Ein großartiges Buch.
Es behandelt nicht die Geschichte der Bienen. Bienen haben keine Geschichte. Wenigstens keine Geschichte wie wir Menschen.
Schon eher behandelt es die Geschichte der Menschen, die mit Bienen zusammen leben.
Man sollte nun annehmen, der Roman führt an dem grotesken Bild vor, wie Menschen in die Bäume steigen, um von Hand mit Flederwischen das Werk der Bienen zu ersetzen: das ist Menschen nicht möglich. Und für die tausenderlei Kleinstmaschinen, die es brauchte, fehlen Energie und Spezialmaterialien. (Vorgeführt am rasanten Verbrauch seltener Erden durch Handys bei völlig unzulänglichem Recycling.)
Die Bienen sind ja gleichsam nur der Warnstreik, der zeigt, dass die Menschheit völlig außerstande ist, künstlich alle natürlichen Funktionen, die sie nach und nach zerstört zu ersetzen.
Das tut er auch.
Aber im Grunde handelt der Roman davon, dass wir Menschen einander nicht verstehen, oft nicht einmal uns selbst; und dass manche Menschen andere besser verstehen als diese sich selbst.
Manchmal sind es Psychologen, manchmal sehr empathische Menschen, des öfteren Schriftsteller, die helfen können, Wege zur Überwindung solcher Hemmungen auf dem Wege zum Selbstverständnis zu bahnen.
Diese etwas pathetischen Worte möchte ich voranstellen, um deutlich zu machen, dass der Roman nicht nur "einfach wunderschön" ist und einem "noch lange im Kopf herumsummen" wird, wie es die Verlagswerbung verkündet.
Entgegen meinem Eindruck auf den ersten Seiten ist es ein sehr lesenswerter Roman.
Nach erstem Einlesen durchaus eingängig, dabei durchaus nicht oberflächlich und - ganz nebenbei auch informativ über Bienen, Bienenhaltung und die Auswirkungen von Gewinnmaximierung auf unsere Umwelt, nicht nur durch Glyphosat und im Bereich des Insektensterbens.
Falsch liegt die Verlagsankündigung mit dem Satz "sobald man das Buch aufgeschlagen hat, weiß man, warum "Die Geschichte der Bienen" bereits in 30 Länder verkauft wurde und eine Verfilmung vorbereitet wird". Ich warne vor der Leseprobe, die den Roman unter Wert verkauft.
Für mein Empfinden trifft der NDR es besser.
Hier eine große Anzahl von Leserrezensionen, die zusammen genommen ein wohl zureichend differenziertes Bild ergeben.
Was die Aussage, der Schluss sei zu leicht vorherzusehen, betrifft, so habe ich auf S.300 natürlich auch eine Vermutung zum Ausgang der tao*-Handlung. Aber - aus meiner Sicht zum Glück - handelt es sich ja nicht um einen Kriminalroman, bei dem der Reiz in der Verrätselung liegt, außerdem bin ich durchaus noch an der Ausgestaltung dieses Schlusses interessiert, auch wenn für mich bisher die Zukunftshandlung am flachsten ausgeprägt erscheint. Das Bestäuben ist zwar ein verstörend-groteskes Bild am Anfang, aber es erschwert die Einfühlung in diese Zukunftswelt.
Was mir an der tao-Handlung reizvoll erscheint, ist die dominierende Rolle der Frau, die aber gleichzeitig aufgrund ihres "Geburtsrechtes" eine bevorzugte Beziehung zum Kind beansprucht (zumindest bis S.300).
*Eine Kurzerläuterung zu tao ist "ein ewiges Wirk- oder Schöpfungsprinzip, das für den Ursprung der Einheit und Dualität und damit für die Entstehung der Welt" (Wikipedia)
Nachdem ich das Buch zu Ende gelesen habe, habe ich den Eindruck, dass es doch die Geschichte des Menschen mit den Bienen erzählen will, nämlich, wie der Mensch die geschichtslose Natur dadurch, dass er sie seinen Zwecken nutzbar zu machen sucht, in seine eigene Geschichte hineinzieht und sie dadurch daran hindert, ihr "ewiges Wirk- oder Schöpfungsprinzip" für die Erhaltung seiner Art wirksam bleiben zu lassen.
Tao steht für die Autorin offenbar für die Hoffnung, dass trotz allen Zerstörungswerks der Menschen die Natur ihr Überleben sichern wird.
Wie so oft ist die positive Botschaft weniger eindrucksvoll als die negative.
Für mich bleibt der Hauptteil des Buches, nämlich dort wo es nicht primär zu belehren versucht, so hilfreich, dass ich es weiterhin empfehlen kann.
Advent Nr. 24: Bachs Weihnachtsoratorium
vor 22 Stunden
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen