Wenn man in einer Erzählung von einer Prinzessin hört, die in einen Prinzen verliebt ist, von dem sie weder seinen Namen noch den Namen seines Herkunftslandes kennt, so wird man annehmen, dass die Erzählung ein Märchen ist.
Wenn diese Prinzessin ihre Dienerin erschlägt, am Hals angekettet wird und sich nach Jahren durch eine kräftige Bewegung des Halses befreit, wird die Annahme zur Gewissheit.
Was hat man danach zu erwarten?
Dass ihr Geliebter, als er „von noch heftigerer Liebesleidenschaft“ zu ihr ergriffen wird, sie verlässt und einen Tag lang einem Stein nachläuft, bis er nicht mehr zurückfindet. Dass sie, als sie ihn nach Monaten wieder ausfindig macht, „um Lust und Freude noch zu erhöhen“, sich ihm gegenüber als Mann ausgibt und dass er bereit ist, mit diesem unbekannten Mann zu schlafen.
Wenn sie darauf gemeinsam ein Gedicht von 24 Zeilen sprechen, dann darf man getrost darauf warten, dass es weiter geht: „Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, dass“ er darauf den Plan entwickelt, eine andere Frau zu heiraten, und sie deren Dienerin werden will, sich in deren Sohn verliebt, ihm einen Liebesbrief überbringen lässt und ihr Mann darauf beschließt, diesen seinen Sohn zu töten. Als Märchenkenner erwartet man nun, dass dieser nicht getötet wird. Doch warum? Weil „plötzlich sein Pferd scheute und in die Wüste davon rannte. Jenes Pferd aber hatte tausend Goldstücke gekostet, und es trug einen prächtigen Sattel, der viel Geld wert war. Darum warf der Schatzmeister das Schwert aus der Hand und eilte seinem Rosse nach. --“
„Da bemerkte Scherezad, dass der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an.“ Und der Leser, der es bis dahin nicht bemerkt haben sollte, weiß jetzt, dass er in einer der Erzählungen aus Tausendundeine Nacht liest.
Ich aber gestehe, dass ich in dieser Erzählung mehrmals in meinen Leseerwartungen getäuscht wurde.
21 März 2008
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