Der Name eines Gastes, der eine Zeit lang den Griechen so viel von sich zu reden gegeben hatte, zog unter andern Neugierigen auch den Philosophen Aristippus herbei, der sowohl wegen der Annehmlichkeiten seines Umgangs, als wegen der Gnade, worin er bei dem Tyrannen stund, in den besten Häusern zu Syracus sehr willkommen war. Dieser Philosoph hatte sich, bei jener großen Migration der schönen Geister aus Griechenland nach Syracus, auch dahin begeben, mehr um einen beobachtenden Zuschauer abzugeben, als in der Absicht, durch parasitische Künste die Eitelkeit des Dionys seinen Bedürfnissen zinsbar zu machen. Agathon und Aristippus hatten einander zu Athen gekannt; [...] Aristipp suchte im Agathon den Enthusiasten, welcher nicht mehr war; und Agathon glaubte im Aristipp den Sybariten nicht mehr zu finden; vielleicht allein, weil seine Art, Personen und Sachen ins Auge zu fassen, seit einiger Zeit eine merkliche Veränderung erlitten hatte. Ein Umgang von etlichen Stunden lösete beiden das Rätsel ihres anfänglichen Irrtums auf, zerstreute den Rest des alten Vorurteils, und flößte ihnen Dispositionen ein, bessere Freunde zu werden. Unvermerkt erinnerten sie sich nicht mehr, daß sie einander ehmals weniger gefallen hatten; und ihr Herz liebte den kleinen Selbstbetrug, dasjenige was sie itzt für einander empfanden, für die bloße Erneuerung einer alten Freundschaft zu halten.
Peter Bichsel: Die schöne Schwester Langeweile (2023)
vor 21 Stunden
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