"Da beugte er sich über das hingestreckte, reizende, kleine Frühlingsgebirge voll Blütenschnee und Alpenglühen, suchte sich unter den feuchten Augen zuerst ein zartes Plätzchen und dann auf den Lippen ein doch zarteres, aber diesmal zu sehr langem Aufenthalt. Und so ruhte auf ihrem Erbeben seine Torheit mit einem langen Stilleliegen des Mundes solange, bewegungslos angespannt, bis es ihm selber unzuträglich erschien, weil er zu zittern anfing. Zuerst ließ er die Knospe des Kusses auf dieser jungen, heißfeuchten Blüte platzieren und auch ihre Lippen sprangen mit einem kaum hörbaren, reifen Entgegenzucken auf.
Dabei wurde Lentschi dunkelrot. Sie rührte sich nicht. Es gab keine Zeit mehr für sie. Sie ahnte bloß noch droben den Himmel und die hellen kleinen Wolken und war offen, weit und ewig wie sie." (R.H. Bartsch: Die Salige, Leipzig 1924, S.122)
"Ewig wie die Wolken". Wie weit entfernt ist das von:
"Und über uns im schönen Sommerhimmel
War eine Wolke, die ich lange sah
Sie war sehr weiß und ungeheuer oben
Und als ich aufsah, war sie nimmer da.
[...]
Doch jene Wolke blühte nur Minuten
Und als ich aufsah, schwand sie schon im Wind."
(Brecht, 1920 geschrieben, 1927 veröffentlicht)
"Das Mädchen stand eine große Weile still, wie sie damals als junges Reh vor den Grillen gestanden hatte. Den einen ihrer kleinen Füße zaghaft hinzutretend vorgesetzt, den Hals ganz gestreckt.
Hille wollte sie endlich fragen. Da brach sie in ein bitterliches Weinen aus und fiel ihm um den Hals. Er war so bestürzt, daß er eine ganze Weile nicht merkte, daß Resa nur vor überstürztem Glück und vor beseligter Fassungslosigkeit so drauflos weinte.
Jetzt ahnte er, daß viel Hausfraulichkeit bei dem Geheimnis dieser Kleinemädchenseele war. Resa wurde in wenigen Tagen eine andere.
Ihre kleine Wohnung, die freilich vor Mama verhohlen werden mußte, hatte sie ja nun [...]" (S.243/44)
"Staunend sah Hill, wie er dieses Seelchen befreit hatte." (S.245)
"Das immer neugeborene, unwürdige Kind herher und hoher Eltern, das ewig da ist und verächtlich lachend frißt, was anedlestem Menschentum erspart wurde.
Vor ihm hatte Hill Angst.
Es war das Kind, wie er es oft gesehen, wie er es fürchtete. Vielleicht auch fürchtete aus einer namenlosen Eifersucht. Das herrliche Mädchen ewig als Mädchen und allein besitzen wollte er." (S.354)
"Warum hat die Natur dem Genie unverbrüchlich das Aussterben im Mannesstamme gesetzt? Weil ein mit verzehrender geistiger Leidenachft geführtes Leben höchstes, aber auch allerletztes Mannestum bedeutet." (S.355)
"Und scherzend fügte er hinzu: "Einzig schön, wie die einzige Blüte der hundertjährigen Aloe. Es ist deine Pflicht, in und an solcher Schönheit zu sterben." " (R.H. Bartsch: Die Salige, S.359)
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