Dritter Väinämöinen-Zyklus
39. bis 43. Gesang: Väinämöinen, Ilmarinen und Lemminkäinen segeln nach Nordland, um den Sampo zu rauben. Auf der Reise tötet Väinämöinen einen riesigen Hecht und baut aus seinem Kiefer eine Kantele. Mit seinem Kantelespiel schläfert er die Nordländer ein. Väinämöinen und seine Gefährten fliehen mit dem Sampo. Nachdem sie erwacht ist, verwandelt sich Louhi in einen Riesenadler und macht sich mit ihrem Heer zur Verfolgung auf. Beim Kampf zerbricht der Sampo.
44. bis 49. Gesang: Louhi schickt Krankheiten und einen Bären nach Kalevala; sie versteckt die Sterne und raubt das Feuer. Väinämöinen und Ilmarinen erlangen die Sterne und das Feuer wieder zurück.
In einer anderen Übersetzung:
Nach Pohjola kommt die Kunde,
Nach dem kalten Dorf die Botschaft,
Daß Wäinölä sich erholet,
Kalewala sich befreiet
Von den angehexten Schäden,
Von den nie erhörten Übeln.
Louhi, sie, Pohjolas Wirtin,
Nordlands zähnearme Alte,
Ward darob gewaltig böse,
Redet Worte solcher Weise:
Kenne wohl noch andre Mittel,
Finde wohl noch andre Wege;
Treib' den Bären von der Heide,
Aus dem Wald den Tatzenträger
Auf den Reichtum von Wäinölä,
Auf die Herden Kalewalas.
Trieb den Bären von der Heide,
Trieb ihn von dem starren Lande
Auf die Fluren von Wäinölä,
Auf die Herden Kalewalas.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet selber diese Worte:
Bruder du, Schmied Ilmarinen,
Schmied' mir eine neue Lanze,[269]
Einen Speer mir mit drei Spitzen,
Mit dem Schaft aus gutem Kupfer!
Gern möcht' ich den Bären fangen,
Ihn, das Tier mit teurem Felle,
Daß er meine Hengste nimmer,
Niemals meine Stuten fresse,
Daß er nicht den Herden schade,
Nicht die Kühe niederstrecke.
Hämmert einen Speer der Schmieder,
Keinen langen, keinen kurzen,
Hämmert einen mittelgroßen:
Stand ein Wolf auf seiner Kante
Und ein Bär an seiner Spitze,
Auf dem Speerschuh lief ein Elen,
Auf dem Schafte rannt' ein Füllen,
An dem Knopfe stieß ein Renntier.
Hatte grade frisch geschneiet,
War gar zarter Schnee gefallen,
Gleich dem Herbstschaf weiß an Farbe,
Gleich dem Hasenfell im Winter;
Sprach der alte Wäinämöinen,
Redet selber diese Worte:
Mich ergreift die Lust zu gehen,
Hin nach Metsola zu ziehen,
In der Waldesjungfraun Nähe,
Zu dem Hof der blauen Mädchen.
Von den Männern geh' zum Walde,
Von den Helden ich zur Arbeit;
Nimm mich, Wald, zu deinem Manne,
Tapio, mich zu deinem Helden,
Hilf das Glück du mir gewinnen,
Mir des Waldes Zierde fällen![270]
Mielikki, des Waldes Wirtin,
Tellerwo, du Weib Tapios!
Binde fest doch deine Hunde,
Halt in Ordnung deine Bracken
In dem geißblattreichen Gange,
Unterm eichenen Gerüste!
Petzlein du, des Waldes Apfel,
Runder mit den Honigtatzen!
Hörest du, daß ich erscheine,
Daß zu dir der Brave schreitet,
Birg die Krallen in den Haaren,
Deine Zähne in dem Zahnfleisch,
Daß sie nimmer mich berühren,
Ganz und gar sich nicht bewegen!
Petzlein, du mein Vielgeliebter,
Schönster mit den Honigtatzen!
Leg' dich schlafen auf den Rasen,
Auf die wunderschönen Felsen,
Daß die Fichten oben schwanken,
Über dir die Tannen rauschen;
Wälze also dich, o Breitstirn,
Wende dich, o Honigtatze,
Wie das Haselhuhn im Neste,
Wie die Gänse, wenn sie brüten!
Hört der alte Wäinämöinen
Seinen Hund da munter bellen,
Hört den Welp gar heftig zanken
Auf dem Hof des Kleingeäugten,
Unterm Regendach der Plattnas'
Redet Worte solcher Weise:
Wähnte, daß ein Kuckuck riefe,
Daß ein liebes Vöglein sänge;
Hat kein Kuckuck jetzt gerufen,[271]
Nicht ein Vöglein lieb gesungen,
Ist mein Hund, der wohlbewährte,
Ist mein auserlesnes Tierchen,
An der Tür' von Breitstirns Stube,
Auf dem Hof des schönen Mannes.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Findet da den Bären liegen,
Stürzt ihm um das seidne Bette,
Stößt ihm um das goldne Lager,
Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören:
Jumala sei nun gepriesen,
Einzig sei gelobt, o Schöpfer,
Daß den Bären du mir gabest,
Mir des Waldes Gold verliehest!
Er betrachtete den Goldnen,
Redet Worte solcher Weise:
Petzlein, du mein Vielgeliebter,
Schönster mit der Honigtatze!
Sei umsonst nicht voller Ärger,
Hab' dich, Lieber, nicht gefället,
Selber sankst vom krummen Baume,
Glittst du von des Astes Kante,
Hast das Holzgewand zerrissen,
Deine Kleidung du aus Zweigen;
Schlüpfrig ist des Herbstes Wetter,
Seine Tage reich an Nebel!
Goldner Kuckuck du des Waldes,
Der das schöne Fell du schüttelst!
Lasse nun dein Haus der Kälte,
Deinen Wohnsitz du nun öde,
Laß dein Haus aus Birkenzweigen,
Deine Hütt' aus Weidenreisern,[272]
Geh, Berühmter, auf die Wandrung,
Waldes Zier, fang an zu schreiten,
Lauf auf deinen leichten Schuhen,
Blaugestrümpfter, eile vorwärts,
Fort aus diesen kleinen Räumen,
Von den gar zu engen Pfaden
Zu dem Haufen starker Helden,
Zu der großen Schar der Männer!
Nicht wird man dich schlecht behandeln,
Nicht wirst elend du dort leben,
Honig gibt man dort zu essen,
Frischen Met man dort zu trinken
Allen Fremden, die da kommen,
Allen, die dahin gelangen.
Geh hervor von dieser Stelle,
Aus dem kleinen, schlechten Neste
Unters Dach, das vielgerühmte,
In das schöne Wohngebäude;
Gleite vorwärts auf der Schneeflur
Wie im Teich die Wasserrosen,
Hüpfe über diese Zweige
Wie ein Eichhorn in den Ästen!
Wäinämöinen alt und wahrhaft,
Er, der ew'ge Zaubersprecher,
Schreitet spielend durch die Fluren,
Singend durch die Heidestrecken,
An der Seite seines Gastes
Mit dem weichbehaarten Felle;
Hörbar ward das Spiel zu Hause,
Ward der Sang bis zu der Wohnung.
Rief das Volk bald in der Stube,
Sprach die schöne Schar im Hause:
Höret dieses Schallen draußen,[273]
Hört die Töne aus dem Walde,
Hört des Tannenpapageis Sang,
Hört das Horn der Waldesjungfrau!
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Kommt nun selber nach dem Hofe.
Aus der Stube stürzt die Menge,
Redet so die Schar, die schöne:
Ist das Gold wohl angekommen,
Ist das Silber hergewandert,
Ist das teure Fell erschienen,
Schreitet auf dem Weg das Goldstück,
Gab der Wald den Honiglecker,
Seinen Luchs der Wirt des Haines,
Da ihr singend hier erscheinet,
Jubelnd auf den Schneeschuhn laufet?
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet Worte solcher Weise:
Einen Otter fing zur Kunde,
Gottes Gabe ich zum Liede,
Deshalb komm' ich hieher singend,
Jubelnd deshalb auf den Schneeschuhn.
Aber nein, es ist kein Otter,
Ist kein Otter, auch ein Luchs nicht;
Der da kommt, ist der Berühmte,
Ist des Waldes Zier, die schreitet,
Er, der Alte, der heranzieht,
Der im Pelzrock hier erscheinet.
Ist der Fremde euch erwünschet,
Öffnet weit ihm alle Pforten.
Scheint der Fremde unwillkommen,
Schlagt sie zu, bevor er eintritt.(46. Gesang)
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