24 August 2018

Die Woche mit Frau Cresspahl: Über das Schicksal von Mrs. Ferwalter

„In Mauthausen wurde ich befreit“ (11. August 1968)

Kurz vor Gesine Cresspahls Abreise nach Prag wird das bislang nur angedeutete Schicksal ihrer Nachbarin Mrs. Ferwalter konkret. Ausgelöst wird die Erinnerung der Nachbarin, weil sie zu Maries Abschiedsgesellschaft „Passovergebäck“ mitbringen will und dessen Geschmack beschreibt – Marcel Proust lässt grüßen. „Wir haben es zuletzt zuhause gebacken im vierundvierziger Jahr.“ Mrs. Ferwalter stammt aus Transkarpatien, heute der westlichste Teil der Ukraine, mit dem Vertrag von Trianon kam das Gebiet 1920 zur Tschechoslowakei, nach deren Auflösung 1938 zu Ungarn. Zwischen April und Juni 1944 wurde die Bevölkerung aus diesem Gebiet deportiert, auch Mrs. Ferwalter, obwohl sie einen „katholischen Paß“ hat, „mit katholischer Religion“.
„Wir kamen nach Auschwitz. Ich war da acht Monate. Die meisten kamen gleich ins Krematorium. Viele von den Aufsehern laufen noch frei herum, und man staunt wo. So wie wir hier sprechen habe ich mit dem Mengele geredet.
Ich wurden selektiert ins Magazin als Einweiserin.“
Mit diesem „Vernichtungsvokabular“ (wie Alexandra Kleihues die kursiv gesetzten Begriffe nennt) beschreibt Mrs. Ferwalter ihr Leben in Auschwitz, das nur durch die Fürsprache der Geliebten der Leiterin des Frauenlagers „Frau Gräser“ gerettet wird. Denn als Mrs. Ferwalter einer Dreizehnjährigen Suppe bringt und von einer „Kapo“ verraten wird, sagt Gräser: „Sie werden jetzt erschossen. Rief einen Posten herbei.“ Gemeint ist vermutlich Irma Grese, die 1945 von einem britischen Gericht zum Tode verurteilte Aufseherin der Lager Ravensbrück, Auschwitz-Birkenau und Bergen-Belsen, die als besonders brutal bekannt war. Mrs. Ferwalters Erinnerungen sind an die Zeugenaussage Magda Szabos vom 24. August 1964 im Frankfurter Auschwitzprozess angelehnt, die wie Mrs. Ferwalter in der Lagerküche arbeitete. [...]"

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