Freiherr von Risach:
Das ist eben das Wesen der besten Werke der alten Kunst, und ich glaube, das ist das Wesen der höchsten Kunst überhaupt, daß man keine einzelnen Teile oder einzelne Absichten findet, von denen man sagen kann, das ist das Schönste, sondern das Ganze ist schön, von dem Ganzen möchte man sagen, es ist das Schönste; die Teile sind bloß natürlich. Darin liegt auch die große Gewalt, die solche Kunstwerke auf den ebenmäßig gebildeten Geist ausüben, eine Gewalt, die in ihrer Wirkung bei einem Menschen, wenn er altert, nicht abnimmt, sondern wächst, und darum ist es für den in der Kunst Gebildeten so wie für den völlig Unbefangenen, wenn sein Gemüt nur überhaupt dem Reize zugänglich ist, so leicht, solche Kunstwerke zu erkennen. [...]
Risach darüber, weshalb er Heinrich nicht auf den hohen Kunstwert der Statue angesprochen habe:
Ich habe geglaubt, irgend ein großes, allgemeines menschliches Gefühl, das euch ergreifen würde, würde euch auf den Standpunkt führen, auf dem ich euch jetzt sehe.« [...]
Risach:
Außer dem hier gegebenen Begriffe von stofflicher Ruhe mag wohl unter Ruhe weit öfter die künstlerische zu verstehen sein, die ein Kunstwerk, sei es Bild, Dichtung oder Musik, nie entbehren kann, ohne aufzuhören, ein Kunstwerk zu sein. Es ist diese Ruhe jene allseitige Übereinstimmung aller Teile zu einem Ganzen, erzeugt durch jene Besonnenheit, die in höchster kunstliebender Begeisterung nie fehlen darf, durch jenes Schweben über dem Kunstwerke und das ordnende Überschauen desselben, wie stark auch Empfindungen oder Taten in demselben stürmen mögen, die das Kunstschaffen des Menschen dem Schaffen Gottes ähnlich macht und Maß und Ordnung blicken läßt, die uns so entzücken. Bewegung regt an, Ruhe erfüllt, und so entsteht jener Abschluß in der Seele, den wir Schönheit nennen. [...]
Ich-Erzähler Heinrich:
denn ein großes Werk, das sah ich jetzt ein, hat keine Schönheiten und um so weniger, je einheitlicher und einziger es ist.
Risach:
Darum ist die Kunst ein Zweig der Religion, und darum hat sie ihre schönsten Tage bei allen Völkern im Dienste der Religion zugebracht.
Risach:
Darum ist die Kunst ein Zweig der Religion, und darum hat sie ihre schönsten Tage bei allen Völkern im Dienste der Religion zugebracht.
(Stifter: Der Nachsommer)
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