Textausschnitte:
"Lieber Freund und Lehrer! Mit Freuden ergreife ich die Feder, um dir zu schreiben, daß wir noch bei guter Gesundheit sind, was wir auch von dir hoffen. Nun soll ich dir erzählen aus der Zeit, da ich in dies Land kam und wie ich als Farmer gearbeitet habe und von Haus und Hof, von Acker und Vieh, von guten Freunden, getreuen Nachbarn und all solchen Dingen, die in der vierten Bitte vorkommen. Es ist nicht leicht. Ich kann noch einen Sack Korn schmeißen von 200 Pfund, aber Buchstaben malen ist schwer für meine Pranken. Ich kann mit dem Pflug noch eine Furche ziehen, da kannst du mit dem Lineal nachmessen. Aber mit der Feder eine gerade Reihe langgehen, das ist nicht leicht für einen alten Mann. Denn siehe, ich fange an, Großvater zu werden.
Aber wissen tu ich das alles noch von Anfang an, und dichten kann ich das auch. Wenn auch viel Gras gewachsen ist über die alten Geschichten und viel Gras gemäht ist seit der Zeit und wenn da auch viel Wasser rübergelaufen ist – sie gehören doch zu den Dingen, die auch viele Wasser nicht können auslöschen. Du hast uns in der Schule davon erzählt. Darum hab ich es mir aufmerksam in meinen Kopf genommen. Aber vom Kopf bis in die Feder, das ist ein weiter Weg zu gehen. Denn die Feder hat man ein Bein, und das ist bannig dünn und bricht immer bald ab. Dann gibt es einen Klecks. Die Federn taugen nichts. Aber versuchen will ich es, wo ich nun doch Zeit habe und mein Zweiter schon die Arbeit machen kann. [...]
Lieber Freund, ich kann dir mitteilen, daß ich das gern aufschreibe, und freue mich dabei. Das hat der Mensch gern, wenn er sich freuen kann. Wenn man alt wird, muß man wahrschauen, daß einem die Freude nicht an der Pforte vorbeiläuft. Da muß man die Tür fix aufklinken und sie mit freundlichen Wörtern einladen: Bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneiget. Wenn man jung ist, hat man das nicht nötig. Da kommt sie einem von selbst über den Zaun gesprungen.""Lieber Herr Lehrer, ich muß dir mitteilen, da ist etwas, was ich nicht verstanden habe. Auf der Fahrt von England nach Amerika ist die Sonne sieben Wochen und zwei Tage lang morgens richtig aufgegangen und abends richtig unter. Das hat alles seinen Schick wie bei uns zu Hause. Aber als wir hier ankamen, da wurden die Uhren ungefähr sechs Stunden nachgestellt. Lieber Freund, du mußt mir das mal ganz richtig erklären, warum das sein mußte. Ich weiß nicht, wo die sechs Stunden geblieben sind."
"Da stand ich auch still und sah zurück und sprach zu mir: Jürnjakob Swehn, du bist den Weg schon mehr als fünfzigmal gegangen. Aber heute ist es anders als sonst. Wo dir das wohl gehen wird im fremden Lande. Da sind vor dir schon viele in ein fremdes Land gewandert, und ihre Spuren hat der Sand verweht. Und Jakob auch, als er nach Haran zog, wie du uns in der Schule gelehrt hast. Mich soll man bloß wundern, ob ich auch zwei Kuhherden vor dem Stock habe, wenn ich zurückkomme. Wenn's auch man bloß eine ist wie Karl Busacker seine zwölf Stück. Aber Jakob brauchte auch nicht über das große Wasser. – Als ich das gedacht hatte, sagte ich zu meinem Sack: Nun komm man wieder her! So ging ich weiter. Das war 1868. Ich war neunzehn Jahre alt, und am 20. Juli sollte ich von Hamburg gehen.
Mit meinem Sack auf dem Rücken ging ich in Hamburg ins Auswanderungshaus, weil die auch was verdienen wollten, und einen Krug voll Rum mußte ich auch vom Wirt kaufen. Er sagte, sonst tät ich auf der See sterben, und sterben wollte ich nicht, denn ich war neunzehn Jahre und wollte nach Amerika. – Die andern waren auch schon da, meist mit Frachtwagen. Die lagen voll von Kisten und Säcken, und obenauf die Menschen: über dreißig Familien und viele Einschichtige. Die meisten waren aus unserer Gegend."
"Lieber Herr Lehrer, ich muß dir mitteilen, da ist etwas, was ich nicht verstanden habe. Auf der Fahrt von England nach Amerika ist die Sonne sieben Wochen und zwei Tage lang morgens richtig aufgegangen und abends richtig unter. Das hat alles seinen Schick wie bei uns zu Hause. Aber als wir hier ankamen, da wurden die Uhren ungefähr sechs Stunden nachgestellt. Lieber Freund, du mußt mir das mal ganz richtig erklären, warum das sein mußte. Ich weiß nicht, wo die sechs Stunden geblieben sind."
(Gillhoff: Jürnjakob Swehn, Die Überfahrt)
"Lieber Herr Lehrer, ich muß dir mitteilen, da ist etwas, was ich nicht verstanden habe. Auf der Fahrt von England nach Amerika ist die Sonne sieben Wochen und zwei Tage lang morgens richtig aufgegangen und abends richtig unter. Das hat alles seinen Schick wie bei uns zu Hause. Aber als wir hier ankamen, da wurden die Uhren ungefähr sechs Stunden nachgestellt. Lieber Freund, du mußt mir das mal ganz richtig erklären, warum das sein mußte. Ich weiß nicht, wo die sechs Stunden geblieben sind."
(Gillhoff: Jürnjakob Swehn, Die Überfahrt)
"[...] So zog ich weiter und kam an einen Berg. Der war ähnlich getrachtet wie der Püttberg in unserm Dorf. Oben auch mit einem Wasserloch. Bloß daß er höher war. Oben auf dem Berge stand ich still. Da besah ich mich inwendig und auswendig, von unten bis oben. Und siehe, da stand ich vor mir und hatte nichts als einen Rock, einen Stock und meinen Gott. Mir gehörte nichts als die Knochen in meinem Fell und der Sack auf meinen Schultern. Da machte ich einen Strich unter das erste Mond. Da dachte ich nach über mich. Als ich das getan hatte, sprach ich zu mir:
Jürnjakob Swehn, du bist dumm gewesen, darum hat es dich begriesmult (angeführt). Zwölf Dollars hat er dir versprochen, sieben gegeben. Nach der Stadt gefahren hat er dich auch nicht. Das Geld hast du dir auch stehlen lassen. Du schiltst auf die Menschen, daß sie so schlecht sind, aber warum läßt du dich bestehlen? Jürnjakob, du bist dumm gewesen. Du mußt mehr Vorsicht lernen. Du mußt Achtung geben in diesem Lande. [...] Du mußt umlernen in diesem Lande, Jürnjakob. Du mußt all deinen Grips brauchen, sonst wird mein Lebtag nichts aus dir. Sonst bist du übers Jahr wieder in deinem Dorf, aber als der Peter in der Fremde, und die Kinder zeigen mit dem Finger auf dich: Kiek mal, dat is Jürnjakob Swehn. Jürnjakob wer tau dumm för Amerika. Dorüm hebben sei em wedder trüggeschickt. [...]
So ein Berg ist manchmal eine ganz gute Einrichtung im Leben, wenn's man auch ein kleiner ist. Man kann sich da oben besser besinnen. Es haben schon viele Menschen auf Bergen gestanden. Ich kenne einen, der stieg auch gern auf einen Berg, wenn er allein sein und sich mit Gott bereden wollte. Den haben wir bei dir in der Schule kennengelernt. Man kann sich da oben auch besser mit sich selbst bereden. Seinen Sack oder was man sonst mit sich rumträgt, kann man da auch leichter ablegen. Man kann da auch besser um sich sehen. Ich sah zurück auf meinen ersten Mond im neuen Lande. Aber ich sah auch vorwärts und lernte, wie ich mein Leben machen mußte, um voran zu kommen. [...]
Dort habe ich mich auf ein Jahr vermietet für 210 Dollars. Da geriet es mir gut. Schröders Tochter Wieschen diente ja auch auf der Farm. So blieb ich da und ging noch für ein Jahr auf die Nachbarfarm. Als das Jahr um war und noch ein halbes dazu, da zählte ich mein Geld. Es waren rund 350 Dollars. Ich ging zu Wieschen. Es war Sonntag nachmittag. Sie saß mit dem Knüttstrumpf vor der Tür. Ich setzte mich auch auf die Bank. Wir sprachen vom Wetter und von der Wirtschaft. Als das besorgt war, fragte ich: Wieschen, wieviel Geld hast du zusammen? Sie holte ihren Beutel. Sie hatte gut 200 Dollars. Ich legte meine 350 daneben und sagte: Ich weiß da eine kleine Farm in der Nähe von Springfield. Es sind nur zwei Kühe und zwölf Schweine da; aber für den Anfang ist das genug. Ich will sie rennen, das meint: pachten, wenn du mit mir gehen willst. Sie folgte ihre Hände und kuckte einen Augenblick vor sich hin. Dann strich sie über die Schürze. Als sie das getan hatte, sagte sie Ja und gab mir die Hand. Siehe, so sind wir Brautleute geworden, und von dem Tage an war ich glücklich. [...]
(Gillhoff: Jürnjakob Swehn, Ein langer Monat)
"Nein, ich bin hier zu Hause. Hier ist ja auch meist alles plattdeutsch und aus Mecklenburg. Und dann bin ich in jungen Jahren rübergekommen. Ich habe hier geheiratet. Ich habe hier eine gute Familie gereest. Ich habe hier gebaut. Ich habe hier gesät und geerntet. Ich habe hier viel Schweiß auf dem Acker liegen, und der Schweiß tut hier sein Ding gerade so gut als drüben. – Ne, dat deiht hei nich. Bi mi hett hei en ganz Deil mihr dahn, als hei tau Hus dahn hadd. Im Dorf wär ich bei aller Arbeit doch man Tagelöhner geblieben und, wenn's hoch kam, Häusler, und meine Kinder wären wieder Tagelöhner geworden. Wir haben hier auch scharf ranmüssen, viel schärfer als in old Country. Das muß wahr sein. Aber dafür hab ich auch mehr vor mich gebracht."
(Gillhoff: Jürnjakob Swehn, Auf eigener Farm)
"Wenn wir unsern langen Kirchgang hinter uns haben, dann wollen wir auch nicht, daß der Pastor nach zwanzig Minuten beim Amen ankommt. Wenn wir sitzen, dann sitzen wir fest. In der Kirche auch. So predigt er meist eine klockenigte (geschlagene) Stunde."
"Weil er uns Gottes Wort verkündigt, darum achten wir ihn, und weil er so viel Mühe hat von unsern dicken Köpfen, darum achten wir ihn auch. Er läuft auch nicht die ganze Woche rum im Chorrock, und den Kanzelton läßt er in der Woche auch zu Hause. Das gefällt uns erst recht an ihm. So tun wir auch was für ihn. Er hatte nur 400 Dollars einzukommen. Aber wir haben ihm aufgelegt, und seine Frau bekommt noch viel Schinken und Wurst in die Küche hinein. Wenn der Pastor und der Lehrer es verstehen, die Gemeinde heranzuziehen, dann läßt sie sich nicht lumpen und gibt gerne.
"Weil er uns Gottes Wort verkündigt, darum achten wir ihn, und weil er so viel Mühe hat von unsern dicken Köpfen, darum achten wir ihn auch. Er läuft auch nicht die ganze Woche rum im Chorrock, und den Kanzelton läßt er in der Woche auch zu Hause. Das gefällt uns erst recht an ihm. So tun wir auch was für ihn. Er hatte nur 400 Dollars einzukommen. Aber wir haben ihm aufgelegt, und seine Frau bekommt noch viel Schinken und Wurst in die Küche hinein. Wenn der Pastor und der Lehrer es verstehen, die Gemeinde heranzuziehen, dann läßt sie sich nicht lumpen und gibt gerne.
Er war niemals fort und hatte keine Ferien. Aber in seinen Augen hatte er zuletzt schon den richtigen amerikanischen Geierblick. Den kriegen hier viele Menschen, die mit dem Kopf arbeiten müssen und nicht ausspannen können. Auch waren seine Backen uns zu hohl. Ein Pastor soll das Vaterunser beten, aber man soll ihm nicht das Vaterunser durch die Backen ablesen können. So haben wir heimlich für ihn gesammelt, daß er zur Verlöschung mal nach Deutschland reiste. Als das Geld zusammen war, sagten wir: Soll der Mann allein reisen und die Frau hierbleiben? Das hat keinen Schick. Sie muß mit. – So sammelten wir noch einmal. Es waren im ganzen 800 Dollars. Wir sprachen: Nun reisen Sie man in Gottes Namen los, und vor einem halben Jahr brauchen Sie nicht wiederzukommen. Sehen Sie man zu, daß Sie ein paar Pfund Fleisch mehr mitbringen an Ihrem Leib und rote Backen auch; sonst halten Sie das hier bei uns nicht aus. Wir werden in der Zeit nicht verwildern. Und wenn es doch geschehen sollte, dann donnern Sie uns nachher wieder zurecht. Da reisten sie beide hin. Als sie fort waren, da rissen wir sein Haus gleich nieder und bauten ein neues, denn das andre war alt und ein windschiefer Kasten. Unten an der Lehne vom Kirchenhügel haben wir es gebaut und einen großen Garten dazugelegt. Als alles fertig war, da war der Sommer hin. Als alles trocken war, da kam er zurück und wußte von nichts. Seine letzten Karten hatte er bei deinem Sohn in Bremen geschrieben. Unsre Frauen und Töchter sprachen: Das neue Priesterhaus sieht zu kahl aus. Wir wollen da schöne Girlanden und bunte Inschriften anbringen; das ist lustig anzusehen. Denn siehe, lieber Freund, das ist eine ganz andre Nation, die, wo sich gern mit Blümeleins abgibt. Ich sprach: Girlanden könnt ihr machen, aber macht sie man lieber aus lauter Wurst, und zu den Inschriften nehmt man Speckseiten. Das ist lustig anzusehen und gut davon zu essen. – So geschah es auch, und die neue Speisekammer machte einen sehr nahrhaften Eindruck. Bloß an der Haustür hatten sie doch Blumen angebracht. Na, denn man tau!"
(Gillhoff: Jürnjakob Swehn, Von Kirchen und Pastoren)
(Gillhoff: Jürnjakob Swehn, Von Kirchen und Pastoren)
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