Wer die Nachtigall stört, 1960
Natürlich kannte ich schon lange den Titel, als ich das Buch in der nachgelassenen Bibliothek meiner Schwester fand. Aber selbst die Veröffentlichung der Erstfassung im Jahr 2015, bei der auf den ungewöhnlichen Erfolg des Buches hingewiesen wurde und darauf, dass Sensitivity Reader selbstverständlich unter heutigen Umständen die Verwendung des Wortes nigger/Neger verhindert hätten, nötigte mir nicht genügend Interesse ab, dass ich das Buch gekauft hätte.
Erst als ich aufgrund des Titels aufmerksam geworden, das Buch mit nach Hause genommen und angelesen hatte, fiel mir auf, wie ungewöhnlich leicht es - für ein Buch mit hoher literarischen Qualität - zu lesen ist.
Die Bestsellerqualitäten und eine fast kitschhafte Schwarz-weiß-Malerei werden unaufdringlich dadurch, dass aus der Perspektive eines Vorschulmädchens erzählt wird, das keine Weiblichkeitsrolle akzeptieren will und sein Ideal in der Durchsetzung gegen Aggression ansieht, so dass die nahezu übermenschliche Selbstbeherrschung des Protagonisten zunächst als Schwäche und gar nicht als Tugend angesehen wird.
Ein sehr erfolgreiches Kunstmittel in diesem sprachlich scheinbar kunstlosen, fast methaphernfreien Text.
Die Schwarz-Weiß-Zeichnung der Personen erinnert an Märchen. Märchenhaft ist auch der Schluss, der dem Leser trotz dem problematischen Ausgang der Handlung ein Happy End bietet.
Scout sagt dazu:
"Boo war unser Nachbar. Er hat uns zwei Seifenpuppen, eine kaputte Uhr mit Kette, zwei Glückspfennig, eine Medaille und unser Leben geschenkt.
Und die Gegengeschenke, die unter Nachbarn üblich sind? Nie hatten wir ihm als Dank für das, was wir nahmen, etwas gegeben. Nie hatten wir Gleiches mit Gleichem vergolten, und das macht mich traurig."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen