Es hat Narren gegeben, welche die Frage mühsam untersucht haben, ob das Vergnügen ein Gut, und der Schmerz ein Übel sei? Es hat noch größere Narren gegeben, welche würklich behaupteten, der Schmerz sei kein übel, und das Vergnügen kein Gut; und was das lustigste dabei ist, beide haben Toren gefunden, die albern genug waren, diese Narren für weise zu halten. Das Vergnügen ist kein Gut, sagen sie, weil es Fälle gibt wo der Schmerz ein größeres Gut ist; und der Schmerz ist kein Übel, weil er zuweilen besser ist als das Vergnügen. Sind diese Wortspiele einer Antwort wert? Was würd' ein Zustand sein, der in einem vollständigen unaufhörlichen Gefühl des höchsten Grades aller möglichen Schmerzen bestünde? Wenn dieser Zustand das höchste Übel ist, so ist der Schmerz ein Übel. Doch wir wollen die Schwätzer mit Worten spielen lassen, die ihnen bedeuten müssen was sie wollen. Die Natur entscheidet diese Frage, wenn es eine sein kann, auf eine Art, die keinen Zweifel übrig läßt. Wer ist, der nicht lieber vernichtet als unaufhörlich gepeiniget werden wollte? [...]
Die Freiheit von allen Arten der Schmerzen ist also unstreitig eine unumgängliche Bedingung der Glückseligkeit; allein da sie nichts positives ist, so ist sie nicht so wohl ein Gut, als der Zustand, worin man des Genusses des Guten fähig ist. Dieser Genuß allein ist es, dessen Dauer den Stand hervorbringt, den man Glückseligkeit nennt. [...]
Die Philosophen reden von Vergnügen des Geistes, von Vergnügen des Herzens, von Vergnügen der Tugend. Alle diese Vergnügen sind es für die Sinnen oder für die Einbildungskraft, oder sie sind nichts. [...]
Laß uns also gestehen, Callias, daß alle Vergnügen, die uns die Natur anbeut, sinnlich sind; und daß die hochfliegendste, abgezogenste und geistigste Einbildungskraft uns keine andre verschaffen kann, als solche, die wir auf eine weit vollkommnere Art aus dem rosenbekränzten Becher, und von den Lippen der schönen Cyane saugen könnten. [...]
Allein diese Unterwürfigkeit ist dem Despoten, diese Hochachtung ist dem Republikaner nur darum angenehm, weil sie das Vermögen oder die Gelegenheit gibt, die Leidenschaften und die Begierden desto besser zu befriedigen, welche die unmittelbaren Quellen des Vergnügens sind. [...] ein Diogenes könnte zu Corinth nicht glücklich sein, wenn er nicht ein Narr wäre. Gewisse poetische Köpfe haben sich ein goldnes Alter, ein Arcadien, ein angenehmes Hirtenleben geträumt, welches zwischen der rohen Natur und der Lebensart des begüterten Teils eines gesitteten und sinnreichen Volkes das Mittel halten soll. Sie haben die verschönerte Natur von allem demjenigen entkleidet, wodurch sie verschönert worden ist, und dieses idealische Wesen die schöne Natur genannt. [...]
Wenn es angenehmer ist in einer bequemen Hütte zu wohnen als in einem hohlen Baum, so ist es noch angenehmer in einem geräumigen Hause zu wohnen, das mit den ausgesuchtesten und wollüstigsten Bequemlichkeiten versehen, und, wohin man die Augen wendet, mit Bildern des Vergnügens ausgeziert ist; und wenn eine mit Bändern und Blumen geschmückte Phyllis reizender ist als eine schmutzige und zottichte Wilde, muß nicht eine von unsern Schönen, deren natürliche Reizungen durch einen wohlausgesonnenen und schimmernden Putz erhoben werden, um eben so viel besser gefallen als eine Phyllis?"
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