Schlechte Relation aus der Bittschrift der Oberjägermeisterei
»Da das Wild nicht lesen und schreiben könnte: so sei es die Pflicht der Jägermeisterei, die es könnte, für dasselbe zu schreiben und nach Gewissen einzuberichten, daß alles flachsenfingische Wild unter dem Drucke des Bauers schmachte, sowohl Rot- als Schwarzwildpret.
Einem Oberförster blute das Herz, wenn er nachts draußen stehe und sehe, wie das Landvolk aus unglaublicher Mißgunst gegen das Hirschvieh die ganze Nacht in der größten Kälte neben den Feldern Lärm und Feuer machte, pfiffe, sänge, schösse, damit das arme Wild nichts fräße. Solchen harten Herzen sei es nicht gegeben, zu bedenken, daß, wenn man um ihre Kartoffeltische (wie sie um ihre Kartoffelfelder) eben solche Schützen und Pfeifer lagerte, die ihnen jede Kartoffel vom Munde wegschössen, daß sie dann mager werden müßten. Daher sei eben das Wild so hager, weil es sich erst langsam daran gewöhne, wie Regimentpferde den Hafer von einer gerührten Trommel zu fressen. Die Hirsche müßten oft meilenweit gehen – wie einer, der in Paris sein Frühstück aus Aubergen zusammenhole –, um in ein Krautfeld, das keine solche Küstenbewahrer und Widerparte des Wilds umstellen, endlich einzulaufen und sich da recht satt zu fressen.
Die Hundjungen sagten daher mit Recht, sie zerträten in einer Parforcejagd mehr Getreide, als das Wild die ganze Woche abzufressen bekomme. –
Dieses und nichts anders seien die Gründe, welche die Oberjägermeisterei bewogen hätten, bei Sr. Durchlaucht mit der untertänigen Bitte einzukommen, Daß Ew. den Landleuten auflegen möchten, nachts in ihren warmen Betten zu bleiben, wie tausend gute Christen tun und das Wild selber am Tage. Dadurch würde – getrauete sich die Obristjägermeisterei zu versprechen – den Landleuten und Hirschen zugleich unter die Arme gegriffen – letzte könnten alsdann ruhig, wie Tagvieh, die Felder abweiden und würden doch dem Landmann die Nachlese, indem sie mit der Vorlese zufrieden wären, lassen. – Das Landvolk wäre von den Krankheiten, die aus den Nachtwachen kämen, von Erkältungen und Ermüdungen glücklicherweise befreiet. Der größte Vorteil aber wäre der, daß, da bisher Bauern über die Jagdfronen murrten (und nicht ganz mit Unrecht), weil sie darüber die Zeit der Ernte versäumten, daß alsdann die Hirsche an ihrer Statt die Ernte in der Nacht übernähmen, wie sich in der Schweiz die Jünglinge für die Mädchen, die sie liebten, nachts dem Getreide-Schneiden unterzögen, damit diese, wenn sie am Morgen zur Arbeit kommen, keine finden – und so würden die Jagdfronen in den Ernten niemand mehr stören als höchstens das – Wild etc.«
Jean Paul: Hesperus, 2. Heftlein, 18. Hundsposttag
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