14 März 2012

Liane an Albano

»O, guter Albano! warum kamst du nicht? Wie viel hatt' ich dir zu sagen! Wie hab' ich Freitags deinetwegen gezittert, als die wütende Wolke dich mit ihrem Donner verfolgte! Du hast mich zu sehr vom Schmerz entwöhnt, so fremd und schwer wird er mir nun. Ich war den ganzen Abend untröstlich, endlich fiel mir nachts noch dazu ein, daß du wie von Ahnungen beklommen gewesen und daß es gern ins Donnerhäuschen schlage. Warum bist du doch da? Ich stürzte heraus und kniete neben meinem Bette und flehte Gott an, obgleich das Wetter längst verzogen war, daß er dich möge erhalten haben. Lächle über mein spätes Gebet; aber ich sagte zu ihm: du wußtest es ja, Allgütiger, daß ich beten würde. Ich wurde auch getröstet, da ich die Sterne ansah, und der gebrochene Strahl der Wonne zitterte in mir.
Aber am Morgen machte mich Rabette wieder traurig. Sie hat dich auf dem Wege weinen sehen. Tausendmal hab' ich untersucht, ob ich daran schuld habe. Sollt' es daher kommen – denn sie sagts –, daß ich dich mit meinen Sterbegedanken zu sehr betrübe?[378] Nie mehr sollst du sie hören, auch der Schleier ist ein geschlossen; aber ich berechnete dich nach meinem Bruder, dem, wie er selber sagt, das Todes-Dunkel eine Abenddämmerung ist, wo ihm die Gestalten lieblicher werden. – Wahrlich, ich bin ganz selig – denn du sogar bist es, und hast doch so wenig an mir, nur eine kleine Blume für dein Herz, aber ich habe dich. Lasse mir mein Grab; wie von einem Berg kommt bessere fruchtbare Erde davon in mein Tal. O wie liebt man, Albano, wenn alles neben uns bricht und fällt und verraucht und wenn doch der Bund und Glanz der Liebe unzerrissen und fest auf dem wegfließenden Leben steht, wie ich oft bei Wasserfällen mit Rührung auf den zerspringenden, reißenden Fluten einen Regenbogen unverrückt und unverändert schweben sah! – O, ich wollte, die Nachtigallen sängen noch, jetzt könnt' ich mit ihnen singen; deine Äolsharfe, meine Harmonika wünscht' ich in meiner Hand. Mein Vater war bei uns und heiterer und freundlicher gegen alle als je. Sieh! sogar er ist gut. Meine Eltern schicken gewiß kein Gewitter in unser Rosenfest. Ich tat ihm daher leicht den Gefallen – vergib es –, ihm zu versprechen, daß ich keine fremde Besuche in einem fremden Hause – weil es unschicklich sei, sagt' er – annehmen würde Ich muß auf einige Tage nach Hause wegen der fürstlichen Vermählung; aber ich sehe dich bald. O vergib! Wenn mein Vater sanft spricht, so kann meine Seele unmöglich Nein sagen. – Lebe wohl, mein Herrlicher!                                            L.

N. S. Bald fliegt wieder ein Blättchen auf deinen Berg. Sei nur in ewiger Freude! O Gott! warum bin ich nicht mächtiger? Welche Menschen solltest du dann an deinem Herzen haben! Du Lieber!«
(Jean Paul: Titan, Dritter Band, 70. Zykel, S.377-78)

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