13 Mai 2018

Gesine Cresspahl und ihre Tochter Marie streiten über mögliche Lösungen durch Protest.

"Ab dem 23. April 1968 besetzen die Studierenden der Columbia-Universität erst die Baustelle ihres neuen Sportzentrums in Morningside Park, dann fünf Gebäude der Universität und das Büro des Präsidenten Grayson Kirk. Der hatte bereits im März Demonstrationen auf dem Campus verboten und behauptet, die Studierenden seien dem Nihilismus anheimgefallen. Die Proteste richten sich zum einen unter dem Schlagwort „Gym Crow Must Go“ – einer Anspielung auf die rassistischen, als „Jim Crow“ bekannten Segregationsgesetze – gegen den Bau eines exklusiven Sportzentrums im Morningside Park, das den mehrheitlich afroamerikanischen Bewohner*innen Harlems ein wichtiges Erholungsgebiet nehmen würde.  [...]
Gebaut werden solle das Sportzentrum am Riverside Drive, findet Marie, und zusätzlich ein Schwimmbad im Morningside Park durch die Stadt. Zu ihrem Erstaunen ist die Mutter einverstanden mit ihrer Sicht auf die Dinge. Beim Urteil über die Mitarbeit von Wissenschaftler*innen bei der IDA hingegen bewertet die Mutter alle Proteste als hoffnungslos verspätet. Marie muss zugeben, dass es sich um Angehörige der weißen Mittelschicht handelt, tatsächlich hatte der SDS keinen Kontakt zu den ca. 70 afroamerikanischen Studierenden an der Columbia. Die Tochter will sie davon überzeugen, mit ihr zur Universität zu laufen und die Studierenden zu unterstützen. Sie kann nicht verstehen, dass die Mutter sich für „Sozialismus in einem fremden Land“ mit kapitalistischen Mitteln einsetzt und nicht in der Gesellschaft, die ihr zur Heimat geworden ist. Für Marie ist Protestieren wie Handeln im Arendtschen Sinne Veränderung, ihre Mutter ist skeptischer, als Grund nennt sie ihre Erfahrungen:
„Vielleicht habe ich zu lange an der Politik gelernt und kann es nun nicht mehr anwenden.“
Gesine Cresspahl wäre eine Angehörige jener mittleren Generation der Jahrgänge 1909 bis 1934 gewesen, wie jene Deutschen aller Schichten, mit denen 1968 Interviews an der Universität Bonn geführt wurden, die Christina von Hodenberg in ihrer gerade als Buch erschienenen Studie „Das andere Achtundsechzig“ ausgewertet hat. " (FAZ 5.5.18)

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