Gilbert Keith Chesterton: Orthodoxie : Eine Handreichung für die Ungläubigen. Mit einer Einleitung von Martin Mosebach
Chesterton erklärt, er habe sich bei diesem Buch gefühlt wie jemand, der eine lange Reise unternimmt, um etwas zu erleben, und dann zu Hause ankommt. Eben bei seinem christlichen katholischen Glauben traditioneller Weise.
Kritik an diesem Glauben bezeichnet er als Verneinung des Denkens, weil da von ständiger Veränderung der Welt die Rede ist und er als Voraussetzung des Denkens feste Begriffe ansetzt.
Dies Buch von Chesterton "Handreichung für die Ungläubigen"
hat mich zum falschen Zeitpunkt erreicht. Ob es daran liegt, dass ich
mich gegenwärtig normal gläubig fühle, jedenfalls bin ich nicht in das Buch hinein gekommen,
obwohl ich meinen Trick, es an 3, 4 Stellen zu versuchen,
unternommen habe.
Inzwischen
habe ich eine Passage bei Chesterton gefunden, mit der ich mehr
anfangen kann als mit anderen:
"Ich weiß nicht, warum, aber mir
schien seit jeher unser Verhältnis zur Welt besser erfasst, wenn man
es in Begriffen soldatischen Gehorsams beschreibt, als wenn man es
unter dem Gesichtspunkt von Ablehnung und Zustimmung betrachtet. Dass
ich das Universum akzeptiere, hat nichts mit Optimismus zu tun,
sondern gemahnt eher an Patriotismus. Es ist der Ausdruck eines
ursprünglichen Treueverhältnisses [...]. Sie [die Welt] ist unsere
Stammburg, von deren Zinnen die Fahne unseres Geschlechts flattert,
und je schlechter es um sie bestellt ist, umso weniger dürfen wir
sie im Stich lassen. Ob diese Welt zu traurig ist, um sie lieben zu
können, oder so fröhlich, dass man sie einfach lieben muss, ist
nicht der Punkt; der Punkt ist vielmehr, dass die Fröhlichkeit von
etwas, das man wahrhaft liebt, ein Grund ist, es zu lieben, und seine
Traurigkeit Grund ist, es noch mehr zu lieben."
Hier
wird mit Emotionen argumentiert und nicht mit irgendwelchen
mystischen Kategorien oder Behauptungen wie, dass die Gedanken, das Denken unmöglich machten.
Aber soldatischer Gehorsam und Patriotismus liegen mir beide nicht nahe, und dass ich
etwas mehr lieben soll, weil es traurig ist, auch nicht. So werde ich es noch bei anderen Passagen versuchen; aber nicht mehr oft.
Klappentext und Rezensionen bei Perlentaucher:
Klappentext
Aus dem Englischen von Monika Noll und Ulrich Enderwitz. Vor drei Jahren ist Chestertons großer Essay "Ketzer" erschienen. In diesem Buch hat er sich, mit verheerender Wirkung, über die Materialisten lustig gemacht. Orthodoxie ist keine bloße Fortsetzung dieser Attacke; hier wird die Dosis gesteigert und ein härterer Stoff geboten. Denn nun wird Chesterton positiv; er schildert die Vorzüge des Glaubens, und bekanntlich gibt es für einen Autor keine schwierigere Aufgabe als die Darstellung des Positiven. Chesterton verteidigt die Tradition, das Wunder, die Phantasie und das Dogma, aber auf eine Art und Weise, die jedem Dogmatiker von Herzen zuwider sein muss; denn er beruft sich dabei einzig und allein auf die alltägliche Erfahrung, den common sense, die Vernunft und die Demokratie. Man kann sein Buch auch als die Autobiografie eines Abenteurers lesen, der mit zwölf ein Heide, mit sechzehn ein Agnostiker war, und den einzig und allein sein wildes Denken zum Glauben führte.
Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.12.2001
Seit dem 11. September läuft die Debatte über das friedliche Miteinander der Religionen auf Hochtouren. Es ist aber nicht damit Genüge getan, schreibt Ulrich Greiner, wenn man sich allein mit dem Anderen beschäftigt, ohne sich selbst, die eigene Kultur zu kennen. Und die fußt, ist der Rezensent überzeugt, auf dem Christentum, viel mehr als Vielen recht sein dürfte. Zur Nachhilfe über das, was denn christliche Kultur nun ist, empfiehlt Greiner zwei Bücher des als Autor von Detektivgeschichten ("Pater Brown") bekannt gewordenen Gilbert Keith Chesterton (1874-1936), der vor mehr als siebzig Jahren treffliche Betrachtungen über die "widersprüchliche Vielfalt des Christentums" abgefasst und den Rezensenten damit beeindruckt hat. Zwei dieser Essays, "Ketzer", bereits 1998 erschienen, und "Orthodoxie", liegen "hervorragend übersetzt" auf Deutsch vor.
Beiden widmet Greiner eine lange Besprechung, in der er dem Leser aber scheinbar nicht verraten mag, worin das jeweils Eigene der Bücher liegt. Beide jedenfalls beinhalteten drei Aspekte des Christentums: den der christlichen Haltung, den der demokratischen Grundannahme und schließlich den Konservatismus, dass einzig das Christentum menschenfreundlich und Demokratie ein Grundbedürfnis sei. Den Leser erwartet, verspricht Greiner, ein "seltenes intellektuelles Vergnügen", und doch muss er mit Entspannung und Beunruhigung zugleich rechnen. Es beruhigt, meint der Rezensent, zu wissen, wie klar die Ursprünge der christlichen Kultur sind, und es beunruhigt, fährt Greiner fort, dass ihre Lebenskraft ein Spektrum zeigt, das von Aggressivität zur Defensivität, von Souveränität zur Servilität, vom Erlöschen bis zur Unbesiegbarkeit reicht.
Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.12.2000
Angelika Dörfler-Dierken hat sich gefragt, was dem Zeitgenossen dieses Buch sein kann. Zu einer befriedigenden Antwort ist sie dabei nicht gelangt. Was den Autor - Apologet der theologischen Orthodoxie in ihrer krudesten Form, wie Dörfler-Dierken sichtlich irritiert schreibt - beispielsweise von seinem Kontrahenten Bernard Shaw unterscheidet, hätte sie gerne gewusst. Doch weder die Einleitung des Buches noch der ihr offenbar nicht ganz geheure Witz Chestertons waren da auskunftfähig. Chestertons apologetische Plädoyers, so die Rezensentin, reizten doch mehr zum Spott als zum Christentum.
Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.09.2000
In einer neuen, "annehmbaren" Übersetzung, schreibt Ulrich Horstmann, liegt das "teuflisch unterhaltsame" Werk des 1922 zum Katholizismus übergetretenen Anglikaners hier vor. Sein "paroxaler Schreib- und Argumentationsstil", abgeguckt von Oscar Wilde, lässt den Rezensenten schwelgen: Da schützen einen die simplen Behauptungen der Orthodoxie nicht etwa vor dem Nachdenken, sondern gleich vor "ebenso selbstverliebter wie substanzloser Intellektualität", sie kann einen Schirm bilden gegen die sterile Ratio und kräftig die "Einbildungskraft" aktivieren. Und derart eingeschworen auf die Tradition begreife man, dass diese die "Demokratie der Toten" ist, die es nicht schlechter haben sollen als wir, nur weil sie tot sind. Was Chesterton am Christentum fasziniert, meint Horstmann, ist die Koexistenz der Extreme, "von äußerster Weltfrömmigkeit und ebenso bedingungsloser Weltverachtung" und so macht er aus der "Öde scholastischer Kontroversen" ein "einziges wirbelndes Abenteuer". Ob er der Kirche einen Bärendienst erwiesen hat - oder am Ende gar sie ihm? Jedenfalls wurde ihm der Titel eines "Fidei Defensor", Verteidiger des Glaubens verliehen, wie auch lange vor ihm einem anderen Briten: dem König und Kirchenspalter Heinrich XIII, bemerkt Horstmann listig.
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