramatisiert durch ausgedachte Details. Er erfand zum Beispiel einen Freund, der angeblich gute Beziehungen zur Londoner Polizei hatte und der es ihm ermöglicht hätte, näher als andere Journalisten an den Unglücksort zu kommen. Durch diesen Trick hat er seine Schilderungen gewissermaßen der Nachprüfbarkeit durch Kollegen entzogen.
Als Fontanefan nehme ich ihn natürlich in Schutz:1. "Die professionellen Standards im Journalismus bildeten sich seinerzeit gerade erst heraus."
2. Er war ein Lohnschreiber. Als er eine Chance sah, freiberuflich durchzukommen, nutzte er sie. Sehr zum Missfallen seiner Frau, die die finanzielle Unsicherheit der neuen Situation nur schwer ertrug und außerdem ständig damit beschäftigt war, seine Texte ins Reine zu schreiben. - Wenn sie sich etwas Gutes tun wollte, las sie Wilhelm Raabe.
Ich lese auch gern Raabe, aber ich finde nicht, dass die erfundenen Menschen anderer deutscher Autoren mehr zum Verständnis der Zeit und menschlichen Wesens beitragen als die Fontanes.
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