17 Januar 2016

Textbetrachtung

Stimmen die Bilder?
Gibt es ein Zuviel?

Ueber dem Teich, hoch im blauen Frühlingshimmel, hing lange und unbeweglich ein dunkler Punkt. Das blanke Gewässer wimmelte von Fischen; es lag immer so einsam, und wehrlos da, und die alten, nahe an seinen Spiegel gerückten Baumriesen konnten auch nicht helfen, wenn der graugefiederte Dieb, jäh aus den Lüften herabstürzend, nach Herzenslust das silberschuppige Leben im Wasser würgte. Heute nun traute er sich nicht herab, denn es waren Menschen da, große und kleine, und die kleinen schrieen und jubelten so ungebärdig und warfen im kindischen Vermessen ihre bunten Bälle nach ihm; rastende Pferde wieherten und stampften das Ufergeröll, und durch die Baumwipfel quollen Rauchwolken und fuhren mit zuckenden Armen gen Himmel. Menschenlärm und Rauch – das war nichts für den heimtückisch hereinbrechenden Räuber, nichts für den Segler des kristallenen Aethers; mißmutig zog der Reiher immer weitere Kreise und verschwand zuletzt unter einem gellenden Kinderhurra so spurlos, als sei sein gewichtiger Körper zerblasen und zerstoben.
(Eugenie Marlitt: Die zweite Frau - Kapitel 1)

Man kennt es schon von mir. Immer wieder zitiere ich Texte von Marlitt, wo sie beschreibt und sich nicht in klischeehaften Charakterzeichnungen ergeht. 

Hier ein Beispiel dafür:
"Ihre Mutter stieß einen gellenden Laut aus, dann warf sie sich rücklings auf ein Sopha und verfiel in Lachkrämpfe.
Ruhig, mit untergeschlagenen Armen, stand Ulrike zu Häupten der wie toll um sich schlagenden Frau und sah mit einem bitter-ironischen Lächeln auf sie nieder.
„Der arme Magnus!“ flüsterte Liane, nach der Thür des Nebenzimmers deutend. „Er ist drüben – wie wird er erschrecken über diesen Lärm! … Bitte, Mama, fasse Dich! Magnus darf Dich nicht so sehen – was soll er denken?“ wandte sie sich halb bittend, halb mit ernstem Nachdruck an ihre Mutter.
Die widerwärtige Scene, welcher die Töchter stets durch Nachgiebigkeit und möglichsten Gehorsam vorzubeugen suchten, spielte sich ja nun doch ab; nun machte sich der tiefe, gerechte Unwille geltend, den das charaktervolle Weib gegenüber den Ausschreitungen einer entarteten Frauennatur empfindet. Die junge Mädchengestalt zitterte nicht mehr vor Furcht – es sprach etwas unbewußt Ueberlegenes aus der Bewegung, mit welcher sie ernst mahnend die Hand hob. Sie predigte tauben Ohren – das Geschrei dauerte fort."

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