An einem der nächsten Abende stand Gabriel vor der Thür, sah auf den Himmel und wartete, ob eine kleine schwarze Wolke, welche dort oben langsam dahinschiffte, das Bild des Mondes verdecken würde. Gerade als dies Ereigniß eintrat und die Straße und die beiden Häuser im Dunkel lagen, fuhr ein Wagen vor das Haus und die Stimme des Hausbesitzers frug hinter dem Leder hervor: »Alles in Ordnung?«
»Alles in Ordnung,« erwiederte Gabriel und knöpfte den Schurz auf. Herr Hummel stieg schwerfällig herab, hinter ihm klang ein unwilliges Knurren. »Was steckt da in der Finsterniß?« frug Gabriel neugierig und griff in den Wagen, aber er zog schnell die Hand zurück: »Das Grobzeug will beißen.«
»Ja, das hoffe ich,« versetzte Herr Hummel, »es soll beißen. Ich bringe Wachhunde mit gegen die Glockenspieler.« Er zerrte am Strick zwei undeutliche Gestalten heraus, welche auf dem Boden mit heiserem Gekläff umherfuhren, Gabriels Beine bösartig umkreisten und den Strick wie eine Schlinge um ihn zogen. »Die Menge muß es bringen,« rief Gabriel, »zwei Stück!« Der Mond hatte die Wolke überwunden und beleuchtete hell die beiden Hunde. »Das sind seltsame Thiere, Herr Hummel, es ist eine schwierige Race. Zwei Köter,« fuhr er abschätzend fort, »kaum von Mittelgröße, es ist dickes Format und ihr Haar ist zottig, über die Schnauze hängen die Borsten wie ein Schnurrbart. Die Mutter war eine Pudelin, der Vater ein Affenpintsch, auch ein Mops muß mit in der Verwandtschaft gewesen sein und der Urgroßvater war ein Dachshund. Ein schöner Bau, Herr Hummel, so etwas ist selten. Wie sind Sie zu diesen Mondkälbern gekommen?«
»Das war ein eigener Zufall. Im Dorfe hatte ich für heut keinen Hund erhalten; als ich durch den Wald zurückfuhr, scheuten die Pferde und wollten nicht vorwärts. Während der Kutscher mit ihnen hantirte, sah ich auf einmal neben dem Wagen einen großen schwarzen Mann stehen, wie aus dem Boden heraufgeschossen. Er hielt die zwei Hunde am Stricke und lachte höhnisch über die Schelte des Kutschers. ›Was soll's?‹ rief ich ihn an, ›wohin führt ihr die Hunde?‹ ›Dem, der sie haben will,‹ rief der Schwarze.«
»Hebt sie in den Wagen,« sagte ich.
»Ich reiche nichts,« brummte der Fremde, »ihr müßt sie euch holen.« Ich stieg ab und frug: »Was verlangt ihr dafür?«
»Nichts!« sagte der Mann. Die Sache wurde mir bedenklich, aber ich dachte, man kann's doch probiren, ich trug die Burschen in den Wagen, sie waren lammfromm. »Wie heißen die Hunde?« rief ich aus dem Wagen.
»Bräuhahn und Gose,« sagte der Mann und lachte wie ein Teufel.
»Das sind keine Hundenamen, Herr Hummel,« warf Gabriel kopfschüttelnd ein.
»Das sagte auch ich dem Manne, und er versetzte: ›Getauft sind sie nicht.‹ ›Aber der Strick ist euer,‹ sagte ich, und denken Sie, Gabriel, dieser schwarze Kerl antwortete mir: ›Behaltet ihn, ihr könnt euch dran hängen.‹ Ich wollte ihm die Hunde wieder aus dem Wagen werfen, da war der Mann im Walde verschwunden wie ein Irrwisch.«
»Das ist eine niederträchtige Geschichte,« rief Gabriel bekümmert, »diese Hunde sind in keinem christlichen Hause gewachsen. Und wollen Sie wirklich solche Gespenster behalten?«
»Ich will's probiren,« sagte Herr Hummel. »Zuletzt ist ein Hund ein Hund.«
»Nehmen Sie sich in Acht, Herr Hummel, in den Thieren steckt etwas.«
»Dummes Zeug!«
»Sie sind scheusälig,« fuhr Gabriel fort und zählte an den Fingern: »sie haben keine menschlichen Hundenamen, sie sind angeboten ohne Geld, kein Mensch weiß, was diese Bestien fressen.«
»Auf den Appetit werden Sie nicht lange zu warten haben,« versetzte der Hausherr. Gabriel zog ein Stück Semmel aus der Tasche, die Hunde schnappten darnach. »In dieser Weise sind sie zuverlässig,« sagte er ein wenig beruhigt. »Aber wie soll man sie in Ihrem Hause rufen?«
»Der Bräuhahn mag bleiben, was er ist,« versetzte Herr Hummel, »aber in meiner Familie soll kein Hund Gose heißen. Ich leide dieses Getränk nicht.« Er sah feindselig auf das Nachbarhaus hinüber. »Andere Leute lassen sich das Zeug täglich über die Straße holen, das ist für mich kein Grund, ein solches Wort in meinem Haushalt zu dulden. Der Schwarze heißt von jetzt ab Bräuhahn und der Rothe Speihahn. Damit abgemacht.«
»Aber, Herr Hummel, das sind lauter injuriöse Namen,« rief Gabriel, »damit wird das Uebel ärger.«
»Das ist meine Sorge,« sagte Herr Hummel entschlossen. »Bei Nacht bleiben sie im Hofe, sie sollen das Haus bewachen.«
»Wenn sie nur leibhaftig aushalten,« wandte Gabriel ein, »die Art kommt und verschwindet wie sie will und nicht wie wir wollen.«
»Sie werden doch nicht des Teufels sein,« lachte Herr Hummel.
»Wer spricht vom Teufel?« versetzte Gabriel schnell. »Einen Teufel gibt es nicht, das leidet der Professor nimmer, aber von Hunden hat man Beispiele.«
(Gustav Freytag: Die verlorene Handschrift, 1. Teil, S.129-132)
Monika Maron: Flugasche (1977) – gelesen
vor 2 Stunden
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen