Velázquez und Rudolf Virchow mit der Zwergin Maria Barbola unter der Flagge Krankheitsbild zu vereinen, ihnen dann Flaubert und Charcot hinzuzufügen, das gelingt Peter Bamm, alias Curt Emmrich, in seinen medizinischen Essays "Ex Ovo" bewundernswert gebildet und geistreich. Hat Velázquez doch schon das Krankheitsbild Myxödem am Beispiel der Barbola auf seinem Bild Las Meninas bis ins kleinste Symtom hin dargestellt, lange bevor irgend jemand wusste, dass es Hormone, geschweige denn Hormonstörungen gibt.
Da Velásquez "seine Entdeckung nicht benannte, konnte sie nicht einmal zur Aufforderung für die Forschung werden [...] die Idee war da. Der Name nicht. Habent nomina aliquid numinosi." So fasst Peter Bamm sentenzenhaft den Unterschied von Maler und Pathologen zusammen, immer wieder seine geliebte klassische Bildung hervorkehrend, statt zu schreiben: "Namen haben etwas wie göttliche Kraft."
Kurz darauf bringt Bamm Charcot und Voltaire in der Sentenz zusammen: "Erst nachdem man aufgehört hatte, Hexen zu verbrennen, konnte man anfangen, sie zu behandeln. Die Voraussetzung für die Arbeit Charcots war nicht das Mikroskop, sondern Voltaire."
Dass Bamm dabei nebenbei für "Hexen" das Krankheitsbild Hysterie diagnostiziert, macht das Irritierend-Faszinierende solcher Sätze aus.
Peter Bichsel: Die schöne Schwester Langeweile (2023)
vor 16 Stunden
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