Alma M-W (*1879) verbindet - wie sicher auch schon in der englischen Fassung - Tagebuchaufzeichnungen und Empfindungen aus der Abfassungszeit ihres "Lebensberichts". In der deutschen Fassung unterstützt von Willy Haas und in Kenntnis der Reaktionen auf die erste Fassung. Da sie Daten und Vorgänge und recht allgemein erfasst, darf man annehmen, dass Zuckmayer, Thomas Mann und andere zu Recht fehlende Übereinstimmung zwischen Darstellung und historischer Wirklichkeit kritisieren. Aber sie täuscht auch nicht vor, wie man es in zu einer stimmigen Erzählung (heute sagt man dazu Narrativ) umgestalteten Berichten automatisch tut, dass sie die historischen Vorgänge schildere. Der Vorzug ist, dass ihre Darstellung authentischer als ihre Sicht wirkt. Als Leser wünscht man freilich des öfteren, man könnte Originaltagebuchtexte und damit verwobene Deutungen aus ihrer Schreibgegenwart unterscheiden.
Ihr Verhältnis zu Mahler (*1860) fasst sie einmal so: "Von dem Moment des Verliebtseins nämlich hatte er sehr den Ton gewechselt, der - vorher der eines verehrungsvoll Liebenden - nun plötzlich der eines Mentors geworden war. In gleichem Maße aber verlor ich meine anfänglich bedingungslose Gläubigkeit." (S.32)
Manche Formulierungen sprechen von Liebe, andere von den Zumutungen, die sie erlebt. (Zwar ist es naheliegend, dass die Liebesbeteuerungen eher dem Tagebuch entstammen, die anderen späterer Sicht; aber natürlich wird die Sicht auf ihr Verhältnis zu Mahler schon vorher ambivalent gewesen sein.)
Zitate:
zu Klimt:
Im April 1897 wurde in Wien die revolutionäre „Vereinigung bildender Künstler Österreichs“ (Sezession) gegründet. Sie forderte die Freiheit für Kunst und Künstler von staatlicher Einmischung. Der Maler Gustav Klimt wurde zum Präsidenten gewählt und ging nun fast täglich bei seinem Kollegen Carl Moll, der als Vizepräsident amtierte, ein und aus. Alma wuchs unter privilegierten Bedingungen auf, viele Künstler verkehrten im Hause, auch Künstler wie Joseph Maria Olbrich, Josef Hoffmann und Koloman Moser verkehrten im Haus. Alma durfte bereits als Halbwüchsige an den gemeinsamen Abendessen teilnehmen und genoss als heranwachsende Schönheit erstmals die Aufmerksamkeit berühmter Männer.
Bei diesen häufigen Zusammenkünften wurde Klimt auf Molls 17-jährige Stieftochter Alma aufmerksam und fand Gefallen an dem bildhübschen und intelligenten Mädchen. Alma fühlte sich ihrerseits angezogen von dem berühmten Maler, der als Satyr und Frauenverführer berüchtigt war, und verliebte sich in ihn.
In Almas Tagebuch entwickelt sich die romantischen Schwärmerei zu einer ersten sexuellen Erfahrung: »Gustav Klimt war als die erste große Liebe in mein Leben gekommen, aber ich war ein ahnungsloses Kind gewesen, ertrunken in Musik und weltfern dem Leben. Je mehr ich an dieser Liebe litt, desto mehr versank ich in meiner eigenen Musik, und so wurde mein Unglück zur Quelle meiner größten Seligkeiten.«
http://www.alma-mahler.com/deutsch/almas_life/klimt.html
zu Zemlinsky:
Meine wilde Komponiererei wurde durch Alexander von Zemlinsky, der mein Talent sofort erkannt hatte, in ernste Bahnen gelenkt. Ich komponierte von einem Tag zum anderen vielseitige Sonatensätze, lebte nur meiner Arbeit und hatte mich plötzlich von allem gesellschaftlichen Treiben zurückgezogen. Und niemand konnte sich mein Verhalten erklären.
zu Mahler:
Doch ich lernte Gustav Mahler kennen, und meine Lehrjahre nahmen ein abruptes Ende, um einer anderen, schweren und bestimmenden Aufgabe zu weichen." (S.30)
"Gustav Mahler forderte brieflich sofortiges Aufgeben meiner Musik, ich müsse nur der seinen leben." (S.31)
"Ich rannte die ganze Nacht in meinem Zimmer auf und ab. Meine Mutter hörte mich, kam in mein Zimmer und forderte mich allen Ernstes auf, Gustav Mahler zu verlassen. Sie kannte ja mein Dasein und wusste, dass ich von meinem achtzehnten Lebensjahr an nur der Musik gelebt hatte." (S.31)
Die Forderung Gustav Mahlers "reizte mich bis an die Grenze des Ertragbaren." (S.31) Aber sie beschließt trotzdem, ihr zu folgen.
"Übrigens: ich hatte Gustav Mahler niemals eine Note meiner Musik gezeigt. Wir heirateten am 9. März 1902 [Alma 22 J.] in der Karlskirche in Wien." (S.31)
Offenbar wieder Tagebuchnotiz: Gestern war Gustav Mahler glücklich durch die Seelenruhe, die ich ihm gegeben habe. [...] Und ich habe nun ein Ziel: mein Glück für das eines anderen zu opfern und vielleicht dadurch selber glücklich zu werden." (S.31) [Idealtypisch die Frauenrolle der bürgerlichen Frau im 19. Jahrhundert. Eine Rolle, die sie nicht beibehalten wird.]
Mahlers Tod 18.5.1911
zu Kokoschka, den sie 1912 kennenlernt [in auffallender Parallelität zu Mahler, wenn auch in anderen Rollen]:
"[...] Oskar Kokoschka (*1886) hatte mein Leben erfüllt und zerstört, zu gleicher Zeit.
'Ja', sagte Baron Dirzstay, 'alles ist wahr, leider, aber eines bezeuge ich bei allem, was mir heilig ist: wenn Ihr Name genannt wird, wird er ein anderer. Da kommt alles, was gut und edel an ihm ist, heraus. Sie sind sein Ideal und alles andere verblasst daneben.'
Ich freute mich nun doch, dass diese Jahre also nicht umsonst durchlitten waren und dass mein großes Opfer an Nerven und Gesundheit wenigstens eines zur Folge hatte: dass Oskar Kokoschka weiß, wo das Gute in der Welt ist. (S. 129) [Alma ist auffallend 'bescheiden'.]
Kokoschka ließ sich nach seinen Angaben eine Alma-Puppe basteln (Webseite über die Puppe und Kokoschkas Bilder von ihr)
zu Walter Gropius:
"1910 lernte er Alma Mahler, die Frau des Komponisten Gustav Mahler, kennen und begann eine außereheliche Beziehung mit ihr. 1915 – vier Jahre nach Gustav Mahlers Tod – heirateten sie. Ihrer gemeinsamen Tochter Manon (1916–1935) wurde nach ihrem frühen Tod durch Alban Bergs Violinkonzert Dem Andenken eines Engels ein musikalisches, durch Franz Werfel ein literarisches Denkmal gesetzt. Die Ehe wurde 1920 geschieden." (Wikipedia)
"Ich war ihm für immer verloren und ohne jede Schuld von seiner Seite. Mit meinem Bewusstsein, dass er, Gropius, das Nobelste, Edelste in meinem Leben war." (S. 132)
"Warum war diese Ehe mit Walter Gropius nicht gegangen? Er ist ein schöner Mensch, in jedem Sinne, ein hochbegabter Künstler meiner Art, meines Blutes (wir hatten sogar entfernte gemeinsame Verwandte in Hamburg). Er hatte mir doch so gefallen… Ich war verliebt in ihn… hatte ihn sehr geliebt… Es war vielleicht die Herrin Musik, die nicht sein Element war und die uns trennte! Allerdings auch seine Aufgabe interessierte mich nicht genug, und ich hatte zu wenig Interesse für seine architektonisch-menschlichen Ziele." (S. 132/133)
"Rainer Maria Rilke sagt: 'Ruhm ist die Summe von Missverständnissen, die sich um einen Namen sammeln.'
Es ist bei Werfel so, bei Mahler, bei Puccini, bei Schönberg.
Diese Sentenz stimmt immer." (S. 149)
1922 - Wien
"Im Sommer habe ich mir ein Haus in Venedig gekauft. [...] Die Menschen gehen wie Schatten durch mein Dasein. Manche gehen wir plötzlich verloren…" (S. 157)
zu Franz Werfel:
1918 brachte Alma, noch während ihrer Ehe mit Walter Gropius, Werfels mutmaßlichen Sohn Martin Carl Johannes zur Welt, der 1919 starb. Am 7. August 1929 heirateten Werfel und Alma Mahler, die 1920 von Gropius geschieden worden war. Friedrich Torberg beschrieb sie in Die Erben der Tante Jolesch als „Frau von gewaltigem Kunstverstand und Kunstinstinkt. Wenn sie von jemandes Talent überzeugt war, ließ sie für dessen Inhaber – mit einer oft an Brutalität grenzenden Energie – gar keinen anderen Weg mehr offen als den der Erfüllung.“[2] (Wikipedia)
* Wikipedia zu Schuschnigg: "Schuschnigg versuchte noch eine Volksbefragung über die Unabhängigkeit Österreichs abzuhalten, welche selbst von den illegalen Sozialdemokraten und Kommunisten unterstützt worden wäre. Im ursprünglichen Konzept war noch von einer Volksabstimmung die Rede. Eine solche wäre aber aufgrund Artikel 65 verfassungswidrig gewesen, da sie nur für den Fall eines Konflikts der Regierung mit dem Bundespräsidenten oder der Gesetzgebung vorgesehen war. Innenminister Seyß-Inquart und Minister Edmund Glaise-Horstenau erklärten ihrem Bundeskanzler unverzüglich, dass die Abstimmung in dieser Form verfassungswidrig sei. Gemäß der Verfassung bestimmte der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik, daher durfte er auch eine Volksbefragung über diese Richtlinien abhalten, und dazu war kein Gesetz notwendig. In der Parole wäre ein „Ja“ „keine Änderung“, sondern nur eine „Bekräftigung“ der Verfassung enthalten, und dazu bedurfte es keines Ministerratsbeschlusses. Überdies weilte der Minister Glaise-Horstenau in diesen Tagen auf einer Vortragsreise in Deutschland; der Ministerrat wäre somit nicht vollzählig gewesen.[17]
In einer Rede am 9. März 1938 in Innsbruck kündigte Schuschnigg während einer Massenversammlung der Vaterländischen Front die Volksbefragung für Sonntag, 13. März 1938 an.[18] Dieser Überraschungscoup war administrativ nicht vorbereitet.
Die Frage sollte lauten, ob das Volk ein „freies und deutsches, unabhängiges und soziales, ein christliches und einiges Österreich“ wolle oder nicht. Schuschnigg unterließ es, dazu das Kabinett zu befragen, da es sich nicht um eine Volksabstimmung, sondern um eine Volksbefragung handelte. Die Stimmauszählung sollte allein von der Vaterländischen Front vorgenommen werden. Die Angehörigen des Öffentlichen Dienstes sollten am Tage vor der Wahl in ihren Abteilungen geschlossen unter Aufsicht zur Wahl gehen und ihre ausgefüllten Wahlzettel ihren Vorgesetzten offen übergeben. Von der Absicht, dass in den Wahllokalen nur Stimmzettel mit dem Aufdruck „JA“ ausgegeben werden sollten, war Abstand genommen worden.[17]
Ob das Plebiszit nun eine „Flucht nach vorn“ des österreichischen Kanzlers war[19] oder ein „schwerer Fehler“,[20] Hitler änderte seine Strategie und ging nun daran, sein Ziel sofort zu erreichen: Er befahl die Mobilmachung der für den Einmarsch vorgesehenen 8. Armee und wies Seyß-Inquart am 10. März an, ein Ultimatum zu stellen und die österreichischen Parteianhänger zu mobilisieren.
Hitler befürchtete offenbar, die Abstimmung könnte eine Mehrheit gegen den „Anschluss“ erbringen. Unter dem Druck Berlins musste Schuschnigg am 10. März die Volksbefragung absagen. Am 11. März, als die österreichischen Nationalsozialisten bereits vielerorts die Macht übernahmen und deutsche Polizeiexperten per Flugzeug in Wien eintrafen, wurde Schuschnigg zum Rücktritt gezwungen.[21]"
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