24 Januar 2019

Michelle Obama: Becoming II

(zum ersten Teil der Besprechung)

Wie es nicht anders sein kann, die Autobiographie gliedert sich in zwei Teile: vor der Präsidentschaft Baracks und während der Präsidentschaft.
Während der erste Teil relativ authentisch wirkt, merkt man dem zweiten sehr stark die vielen Rücksichtnahmen an, die sie zu nehmen hatte und weiterhin zu nehmen hat.

Mir ist zunächst der Vergleich mit ihrem Beitrag zu Obamas Wahlkampagnen eingefallen: die Phase, wo sie vor allem versucht hat, deutlich zu machen, wer sie ist und weshalb es für Personen ihrer Herkunft wichtig ist, wenn jemand wie Barack Präsident wird
und die zweite, wo sie gemerkt hat, wie riskant das war.
Sie hatte dem Sinne nach immer wieder gesagt:
And let me tell you something, for the first time in my adult lifetime, I'm really proud of my country. Not just because Barack has done well, but because I think people are hungry for change. 
Kurz gesagt: Ich bin stolz auf mein Land, weil ich den Eindruck habe, dass die Leute einen Wechsel wollen. - Also, dass sie auf die Ankündigung "Yes, we can" regelrecht gewartet haben.
Plötzlich wurde das in der Presse verkürzt zu: "For the first time in my adult lifetime , I'm really proud of my country." (also: Ich bin erstmalig stolz auf mein Land.)
Und dann ausgelegt als: Michelle gehört auch zu den "angry black", zu den zornigen Schwarzen, die wegen ihrer Aggressivität den Weißen Angst einjagten.

Weil das für Baracks Kampagne gefährlich war, änderte sie danach ihr Wahlkampfverhalten, verzichtete möglichst auf impulsive Sätze und sprach - wie heute üblich - auch vom Teleprompter.

Mein Vergleich war: der erste Teil der Autobiographie ist weitgehend authentisch, der zweite wie vom Teleprompter abgelesen.
Dabei ist ja schon der erste Teil einer noch viel sorgfältigeren Prüfung unterworfen als damals die Texte vom Teleprompter. Denn sie hat jetzt darauf zu achten, dass sie ihren vielen Wahlkampfreden nicht widerspricht und die Erfahrungen von acht Jahren Präsidentschaft ihres Mannes mit zu berücksichtigen und ihr Bild in der Geschichte zu beeinflussen zu versuchen.

Der zweite Teil ist also doppelt weniger authentisch:
Erstens hat sie ihr Leben in ständiger Rücksicht auf "Was werden die Leute denken?" zu führen und es zweitens so wiederzugeben, dass dies Leben in der Blase (Weißes Haus und ständige Überwachung durch die Sicherheitskräfte) nicht zu sehr als Opfer erscheint, das sie ihrem Mann und ihrer beider Karriere gebracht hat.

Ihre Lösung: Sie stellt ganz darauf ab, dass sie ihre Hauptaufgabe darauf gesehen habe, ihre Kinder vor der Auswirkung des Blasendaseins zu schützen. Und weil das zu sehr nach "baby mom", auf `Deutsch Helikoptermutter, die nur um ihre Kinder kreist, klingen könnte, darauf, dass sie ihre Rolle als First Lady nicht nur dafür benutzt habe, ihre Kinder zu schützen, sondern dass sie versucht habe, die Vorteile, die ihre eigenen Kinder hatten, weil sie im Unterschied zu ihr in einem Elitenmilieu aufwuchsen, so weit wie möglich möglichst vielen Kindern zukommen zu lassen.

Zusätzlich ironisiert sie die Stellung von Präsident und First Lady durch die Bezeichnung PLOTUS und FLOTUS (President of the United States und First Lady of  the United States).

Das heißt nicht, dass sie die Tatsachen falsch darstellte, sondern dass sie vieles weglässt,  um ihre Privatheit, die ihres Mannes und besonders die ihrer Kinder, die je nach der Blase auch noch unter einer mangelnden Diskretion ihrer Mutter leiden könnten, zu schützen.

Kein Wunder, dass der zweite Teil relativ blutleer wirkt, zumal er - verständlicherweise - auch noch die Funktion der Danksagung an ihr großes Team der Helfer ausfüllt und klar stellen will, dass die lästige Einschränkung durch die Sicherheitsbeamten keinesfalls den Personen zuzuschreiben ist, sondern nur der von ihr selbst gewählten Rolle entspricht.
Dennoch enthält er sehr viel Informatives, dazu bei anderer Gelegenheit.

Hier nur noch Folgendes:
Ziemlich spät im zweiten Teil kommt sie auf die Szene zurück, wo Barack seine achtjährige älteste Tochter Malia fragte, ob sie damit einverstanden sei, wenn er als Präsident kandidiere. Natürlich konnte Malia nicht wissen, wozu sie da ja sagte, schreibt Michelle. Doch beeilt sie sich hinzuzufügen, dass Barack und sie selbst es auch nicht wussten.
Freilich wussten sie beide schon so viel über das politische Geschäft, dass Michelle sehr viele innere Widerstände überwinden musste, um sich dennoch auf die Kandidatur einzulassen

Mir scheint, dass gegenwärtig Barack Obama - wie vor ihm Bill Clinton - versucht, seine Frau bei der Verwirklichung ihrer Ziele zu unterstützen, indem er sich an ihrer Arbeit der Unterstützung und Förderung vom Schicksal weniger Bevorzugter beteiligt.

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