Es gibt eine doppelte Liebe, die der Empfindung und die des Gegenstandes. – Jene ist mehr die männliche, sie will den Genuß ihres eignen Daseins, der fremde Gegenstand ist ihr nur der mikroskopische Objekt- oder vielmehr Subjekt-Träger, worauf sie ihr Ich vergrößert erblickt; sie kann daher leicht die Gegenstände wechseln lassen, wenn nur die Flamme, in die sie als Brennstoff geworfen werden, hoch fortlodert; und durch Taten, die immer lang, langweilig und beschwerlich sind, genießet sie sich weniger als durch Worte, die sie zugleich malen und mehren. Hingegen die Liebe des Gegenstandes genießet und begehret nichts als das Glück desselben (so ist meistens die weibliche und elterliche), und nur Handlungen und Opfer tun ihr Genüge und wohl; sie liebt, um zu beglücken, wenn jene nur beglückt, um zu lieben.
Die Arme! die jungfräuliche Seele ist eine reife Rose, aus der, sobald ein Blatt gezogen ist, leicht alle gepaarte nachfallen; seine wilden Küsse brachen die ersten Blätter aus – Dann sanken andere – Umsonst wehet der gute Genius fromme Töne aus der Harfe des Todes und rauschet zürnend im Orkus-Flusse der Katakombe herauf – Umsonst! – Der schwärzeste Engel, der gern foltert, aber lieber Unschuldige als Schuldige, hat schon vom Himmel den Stern der Liebe gerissen, um ihn als Mordbrand in die Höhle zu tragen.
Warum erkennt es denn das Männer-Geschlecht nicht, daß die Liebende in der Stunde der Liebe ja nichts weiter tun will als alles für den Geliebten, daß die Frau für die Liebe alle Kräfte, gegen sie so kleine hat und daß sie mit derselben Seele und in derselben Minute ebensoleicht ihr Leben hingäbe als ihre Tugend? – und daß nur der fodernde und nehmende Teil schlecht sei, besonnen und selbstsüchtig?
Jean Paul: Titan, 87. Zykel
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen