Ingeborg Bachmann (Wikipedia)
Malina (Wikipedia) Malina (Film)
Ingeborg Bachmann: Die gestundete Zeit (1953) gilt als Antwort auf Corona von Paul Celan
Werkausgabe:
Vorstellung bei FAZ 24.2.2017
Verlagsseite bei Suhrkamp
„Male oscuro“. Aufzeichnungen aus der Zeit der Krankheit. Traumnotate, Briefe, Brief- und Redeentwürfe. (Rezension)
Zitate aus Male obscuro bei Deutschlandfunk
Film:
Schauspiel:
Wiedereröffnung Schauspiel Frankfurt: Ich bin doch vernichtet worden von Sylvia Staude FR 13.6.21
"Das Frankfurter Schauspiel beginnt den Spielbetrieb mit einer flirrenden Version von Ingeborg Bachmanns „Malina“.
Zuletzt, nach zwei Stunden, im Fast-Dunkel, hört man Ingeborg Bachmann selbst. Sie liest das Gedicht „An die Sonne“, in dem das Schöne besungen wird mit einer Vehemenz, als wäre es der letzte Strohhalm. [...]
Im Nachtwald voller Fragen bleiben fast alle offen (und das ist gut so), auch wenn manche Sätze wie ein Fazit klingen. „Ich bin doch vernichtet worden“, sagt Inga/Inge, die Schauspielerin/die Ich-Erzählerin wirft es einem hin wie eine Aufforderung, genau hinzuhören, genau hinzusehen; vielleicht auch in der Folge dieses Abends genau zu lesen."
Zitate:
Wenn einer in sein dreißigstes. Jahr geht, wird man ihn nicht aufhören, ihn jung zu nennen. Er selber aber, obgleich er keine Veränderungen an sich entdecken kann, wird unsicher; ihm ist, als stünde es ihm nicht mehr zu, sich für jung auszugeben. Und eines Morgens wacht er auf, an einem Tag, den er vergessen wird, und liegt plötzlich da, ohne sich erheben zu können, getroffen von harten Lichtstrahlen und entblößt jeder Waffe und jeden Muts für den neuen Tag. [...]
Wenn er in sein dreißigstes Jahr geht und der Winter kommt, wenn eine Eisklammer November und Dezember zusammenhält und sein Herz frostet, schläft er ein über seinen Qualen. Er flieht in den Schlaf, flieht zurück ins Erwachen, flieht bleibend und reisend, geht durch die Verlassenheit kleiner Städte und kann keine Türklinke mehr niederdrücken, keinen Gruß mehr entbieten, weil er nicht angesehen und angesprochen werden will. Er möchte sich wie eine Zwiebel, wie eine Wurzel unter die Erde verkriechen, wo sie warm geblieben ist. [...] Ich lebe ja!
Er wird bald geheilt sein.
Er wird bald dreißig Jahre alt sein. Der Tag wird kommen, aber niemand wird an einen Gong schlagen und ihn künden. Nein, der Tag wird nicht kommen – er war schon da, enthalten in allen Tagen dieses Jahres, das er mit Mühe und zur Not bestanden hat. Er ist lebhaft mit dem Kommenden befasst, denkt an Arbeit und wünscht sich, durch das Tor unten bald hinaus gehen zu können, weg von den Verunglückten, den Hinfälligen und Moribunden.
Ich sage dir: Steh auf und geh! Es wird dir kein Knochen gebrochen."
(Das dreißigste Jahr, 1961)
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