Ich habe das Register der Krankheiten durchgegangen und habe die Sorgen und die traurigen Vorstellungen nicht darunter gefunden, das ist doch falsch.
Ich sagte bei mir selbst: das kann ich unmöglich glauben, und während dem Sagen merkte ich, daß ich's schon zum zweiten Male geglaubt hatte.
Wer sagt, er hasse alle Arten von Schmeicheleien, und es im Ernst sagt, der hat gewiß noch nicht alle Arten kennen gelernt, teils der Materie, teils der Form nach. Leute von Verstand hassen allerdings die gewöhnliche Schmeichelei, weil sie sich notwendig durch die Leichtgläubigkeit erniedrigt finden müssen, die ihnen der schmeichelnde Tropf zutraut. Sie hassen also die gewöhnliche Schmeichelei bloß deswegen, weil sie für sie keine ist. Ich glaube nach meiner Erfahrung schlechterdings an keinen großen Unterschied unter den Menschen. Es ist alles bloß Übersetzung. Ein jeder hat seine eigene Münze, mit der er bezahlt sein will.
Die Kunst, sich zu verbergen, oder der Widerwille, sich geistig oder moralisch nackend sehen zu lassen, geht bis zum Erstaunen weit.
Wie es denn wirklich an dem ist, daß Philosophie, wenn sie für den Menschen etwas mehr sein soll, als eine Sammlung von Materien zum Disputieren, nur indirekte gelehrt werden kann.
Es gibt wohl keinen Menschen in der Welt, der nicht, wenn er um tausend Taler willen zum Spitzbuben wird, lieber um das halbe Geld ein ehrlicher Mann geblieben wäre. [...]
Man kann nicht leicht über zu vielerlei denken, aber man kann über zu vielerlei lesen. Über je mehr Gegenstände ich denke, d. h. sie mit meinen Erfahrungen und meinem Gedankensystem in Verbindung zu bringen suche, desto mehr Kraft gewinne ich. Mit dem Lesen ist es umgekehrt: ich breite mich aus, ohne mich zu stärken. Merke ich bei meinem Denken Lücken, die ich nicht ausfüllen, und Schwierigkeiten, die ich nicht überwinden kann, so muß ich nachschlagen und lesen. Entweder dieses ist das Mittel, ein brauchbarer Mann zu werden, oder es gibt gar keines.
Was eigentlich den Schriftsteller für den Menschen ausmacht, ist, beständig zu sagen, was der größte Teil der Menschen denkt oder fühlt, ohne es zu wissen. Der mittelmäßige Schriftsteller sagt nur, was jeder würde gesagt haben. Hierin besteht ein großer Vorteil zumal der dramatischen und Romanendichter.
Die Dichter sind vielleicht eben nie die weisesten unter den Menschen gewesen; allein es ist mehr als wahrscheinlich, daß sie uns das beste ihres Umgangs und ihrer Gesellschaft liefern. Da Horaz uns so viel Vortreffliches hinterlassen hat, so denke ich immer, wie viel Vortreffliches mag nicht in den Gesellschaften gesprochen worden sein; denn schwerlich haben die Wahrheiten den Dichtern mehr als das Kleid zu danken.
Zur Aufweckung des in jedem Menschen schlafenden Systems ist das Schreiben vortrefflich; und jeder, der je geschrieben hat, wird gefunden haben, daß Schreiben immer etwas erweckt, was man vorher nicht deutlich erkannte, ob es gleich in uns lag.
Ein alter Weiser hat schon gesagt, aus jedem Manne läßt sich ein Kastrat machen, aber aus keinem Kastraten ein Mann.
Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
Wenn die Menschen plötzlich tugendhaft würden, so müßten viele Tausende verhungern.
Wenn Heiraten Frieden stiften können, so sollte man den Großen die Vielweiberei erlauben.
Es kann nicht alles ganz richtig sein in der Welt, weil die Menschen noch mit Betrügereien regiert werden müssen.
Aber was für eiteles, elendes Stückwerk ist nicht gleich unsere Wetterweisheit? Und nun gar unsere prophetische Kunst! Trotz den Bänden meteorologischer Beobachtungen ganzer Akademien ist es noch immer so schwer vorher zu sagen, ob übermorgen die Sonne scheinen wird, als es vor einigen Jahrhunderten gewesen sein muß, den Glanz des Hohenzollerischen Hauses voraus zu sehen.
Es ist eine kurrente Wahrheit: daß es wenig böse Taten gibt, die nicht aus Leidenschaften verübt worden wären, die, bei einem andern System von Umständen, der Grund großer und lobenswürdiger hätten werden können. So abgeschmackt freilich eine solche Entschuldigung nach vollbrachter Übeltat wäre, so sehr verdient sie bei dem noch unbescholtenen oder wenigstens unbekannten Mann erwogen zu werden, der eine Voraussetzung von meiner Vernunft von Gott und Rechts wegen fordern kann, die jener meiner Menschenliebe abbettelte. Ich glaube, wenn wir den Menschen genau kennten, so würden wir finden, daß die Auflösung selten unmöglich werden würde, und daß, wenn wir diejenigen meiden wollten, die unter einem gewissen System von Umständen gefährlich werden können, wir neunundneunzig in hundert meiden müßten.
Ein alter Weiser hat schon gesagt, aus jedem Manne läßt sich ein Kastrat machen, aber aus keinem Kastraten ein Mann.
Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
Wenn die Menschen plötzlich tugendhaft würden, so müßten viele Tausende verhungern.
Wenn Heiraten Frieden stiften können, so sollte man den Großen die Vielweiberei erlauben.
Es kann nicht alles ganz richtig sein in der Welt, weil die Menschen noch mit Betrügereien regiert werden müssen.
Aber was für eiteles, elendes Stückwerk ist nicht gleich unsere Wetterweisheit? Und nun gar unsere prophetische Kunst! Trotz den Bänden meteorologischer Beobachtungen ganzer Akademien ist es noch immer so schwer vorher zu sagen, ob übermorgen die Sonne scheinen wird, als es vor einigen Jahrhunderten gewesen sein muß, den Glanz des Hohenzollerischen Hauses voraus zu sehen.
Es ist eine kurrente Wahrheit: daß es wenig böse Taten gibt, die nicht aus Leidenschaften verübt worden wären, die, bei einem andern System von Umständen, der Grund großer und lobenswürdiger hätten werden können. So abgeschmackt freilich eine solche Entschuldigung nach vollbrachter Übeltat wäre, so sehr verdient sie bei dem noch unbescholtenen oder wenigstens unbekannten Mann erwogen zu werden, der eine Voraussetzung von meiner Vernunft von Gott und Rechts wegen fordern kann, die jener meiner Menschenliebe abbettelte. Ich glaube, wenn wir den Menschen genau kennten, so würden wir finden, daß die Auflösung selten unmöglich werden würde, und daß, wenn wir diejenigen meiden wollten, die unter einem gewissen System von Umständen gefährlich werden können, wir neunundneunzig in hundert meiden müßten.
Gewiß hat die Zollfreiheit unserer Gedanken und der geheimsten Regungen unseres Herzens bei uns nie auf schwächern Füßen gestanden als jetzt, wenn man aus der Emsigkeit, der Menge und dem Mut der Helden und Heldinnen, die sich wider sie auflehnen, auf ihren baldigen Umsturz schließen darf. Man dringt von allen Seiten auf die zukommlichsten Werke ihrer Befestigung, und wo man sonst geheimen Vorrat vermutet, mit einer Hitze ein, die mehr einem gotisch-vandalischen Sturm als einer überdachten Belagerung ähnlich sieht, und viele behaupten, eine förmliche Übergabe könne schlechterdings nicht mehr weit sein. Es gibt aber auch eine Menge sanguinischer Menschen, die dafür halten, die Seele liege über ihrem geheimsten Schatz noch jetzt so unzukommlich sicher, als vor Jahrtausenden, und lächle über die anwachsenden babylonischen Werke ihrer stolzen Stürmer, überzeugt, daß sich, lange vor ihrer Vollendung, die Sprachen der Arbeiter verwirren, und Meister und Gesellen auseinandergehen werden.
Über das Reisen
Ein anderer übler Umstand sind die leider nur allzuguten Gesellschaften in den bequemen Postkutschen in England, die immer voll schöner, wohlgekleideter Frauenzimmer stecken, und wo, welches das Parlament nicht leiden sollte, die Passagiere so sitzen, daß sie einander ansehen müssen; wodurch nicht allein eine höchst gefährliche Verwirrung der Augen, sondern zuweilen eine höchst schändliche zum Lächeln von beiden Seiten reizende Verwirrung der Beine, und daraus endlich eine oft nicht mehr aufzulösende Verwirrung der Seelen und Gedanken entstanden ist; so daß mancher ehrliche junge Mensch, der von London nach Oxford reisen wollte, statt dessen zum Teufel gereist ist. So etwas ist nun, dem Himmel sei Dank, auf unsern Postwagen nicht möglich. Denn erstlich können artige Frauenzimmer sich unmöglich auf einen solchen Wagen setzen, wenn sie sich nicht in der Jugend etwas im Zaunbeklettern, Elsternesterstechen, Apfelabnehmen und Nüsseprügeln umgesehen haben; denn der Schwung über die Seitenleiter erfordert eine besondere Gewandtheit, und wenige Frauenzimmer können ihn tun, ohne den untenstehenden Wagenmeister und die Stallknechte zum Lachen zu bringen. Für das zweite, so sitzt man, wenn man endlich sitzt, so, daß man sich nicht in das Gesicht sieht, und in dieser Stellung können, was man auch sonst dagegen sagen mag, wenigstens Intriguen nicht gut angefangen werden. Die Erzählung verliert ihre ganze Würze, und man kann höchstens nur verstehen, was man sagt, aber nicht was man sagen will. [...]
Wie Bedienstete schreiben
Im Schreiben sind die meisten wirklich unnachahmlich: Mein geehrtestes vom 15. dieses. Ich verbleibe Dero Hochedelgeborne Dienerin. Da sehen wir uns mündlich. Wenn Sie jetzt keine Zeit haben, so sehen wir uns im Dunkeln am Fenster. Eine schrieb: Ich weiß wohl, es kömmt alles daher, weil ich einmal den Willen des Herrn nicht tun wollen. (Sie meinte, dem Herrn vom Hause nicht zu Willen sein.) Es ist schade, daß man dergleichen Briefe so selten zu sehen bekommt, sie haben wirklich meistens etwas Auszeichnendes, und unterscheiden sich von Briefen gleich unstudierter Mannspersonen sehr. Man sollte glauben, ein besonderer Genius wache selbst über ihre Schreibfehler: Die kleine Fröhlen ist ganz von den Pocken verschönt worden (verschändet); statt Kniee schreiben die meisten Keine, doch weiß ich auch, daß eine Dame ein Keinstück statt Kniestück schrieb. In einer gewissen großen Stadt (vermutlich in mehren) sollen sie sogar gelehrte Briefwechsel führen, und ein paar solcher Briefe sind mir versprochen. Auch sollen sie da mitunter keinen Teufel mehr glauben, nämlich solange sie gesund sind, und das Licht brennt, und es nicht donnert. Wie sehr wohl und leicht sich Eine bei ihrer Atheisterei befunden haben muß, kann man aus einem Briefe an ihre Freundin sehen, worin sie ausdrücklich sagte: sie dankte Gott alle Morgen auf den Knien (vermutlich auf den Keinen) dafür, daß er sie zur Atheistin habe werden lassen. Die Postskripte zu ihren philosophischen Briefen handeln von Bändern, Spitzen, Schuhen etc.
Hier verlinke ich einen Artikel, in dem ich diesen Artikel verlinkt habe. Dort habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass unter diesen Aphorismen Lichtenbergs ein bekannter nicht vorkommt. Dieser bekannte ist nicht: "Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht."
Hier verlinke ich einen Artikel, in dem ich diesen Artikel verlinkt habe. Dort habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass unter diesen Aphorismen Lichtenbergs ein bekannter nicht vorkommt. Dieser bekannte ist nicht: "Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen