"[...] Die thematische Verarbeitung dagegen und das Dichten versteht der Traum des Kindes besser. Tausend kleine Dinge und Vorkommnisse des wachen Lebens, die den abgestumpften Erwachsenen gänzlich kalt lassen, die er nicht einmal mehr sieht und, wenn er sie sieht, nicht bemerkt, rühren dem Kinde, weil es noch frisch fühlt und weil ihm die Erdendinge neu sind, bis in die Seele und erzeugen Traumspiegelungen im Schlafe. Ich kann aus meiner Erfahrung berichten, dass mir ein Eisengitter um ein Haus, ein flüchtiger Blick in ein Kellergeschoss in der darauffolgenden Nacht ernste, tiefsinnige Träume verursachten, dass auf grössere Neuigkeiten, zum Beispiel auf den erstmaligen Anblick strömenden Wassers, ein wahrer Traumsturm folgte. Und wie golden schon die Landschaftsbilder in den Träumen des Erwachsenen leuchten mögen, die Landschaften, die der Traum des Kindes malt, sind noch viel seliger und süßer. Die Träume meiner zwei ersten Lebensjahre sind meine schönste Bildersammlung und mein liebstes Poesiebuch. [...]"
(Carl Spitteler: Die Träume des Kindes)
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