05 September 2012
Dreizehnlinden
Im 19. Jahrhundert entfalteten sich die modernen Geschichtswissenschaften und entwickelte sich der historische Roman. Der Verkaufserfolg von Victor von Scheffels Ekkehard dürfte für dessen Entwicklung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben.
Friedrich Wilhelm Weber wählte sich seinen Stoff wie Scheffel aus dem Mittelalter, doch als Form für Dreizehnlinden (1878) wählte er das Epos (in 4-hebigen Trochäen).
Es spielt in der Zeit Ludwigs des Frommen (genauer: 822 bis 823) und handelt von den Auseinandersetzungen zwischen dem übermächtig werdenden Christentum und den in die Defensive gedrängten Heiden. (Thematisch zeigt sich eine große Ähnlichkeit mit dem hier schon früher behandelten Einsiedler von Auerbach, der außerdem auch stark vom Lokalkolorit geprägt ist.)
Wonnig ist's, in Frühlingstagen
Nach dem Wanderstab zu greifen
Und, den Blumenstrauß am Hute,
Gottes Garten zu durchschweifen.
Oben ziehn die weißen Wolken,
Unten gehn die blauen Bäche,
Schön in neuen Kleidern prangen
Waldeshöh' und Wiesenfläche.
[...]
Klugen Sinns und unverdrossen
Bauten sie [die Mönche] mit Lot und Waage,
Winkelmaß und Säg' und Hammer,
Axt und Kelle Tag' auf Tage,
Bis es ihrem Fleiß gelungen,
Haus und Kirche fest zu gründen,
Bis der Brunnen rauscht im Hofe
Des Konvents von Dreizehnlinden.
In Gehorsam, Zucht und Armut
Schafften still die tapfern Streiter:
Reuteten des Urwalds Riesen,
Dorn und Farn und wüste Kräuter;
[…]
Elmar, Herr vom Habichtshofe,
Sprach zu seinem Jagdgesinde:
»Gute Meute, gute Beute;
Hängt den Bären an die Linde!
Achtet auf das Weidgeräte
Und besorgt die müden Hunde,
Dann euch selbst; mich will bedünken,
Daß euch wohl der Imbiß munde.
Drauf zerwirkt den braunen Riesen,
Aber mit geschickten Händen
Schont den Pelz; nach Bodinkthorpe
Will ich ihn zum Grafen senden,
Dem der ungeschlachte Brummer
Jüngst die Heimkehr abgeschnitten,
Als der Alte mit der Tochter
Spät vom Eschenberg geritten.
[…]
Auf der Iburg stumpfem Kegel
Hatten sich zum Balderfeste
Fromm geschart die Heidenleute,
Gaugenossen, fremde Gäste.
Unter Eichen auf dem Rasen
Stand der Opferstein, der graue,
Neben ihm mit blut'gem Messer
Eine riesenhafte Fraue:
Swanahild, die greise Drude,
Ihres Priesteramts zu walten,
Erzgegürtet; weißes Linnen
Floß um sie in reichen Falten.
Werinhard, der freie Bauer,
Nahm den Stahl aus ihren Händen;
Fulko, Schmied von Bodinkthorpe,
Wühlte schürend in den Bränden.
[…]
Gero, der christliche Franke, und Elmar, der heidnische Sachse, suchen die Gunst Hildegundes, der christlichen Fränkin.
Elmar, Herr vom Habichtshofe,
Trat zum Bischof, seinem Öhmen;
Freundlich war er, doch er wollte
Nicht die Hand des Jünglings nehmen.
Im Gesicht des Heidenmannes
Starb ein Lächeln, trüb und schmerzlich;
Werinhard, der Freiling, drückte
Ihm die Linke fest und herzlich.
Gero sah's, der gelbe Franke,
Jüngst gesandt als Königsbote,
Der dem Gau mit neuen Diensten,
Neuem Zins und Zehnten drohte.
Herbe war er, doch die Rede
Wußt' er schmeichelnd zu versüßen,
Wenn er plaudernd in der Halle
Saß zu Hildegundens Füßen.
Schweigend hört' ihn stets die Jungfrau,
Ob er scherzte, ob er klagte; [...]
Es kommt zum Brand. Gero flieht, Elmar rettet Hildegunde und den Grafen.
Arge Geister, rote Schlangen,
Die sich reckten, die sich ballten,
Zischten, zuckten, schlüpften, schossen
Durch die Fugen, durch die Spalten;
Rote Schlangen, rote Flammen,
Überstürzten sich im Rennen:
Wildes Brennen an der Sohle,
Hoch im Giebel wildes Brennen!
Faltenreich im Hauch des Windes
Wogt' ein Kleid von Rauch und Feuer
Um das Strohdach, um die Wände
Von der First zum Grundgemäuer.
Weh dem Leben in der Lohe!
Imma stürzte aus den Bränden
Bleich, entsetzt; ans Tor der Scheune
Schlug sie hart mit beiden Händen.
»Hilfe! Rettet Hildegunden!
Machtlos und mit schwerem Keichen
Liegt der Graf betäubt am Boden,
Und sie will nicht von ihm weichen!«
Doch der Schrei, der messerscharfe,
Weckte nicht die wüsten Träumer;
Aiga nur, die kleine Aiga,
Flog heran und griff zum Eimer.
»O die Bären, wie sie schnarchen!«
Plötzlich, wie der Erd' entwachsen,
Auf des Hofes Mitte ragte
Elmars Haupt, des finstern Sachsen.
Gero hüpft an ihm vorüber,
Unterm Arm ein rauchend Bündel:
»Ach, mein Scharlachkleid; ich sterbe!
Helft! Wo steckt das Dienstgesindel?«
Falk, nun spanne Fang und Feder!
Auf der Zofe schrilles Rufen
Stürzt' er hastig in die Esse
Über halbverkohlte Stufen.
Hastig, wie der Frank' ins Freie,
Sprang der Sachse in die Flammen;
Vor ihm schlug die gelbe Lohe,
Hinter ihm der Rauch zusammen.
Prasseln, Brechen, dumpfes Dröhnen
In den Sparren, in den Balken;
Schirme Gott die zwei Verlaßnen,
Schirme Gott den kühnen Falken! –
Mut gibt Sieg! – Auf starken Armen,
Ob ihn Dampf und Glut umwallten,
Sicher schreitend trug er beide
Abwärts in des Mantels Falten.
Auf dem Stein am Fuß der Linde
Setzt' er nieder seine Bürde;
Zitternd dankt' ihm Hildegunde
Und der Graf mit kühler Würde. [...]
Was zwischen Gero und Elmar im folgenden vorfällt, wird hier nicht mitgeteilt, man mag es nachlesen.
Danach klagt Gero Elmar des Mordanschlags, des Betens zu den heidnischen Göttern und der Brandstiftung an.
Elmar verteidigt sich so:
Elmar sprach: »Des Götzendienstes
Zeiht er mich vor Ring und Dinge:
Trügt ihr's, so ich frech zu höhnen
Euern Gott mich unterfinge?
Wo ich mich in Demut beuge,
Darf ein Tor nicht ruchlos schelten:
Was euch heilig, will ich achten;
Was mir heilig, laßt es gelten!
Euern Priestern, euern Mönchen
Zins und Zehnten gab ich willig;
Sprecht, was habt ihr uns gegeben?
Laßt uns atmen, das ist billig!
Nein, ihr braucht sie nicht zu dulden,
Menschenrechte müßt ihr ehren!
Erstes Recht ist Recht zu beten,
Und das darf kein König wehren!
[Ganz im Sinne der Aufklärungsphilosophie des 18.(!) Jahrhunderts beruft Elmar sich auf Menschenrechte und Religionsfreiheit.]
Weil es keine Tatzeugen gibt und weil er nicht sechs, sondern nur einen adligen Eideshelfer findet, wird Elmar für vogelfrei erklärt.
Der Prior spricht zu Elmar:
»Sohn, ich las im Runenbuche
Manches Blatt, ein Zeichendeuter;
Viel zur Trauer, viel zum Troste,
Wenn ich weiter las und weiter.
Was sie Weltgeschichte nennen,
Ist ein wüstverworrner Knäuel:
List und Trug, Gewalt und Schwäche,
Feigheit, Dummheit, Wahn und Greuel. [...]
»Freiheit sei der Zweck des Zwanges,
Wie man eine Rebe bindet,
Daß sie, statt im Staub zu kriechen,
Froh sich in die Lüfte windet. –
Beides schaffte Karl der Franke,
Liebenswertes, Hassenswertes;
Hielt er fest am Kreuz der Kirche,
Fester doch am Kreuz des Schwertes.
Und mit rotgefärbten Händen
Schwang er's gegen unsre Väter,
Ein Apostel in der Brünne,
Ein mit Blut bespritzter Beter.
Uns uns selbst abzugewinnen,
Hat er todwund uns gehauen;
Zeigend nach den Himmelsburgen,
Nahm er uns die Erdenauen.
Dienen muß der faltenreiche
Kirchenmantel hundert Zwecken:
Ehrsucht, Habsucht, Machtgelüste,
Haß und Rache muß er decken.
Wie das Gold den Durst nach Golde
Mehrt der Ruhm die Gier der Degen,
Denn je mehr die Menschen dürfen,
Desto dreister wird ihr Mögen.
Vom beeisten Belt zum Tiber
Fuhr der Held in lichten Waffen:
War's, um Völker zu befreien,
War's, um Knechte sich zu schaffen?
Statt zu einen Deutschlands Stämme,
Warf er fremde zueinander,
Stark und groß, nur nicht so gütig
Als der Grieche Alexander.
Wär' er uns ein Ordner, Pfleger,
Uns ein milder Herr geblieben:
Wir, die hundertfach ihm danken,
Würden tausendfach ihn lieben;
Ihn, der fromme Friedensstätten
Baut' an Quellen und in Hainen,
Wo einst Menschenleiber zuckten
Auf entweihten Opfersteinen;
Der die Leuchte holder Bildung
Trug in unsre finstern Wälder,
Segensreiche Körner streute,
Doch in blutgedüngte Felder,
Und erst spät! Durch linde Lehre
Hätt' er uns bezwingen können
Rascher, sichrer als mit Eisen,
Als mit Hungerpein und Brennen.
Eitler Glanz der Römerkrone!
Verdens grause Mordgerichte
Mag ihm Gott verzeihn, doch schuldig
Bleibt er sie der Weltgeschichte:
Untat, die der kluge Einhard
Gern verhüllte und verschwiege,
Die in Rom der Völkervater
Selbst gestraft mit ernster Rüge.
Doch den Wirrern und den Klirrern,
Die da ziehn mit großem Schalle,
Allen klebt ein Mal am Schilde,
Und ihr Verden haben alle.« [...]
»Andre Zeiten, andre Menschen,
Andre Menschen, andre Götter:
Einer bleibt, der Ewigstille,
Unentwegt vom Zeitenwetter. [...]
Andre Zeiten, andre Götter,
Denn der Geist hat breite Schwingen,
In das Reich des Unerkannten
Strebt er rastlos vorzudringen.
Und die Sonnen jenes Reiches,
Die erleuchten, nicht verbrennen,
Führen aufwärts, Ihn, den Einen,
Unerkannten zu erkennen.
Und erbarmungsreiche Liebe
Neigt dem Sucher sich entgegen;
Jedem, der nach Wahrheit dürstet,
Quillt ihr Born auf allen Wegen. –
Trostlos ist es, für Geschwundnes,
Hingegangnes streiten wollen:
Hast du Macht, den Strom zu hemmen
Und zum Quell zurückzurollen?
Kann, was Asche ward, noch lodern?
Kann, was Leiche ward, genesen?
Zu den Toten fällt das Tote,
Sei es noch so schön gewesen.
Mag ins Abendrot versunken
Trüben Muts ein Träumer klagen,
Doch der Blick der Wohlbereiten
Grüßt im Ost das junge Tagen.« [...]
»Manches hab' ich dir berichtet
Von dem Friedenskind, dem frommen,
Das zu diesem Mittelgarten
Aus dem Himmelreich gekommen;
Aus des Himmels Sonnenburgen,
Gottes Sohn in Manneshülle,
Daß an ihm, dem Längstverheißnen,
Sich das Seherwort erfülle;
Wahrer Gott, und mit dem Vater,
Mit dem Geist von gleichem Wesen,
Eins in Dreiheit: ein Geheimnis,
Menschensinnen nicht zu lösen;
Sohn des Schöpfers aller Dinge,
Gott von Gott und Licht vom Lichte,
Fleisch geworden, daß er sühne
Und in Liebe alles schlichte;
Wie er, als ein Held und Herrscher,
Hochgemute kühne Degen,
Teure Zwölf sich auserkoren,
Fest und treu in allen Wegen;
Wie er zog von Gau'n zu Gauen
Segnend, mahnend, wundertätig,
Stets bereit zu sanfter Lehre,
Stets zu Hilf' und Trost erbötig;
Wie er dann ein Reich gestiftet,
Drin er seine Gnaden spendet,
Menschenhold, ein Reich des Friedens,
Das in dieser Zeit nicht endet;
Wie durch ungeheure Meintat
Schuldlos er am Kreuz gestorben
Und durch seinen Tod das Leben
All der Welt – und dir erworben;
Wie er sich, der Todbezwinger,
Siegreich aus der Gruft erhoben
Und verklärt hinaufgefahren
In sein Himmelreich dort oben;
Wie er einst, der Weltenwalter,
Kommen wird am Jüngsten Tage
Und den Lebenden und Toten
Wägen mit gerechter Waage,
Hoch und hehr, in großen Prächten
Auf den Wolken; mit Erstaunen
Und mit Zittern hört die Schöpfung
Das Erkrachen der Posaunen:
Dies und andres, was in dürrer,
Dürft'ger Red' ich dir entfaltet,
Hat ein gottgeweihter Sänger
Reich zum Heilandslied gestaltet.
Einer von den Unsern, Elmar!
Nicht in weicher welscher Zungen,
In der Heimat vollen Klängen
Hat er herrlich es gesungen.
Hörst du es, du glaubst im großen
Grünen Sachsenwald zu weilen:
Himmelweit die Astgewölbe,
Himmelhoch der Stamme Säulen! [...]
»Red' ich zu dir warme Worte,
Elmar, aus des Herzens Fülle,
Glänzt dir wohl die Trän' im Auge,
Doch verharrst du stumm und stille.
Nach der Wahrheit steilen Burgen
Mag ein andrer wohl die Pfade
Dir durch Dorn und Felsen zeigen:
Führen kann nur Gottes Gnade.
Die Erkenntnis ist das Erbe
Nicht der Weisen, nein, der Frommen;
Nicht im Grübeln, nein, im Beten
Wird die Offenbarung kommen.
Soll ein Menschenauge schauen,
Muß der Himmel sich erschließen
Und ein Strahl von seinem Lichte
In das dunkle Herz sich gießen.« [...]
Erst gehörst du deinem Gotte,
Ihm zunächst der Heimaterde.
Bist du stark, sei froh; am stärksten
Ist der Mann am eignen Herde.
Bläh dich unter fremden Menschen:
Schweigt dein Volk, dein Ruhm ist nichtig;
Sachsenkind, mit jeder Faser
Bist du deinem Volke pflichtig;
Deiner Heimat, deiner Mutter,
Einer Kranken, einem Weibe;
Bist du brav, so zahl mit jedem
Tropfen Bluts in deinem Leibe.
Willst du fort, sie wird als bleiche
Bettlerin am Wege stehen
Und die dürre Hand dir strecken
Nassen Blicks. – Nun kannst du gehen!« [...]
Der Abt von Dreizehnlinden spricht:
Was dich kränkt und heilt, ich weiß es
Besser als der Mann im Norden:
Elmar, sei ein Christ! Im Geiste
Bist du längst ein Christ geworden.«
»Ich ein Christ?« – »Seit Sorg' und Kummer
Deine düstern Schlafgenossen!
Elmar, wer da sucht, der findet,
Wer da klopft, dem wird erschlossen.
Arme Menschen, hin und wieder
Tun sie recht im besten Falle;
Reicher Gott, in ew'ger Liebe
Hält und hegt er dich und alle.
Rief er dich? Wie oft! – Sein Rufen
Übertäubten Wind und Welle;
Endlich kam er selbst, er selber
Führte dich zur Klosterzelle.
Wund und siech! Die Wunde heilte,
Und vom Siechtum fast genesen,
Zweifelst du, weil du so lange,
Allzulange siech gewesen.« –
Sprachlos stand der junge Sachse,
Starr sein Blick und schlaff die Glieder;
Plötzlich, wie vom Blitz getroffen,
Vor dem Greise sank er nieder.
Jammer in den nassen Augen
Lag er flehend auf den Knien,
Und die Hände faltend, sprach er:
»Segne mich – und laß mich fliehen!«
»Sei gesegnet, wilder Knabe,
Doch du darfst nicht von uns scheiden!
Komm, wir gehn zum Pater Prior,
Er ist klug und rät uns beiden;
Klug und fromm; die Bücher alle
Sind ihm kund; von einem Helden,
Der geritten nach Damaskus,
Wird er Sturz und Sieg dir melden.«
[...]
Elmar lässt sich taufen.
Hell im Chor der Klosterkirche
Flammten weiße Opferkerzen:
Heller brannten, heißer glühten
Opferfrohe Menschenherzen.
Auf dem Altar frische Sträuße:
Heiliger und reiner blühte
Ros' und Lilie in der Beter
Stillandächtigem Gemüte.
Elmar kniete vor den Staffeln
Im Gewand von weißem Linnen,
Sanft gebückt, geschloßnen Auges,
Wie versenkt in sel'ges Sinnen;
Auf dem Antlitz Fried' und Freude,
Zartes Rot auf Kinn und Wangen,
Gleich als sei ein heil'ges Feuer
Warm im Herzen aufgegangen.
Und ein Strahl der Frühlingssonne
Glitt hinein mit goldnem Glanze
Und umwob des Jünglings Locken
Wie mit einem Glorienkranze.
Denn er siegte, und soeben,
Von des Abtes Hand ergossen,
Hatte das geweihte Wasser
Gnadenreich sein Haupt umflossen,
Dank dem Prior, der dem Ringer
Erst ein Helfer war und Rater,
Jetzt des Überwinders Zeuge,
Jetzt im Geist sein zweiter Vater. [...]
Elmar wird wieder in seine alten Rechte eingesetzt.
Sprach der greise Eschenburger,
Nickend mit vergnügter Miene:
»Prüft, ihr Herrn, ob, was ich bringe,
Nicht ein Botenbrot verdiene?
Doch zuvörderst ruft den Falken,
Denn, was ich zu melden habe,
Zielt auf ihn zumeist; nicht immer
Unheil krächzt der alte Rabe.« –
Elmar trat herein und stutzte,
Freudig halb und halb verlegen;
Diethelm, Tränen in den Augen,
Stürzte jubelnd ihm entgegen:
»O du bist es! O wie lange –«
Rab dazwischen: »Immer kühle,
Hausverwalter; heut Geschäfte,
Morgen Schwatz und Zartgefühle!
Elmar, hier die Hand, mein Knabe!
Deine Unschuld ward erwiesen;
Wie? – das später; jetzt das eine:
Du bist frei; Gott sei gepriesen!«
»Himmelsmächte«, rief der Falke,
»Frei der Acht und los des Bannes?
Frei, ich frei?« Und schluchzend sank er
An die Brust des treuen Mannes. [...]
»Gott sei Dank, und Euch und allen«,
Sagte Elmar, »die dem Wunden,
Bannbestrickten, Wahnbefangnen
Treu und stark zur Seite stunden.
Zwiefach habt ihr mich gerettet –«
Rab darein: »Nur keine Rührung!
Übel schickt sie sich zu meiner
Hungerregung, Durstverspürung.«
Drauf der Abt: »Die Schüsseln dampfen,
Tretet her zu euren Plätzen!
Was der Kost an Würze mangelt,
Mag der gute Met ersetzen.« [...]
Elmar kehrt zurück. Der Graf ist gestorben, doch Hildegunde erwartet ihn.
Plötzlich schrak empor die Jungfrau;
In die Halle traten leise
Elmar mit dem Eschenburger,
Markward und Warin, die Greise.
O wie schoß der Kummerbleichen
Jäh das Blut in Stirn' und Wange!
»Elmar! – Er ist tot! Er hoffte,
O, er harrte dein so lange!
Seht, o seht, ehrwürd'ge Vater.
Edler Rab! – Er hoffte immer:
Elmar, als er sterben mußte,
Rief er dich, doch kamst du nimmer!«
Elmar nahm die Hand des Toten
Und die ihre: »Hildegunde,
Leid war unser Los, und leidvoll
Ist des Wiedersehens Stunde.«
Sprach der Bischof: »Tränen trocknen;
Glücklich, wer gesät im Harme;
Denn in Freuden wird er ernten:
Elmar, komm in meine Arme!
Dir und euch, ihr frommen Brüder,
Hab' ich, wie mir aufgetragen,
Dieses Toten letzte Wünsche
Mit dem letzten Gruß zu sagen.
Falk, so er durch menschlich Fehlen
Mit versah, was du gelitten:
Zeih ihn nicht; der stumme Schläfer
Läßt dich um Vergebung bitten.
Abt Warin, gern hätt' er selber
Euch gedankt; ich soll Euch danken
Für die Bergung, für die Pflege
Eines Flüchtlings, eines Kranken;
Euch für alles, guter Prior,
Was Ihr Holdes an ihm übtet,
Und zumal, daß Ihr ihn lehrtet,
Und zumeist, daß Ihr ihn liebtet.
Eins nur macht' ihm hart das Scheiden,
Der Gedanke, schwer zu fassen,
Dies sein Kind, sein teures Kleinod,
In der Welt allein zu lassen.
Nicht allein! Sein teures Kleinod
Bat er mich mit seinem Segen,
Elmar, so dein Herz ihm offen,
An dein treues Herz zu legen.«
Und der Falk, die Arme breitend:
»Du mein Bangen und Verlangen,
Hilda, kommst du?« – Der Erlöste
Hielt die Weinende umfangen. –
Sprach der Bischof: »Amen, Amen!«
Auf die Knie sanken alle;
Friedensgeister, Gottes Engel,
Schwebten durch die stille Halle.
Schluss
Und nun ist mein Lied zu Ende,
Und ich hab' es doch gesungen,
Alter Uhu, dir zum Trotze,
Dir und deinen Lästerungen. [...]
O, die Zeit ist schwer geworden,
Und mich mahnt ihr wirres Rauschen;
Anderm Saitenspiel als solchem,
Andrer Lehre will sie lauschen.
Doch, was quillt, das muß zutage,
Und in langen Winternächten
Fuhr ich fort, getrosten Mutes,
Einsam Reim an Reim zu flechten.
Nicht für viele, nicht für manche;
Nur für diesen, nur für jenen,
Der abseits der großen Straße
Horchen mag verlornen Tönen:
Wie zu einer Waldkapelle
Nicht im Feierzug die Frommen,
Doch abseits der großen Straße
Jägersmann und Pilgrim kommen,
Die allein, gebückten Hauptes
Durch das niedre Pförtlein treten,
Um am kleinen staubbedeckten
Holzaltare still zu beten;
Scheidend dann zu dürren Kränzen,
Die sich sacht im Winde regen,
Wohl als Opferspend' ein armes
Reis von ihrem Hut zu legen. –
Helf' uns Gott den Weg zur Heimat
Aus dem Erdenelend finden:
Betet für den armen Schreiber,
Schließt der Sang von Dreizehnlinden!
Friedrich Wilhelm Weber: Dreizehnlinden
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