26 August 2025

Thomas Mann: Königliche Hoheit

 Wenn man die Namenswahl, Titel und Berufsbezeichnungen der handelnden Personen in diesem Großherzogtum von 8000 km² und 1 Mill. Einwohnern betrachtet: Hauptmann Lichterloh,  Graf Schmettern, Doktorin Gnadebusch, die Hebamme, den Hofprediger Oberkirchenratspräsident D.W. so fühlt man sogleich die ironische Distanz des Erzählers. Man könnte an eine Satire denken. 

Das ist es nicht. Doch die "unrentable" Eisenbahn, die Zerstörung der Finanzkraft des Landes durch Umweltzerstörung, die Kritik an der Torheit von falschen Schulzuweisungen, all das ist ernst gemeint. Dennoch dieser ironische Abstand von der  Wilheminischen Ära, mit dem diesem an zweiter Stelle Thronberechtigten, der äußerlich sehr deutlich Wilhelm II.  nachgebildet ist, aber in seiner seelischen Situation ein wenig verfremdetes Bild des damaligen Verfassers Thomas Mann ist (zweiter Sohn und zunächst weit hinter seinem Bruder Heinrich zurückstehend). 

Die märchenhafte Begegnung dieses Erben, der unter Verpflichtungen der Tradition leidet wie Hanno Buddenbrook (und Thomas Mann), mit der Erbin eines Superreichtums entfernt sich dann vom satirischen Einschlag und ähnelt sehr dem, was Thomas Mann sehr bewusst angesteuert hat, um ganz seiner Bestimmung als Schriftsteller zu leben, ohne wie Oscar Wilde die Ächtung durch die Gesellschaft fürchten zu müssen (dennoch hat er nie ein Outing für möglich gehalten, wie sein ältester Sohn es ihm vorlebte).

Er wählte ein "strenges Glück" (die letzten Worte des Buches). 

Schon vor seiner Hochzeit (Königliche Hoheit erschien erst 1907, nach der Geburt seines 3. Kindes) wählt er in einem Brief an seinen Bruder Heinrich diese Verknüpfung, wenn auch nicht in dieser einem Oxymoron ähnlichen Verkürzung:

"Es geht ihm einmal darum, den Bruder zu versichern, dass er 'das nicht ganz simple Problem unseres Verhältnisses' nicht vergessen habe und dass er nicht nur an das eigene Glück denke; in der Hauptsache, aber wolle er erklären, dass das neue Leben nicht so ganz dem Schlaraffenland, das Heinrich so geschmäht hatte, entspreche. Was war schließlich Glück? 'Nie habe ich das Glück für etwas Leichtes und Heiteres gehalten, sondern stets für etwas so Ernstes, Schweres und Strenges wie das Leben selbst… Ich habe es mir nicht 'gewonnen', es ist mir nicht 'zugefallen'.Ich habe mich ihm unterzogen: aus einer Art Pflichtgefühl, einer Art von Moral, einem mir eingeborenen Imperativ… Das 'Glück' ist ein Dienst…  ich betone das nicht, weil ich irgendwas wie Neid bei dir voraussetze, sondern weil ich argwöhne, dass du im Gegenteil sogar mit Geringschätzung auf mein Neues Sein und Wesen blickst. Tu das nicht. Ich habe es mir nicht leichter gemacht. Das Glück, mein Glück ist zu in zu hohen Maße ist in zu hohem Grade Erlebnis, Bewegung, Erkenntnis, Qual, es ist zu wenig dem Frieden und zu nahe dem Leiden verwandt, als dass es meinem Künstlertum dauernd gefährlich werden könnte… Das Leben, das Leben! Es bleibt eine Drangsal, und so wird es mich denn wohl auch mit der Zeit zu ein paar guten Büchern veranlassen." (zitiert nach: Donald Prater: Thomas Mann, 1995, S.95)

Die Strenge des Hofzeremoniells, die Klaus Heinrich erlebt, erfährt Thomas erst, als er in die Sphäre der finanziellen und gesellschaftlichen Elite eintritt und sich dort behaupten muss, um zu rechtfertigen, dass er die hochbegabte Mathematikerin von einer Promotion fernhalten will, um sie zu seiner Gattin und folglich zur Hausfrau (später "selbsternannte" "Frau Thomas Mann") zu machen. Aus Pflichtgefühl seiner Begabung und seiner seelischen Empfindsamkeit, die ihm ein Künstlerleben und Werk zur moralischen Pflicht macht.

Wer schon vor dem 1. Weltkrieg an der Wilhelminischen Gesellschaft das kritisierte, was seit der Coronazeit Kritiker dem vereinigten Deutschland nachsagten, hat trotzdem während des Weltkriegs die Abfassung der Betrachtungen eines Unpolitischen für seine moralische Pflicht gehalten, die ihn für geraume Zeit von seinem Bruder, dem von ihm so bezeichneten "Zivilisationsliteraten", entfremden sollte. 

Geschichte der arabischen Welt

  Geschichte der arabischen Welt hrsg. Ulrich Haarmann, 1987

Inhaltsverzeichnis

Einleitung (Ulrich Haarmann) 9

I. Früher Islam (Albrecht Noth) 11 

1. Die Higra (Hedschra)

a) Stamm (Quraisch) und Clan 12 

b) Ein Prophet im Stamm 17 

c) Ächtung Muhammads und die Gründung eines islamischen „Stammes" 28 (https://de.wikipedia.org/wiki/Mohammed#Mohammeds_erste_Anh%C3%A4nger)

d) Islamische Neuerungen 41 

2. Die arabisch-islamische Expansion 58

3. Herrscher und „Untertanen" 73

a) Legitimationsfragen 73

b) Zur realen Macht frühislamischer Kalifen 80

"Verloren gegangen war, mit dem Tode des Propheten der muslimischen umma (und damit auch ihren Repräsentanten), jedoch ein ganz entscheidendes Stück Handlungsspielraum: die Möglichkeit, auf neue Situationen in konsensfähiger Form zu reagieren. Dieses Problem hatte zu Lebzeiten des Propheten deswegen nicht bestanden, weil seine Entscheidungen bei neu auftretenden Fragen aufgrund seiner prophetischen Autorität allgemein akzeptiert wurden, auch dann, wenn sie nicht in Form einer koranischen Offenbarung 'herabkamen', sondern 'nur' Anordnungen Mohammad waren. Solche nicht – koranischen Entscheidungen des Propheten aber dürften die alltägliche Lebens- und Handlungs-Praxis der medinensischen umma – erwähnt seien nur so wichtige Bereiche wie die detaillierte Gestaltung des Kultus, Kriegsführung, Bündnisse, Abgaben – in ganz erheblich höhere Maße bestimmt haben als die Offenbarung des Koran, der zwar mancherlei rechtliche Regelungen enthält, aber die Funktion eines umfassenden Gesetzbuches weder erfüllen sollten noch konnte. Die Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen, die sich nicht oder nur entfernt auf göttliche Offenbarung berufen konnten, schon zu Lebtzeiten des Propheten eine wesentliche Komponente in der Führung der umma, nahm nun nach seinem Tode zunehmend größere Ausmaße und dringlichere Formen an." (S.81) 

c) Charakteristika innermuslimischer Auseinandersetzungen 97

II. Das Kalifat der Abbasiden (Tilman Nagel) 101

1. Der abbasidische Umsturz 101

2. Erfolge und Mißerfolge bei der inneren Konsolidierung .. . 110

3. Das Militär 118

4. Das Reich in der Krise 120

5. Die Inquisition 127

6. Das Söldnertum 130

7. Die Zerrüttung der Wirtschaft und der Finanzen 133

8. Bagdad und die Kultur des Islams 136

9. Das Großemirat 141

10. Die Entstehung des Sultanats 146

11. Kalif und Sultan 153

12. Die Selbstbehauptung des Kalifats 157

13. Das Ende 164

III. Die Fatimiden (Heinz Halm) 166

1. Das fatimidische Gegenkalifat in Nordafrika 166

2. Die Fatimiden in Ägypten und Syrien 170

3. Der Kalif al-Hakim und die Anfänge des Drusentums 175

4. Das elfte Jahrhundert: Ägypten als Großmacht 183

5. Ägypten und der erste Kreuzzug 191

6. Ägypten als fränkisches Protektorat 195

IV. Die Ayyubiden (Heinz Halm) 200

1. Saladin und der Ǧihād 200

2. Das Ayyubidenreich - ein dynastischer Herrschaftsverband 205

3. Austausch mit Europa 211

V. Der arabische Osten im späten Mittelalter 1250-1517 (Ulrich Haarmann) 217

1. Das Herrschaftssystem der Mamluken 217

a) „Der Segen des Sklaventums" 217

b) Die historischen Wurzeln des Mamlukensultanats (bis 1260) 218

c) Die mamlukische Militäraristokratie 222

d) Die hohen Reichsämter 228

"Die Söhne verstorbener Sultane wurden nach 1412 nur noch interimistisch auf den Thron gesetzt und dort solange geduldet, bis sich die Großemire auf einen ihnen passenden Kandidaten aus den eigenen Reihen als effektiven Nachfolger hatten einigen können. Von einem Herrschaftsanspruch, auch einem partiellen, der Sultansnachkommen konnte am Ende des 15. Jahrhunderts überhaupt keine Rede mehr sein." (S. 229)

e) Das mamlukische Militärbenefizium 233

2. Ägypten, Syrien und Arabien im politischen Wandel (1260-1517) 236

3. Gelehrte und Despoten - Städtisches Leben im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert 252

4. Der Irak zwischen Mongolen und Safawiden 257

VI. Der Maghreb und die Pyrenäenhalbinsel bis zum Ausgang des Mittelalters (Hans-Rudolf Singer) 264

1. Die Eroberung des Maghreb und der Pyrenäenhalbinsel . . . 264

2. Der Beginn der Staatlichkeit 266

a) Al-Andalus: Gouverneure und Gründung des Emirats von Cordoba 266

b) Der Maghreb: Idrisiden, Rustamiden und Aglabiden 268

3. Emirat und Kalifat von Córdoba 275

4. Der Kampf der Kalifate um den Maghreb 283

a) Marokko als Glacis 283

b) Die Ziriden 286

c) Die Hammadiden und die Verselbständigung des zentralen Maghreb 288

5. Die Zeit der Bürgerkriege und Kleinkönige 290

6. Die großen Berberreiche 295

a) Die Almoraviden 295

b) Die zweite Fitna in al-Andalus 298 [Fitna]

c) Die Almohaden 299

7. Die Erben der Almohaden 306

a) Die Meriniden 308

b) Die 'Abdalwadiden (1235—1554) 312

c) Die Hafsiden 314

d) Die dritte Fitna in al-Andalus- Die Nasriden von Granada 317 [Fitna]

e) Das Ende des Islams in al-Andalus 321

VII. Der arabische Osten unter osmanischer Herrschaft 1517-1800 (Barbara Kellner-Heinkele) 323

1. Vorbemerkungen 323

2. Ägypten und die Anrainer des Roten Meeres 325

3. Der Fruchtbare Halbmond 344

a) Die syrischen Provinzen (Biläd as-Säm) 346

b) Die irakischen Provinzen 359

VIII. Der arabische Osten im neunzehnten Jahrhundert 1800-1914 (Alexander Schölch) 365

1. Vorbemerkungen 365

2. Aufbruch zur Selbstbehauptung 367

3. In der Euphorie des Fortschritts 387

4. Ernüchterung und Neuorientierung 417

IX. Der arabische Osten im zwanzigsten Jahrhundert 1914-1985 (Helmut Mejcher) 432

1. Vorbemerkungen 432

2. Das „heroische" Zeitalter der Arabischen Bewegung. Freiheitskampf, politische Neuordnung und europäische Dominanz 435

a) Die Region des Fruchtbaren Halbmonds 436

b) Die Arabische Halbinsel 450

c) Das Niltal 460

3. Die Ära der Massenbewegungen und Ideologien 1930-1966. Gesellschaft und Herrschaft im Umbruch 469

a) Weltwirtschaftskrise und Zweiter Weltkrieg: Ökonomische und soziale Auswirkungen im regionalen Maßstab 469

b) Veränderungen in den politischen Systemen und die neue Dynamik in den zwischenarabischen Beziehungen bis zur Revolution in Ägypten 475

c) Die arabische Bewegung zwischen Nasserismus und Baathismus 482

4. Die Regie der Technokraten. Aktuelle Entwicklungen der siebziger und achtziger Jahre in historischer Perspektive... 485

a) Arabische Politik unter dem Primat der Ölmacht und der Ökonomie 486

b) Konfliktfelder und Kriege im Wandel inter-arabischer Beziehungen und internationaler Politik 491

c) Die Krisis der politischen Kultur und neue Horizonte 497

"Nicht zuletzt aufgrund vermehrter sowjetischer, französischer und ägyptischer Rüstungslieferungen an den Irak verwandelte sich der Krieg jetzt in einem Gleichgewicht Stellungskrieg. Der damit einhergehende Verschleiß, der ehemals vor allem für die Golfländer so bedrohlichen irredentistischen Ideologien hat vermutlich nicht nur nahöstliche Metropolen mit Genugtuung erfüllt. In diese erste Phase fiel schließlich auch die Zerstörung des irakischen Nuklearreaktors durch die israelische Luftwaffe am 7. Juni 1981. (S.496). 

"Es gehört zur Schicksalstragödie des arabischen Nahen Osten, dass der im 19. Jahrhundert begonnene Aufbruch zur Selbstbehauptung auf der Grundlage einer Synthese zwischen Islam und westlichem Positivismus und Säkularismus keine etwa mit der Lebensweise und Staatskunst klassischer arabisch-islamischer Epochen vergleichbare gefestigte politische Kultur hervorgebracht hat. Die Prozesse der Staats- und Nationenbildung sowie eines forcierten, häufig von revolutionären Erschütterungen begleiteten sozialen Wandels wurden der Region unter abendländischer Ägide und unter dem Druck des Weltmarkts auferlegt." 

"Der Libanon war stets ein Mikrokosmos der größeren arabisch-islamischen Umwelt. Hier konnten die Defizite politischer Freiheiten in anderen arabischen Staaten kompensiert, bzw. deren Rivalitäten untereinander in der vielfältigen Presse ausgetragen werden. So wie Stabilität und Krisis als auch der philosophische und der politische Diskurs im Libanon meist eine Barometerfunktion für die Gesamtregion hatten, so sind im gegenwärtigen libanesischen Krieg. Alle inner-arabischen und inner-kulturellen Gegensätze, möglicherweise zum letzten selbst zerstörerische Gefecht angetreten. Auf der anderen Seite bietet die besondere Problematik des Libanon nicht zuletzt unter dem Einfluss des Ostkonflikts keine absolute Gewähr dafür, dass Vorgänge und Veränderungen im libanesischen Mikrokosmos einen Erklärungswert im nahöstlichen Maßstab haben." (S. 498)

X. Nordafrika in der Neuzeit (Peter von Sivers) 502

1. Der Aufstieg Iberiens zur Führungsrolle in der christlichen Zivilisation (1300-1500) 502 

2. Der osmanisch-iberische Kampf um die Vorherrschaft in Nordafrika (1500-1600) 505

3. Nordafrika als autonome Region (1600-1800) 520

4. Die europäische Ausdehnung nach Nordafrika(1800-1900). 531

5. Urbanisierung und Nationalismus (1900-1950) 560

6. Der unabhängige Maghreb (1950-1985) 576

24 August 2025

Richard D. Precht: Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? Eine philosophische Reise ist ein im Jahr 2007

 Richard D. Precht: Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? Eine philosophische Reise,  2007 

"Das Buch ist in drei Hauptfragen gegliedert, unter denen insgesamt 34 Kapitel ausgeführt werden.

  • Der Frage Was kann ich wissen? sind neun Kapitel gewidmet (von Was ist Wahrheit? bis Was ist Sprache?).
  • Die Frage Was soll ich tun? wird in 16 Kapiteln behandelt (von Brauchen wir andere Menschen? bis Was darf die Hirnforschung?).
  • Der Frage Was darf ich hoffen? wird in neun Kapiteln nachgegangen (von Gibt es Gott? bis Hat das Leben einen Sinn?).

Auftakt der einzelnen Kapitel sind oft biographische Hinweise und Kuriositäten zu den Philosophen und Forschern, mit deren Lehren oder Theorien sich Precht im Folgenden auseinandersetzt." (Wikipedia)

Charles Darwin: Interesse für Biologie in Cambridge über William Paleys Natürliche Philosophie geweckt. (Gott als Uhrmacher als Beweis für intelligentes Design) (S.288ff.)

22 August 2025

Miloslav Stingl : Die Inkas

 Miloslav Stingl : Die Inkas

Geschichte Perus

Wikipedia: "[...] Möglicherweise bereits um 40.000 v. Chr. wanderten über die damals trockene Beringstraße Menschen vom asiatischen Kontinent ein und besiedelten den amerikanischen Kontinent. Die Einwanderung in Südamerika erfolgte demnach etwa 20.000 bis 10.000 v. Chr. Jedenfalls stammen aus diesem Zeitraum die Höhlenmalereien in der Gegend um die Stadt Ayacucho und den Lauricocha-Höhlen an der Quelle des Rio Marañón, die 1957 gefunden wurden.

Die ältesten bisher bekannten Monumentalbauten der Norte-Chico-Kultur stammen aus der Zeit um 3200 v. Chr.[4] Stufenförmige Pyramiden, Prozessionsstraßen und riesige eingefasste Höfe fanden sich in Sechín Bajo im Casmatal, 370 Kilometer nördlich der Hauptstadt Lima.[5] Die 1992 entdeckte Fundstätte wird seit 2003 von deutschen Archäologen ausgegraben. Als gesichert gilt, dass die Kultur Mais, Erdnüsse, Maniok und Kürbisse anpflanzte und künstliche Bewässerung kannte.[...]"

"Die keramischen Schöpfungen der Nazca sind stets unglaublich reich mit Materialmalereien geschmückt. Als ob die Nazca-Töpfer von einer geradezu panischen Angst besessen gewesen wären, nur ja keine Stelle des Gefäßes unbemalt zu lassen. Die Malereien sind von zweierlei Art. Es gibt realistische und mythologische. Die realistischen stellen zumeist verschiedene stilisierte Bilder von Pflanzen und Feldfrüchten dar [...] Besonders häufig haben die dortigen Töpferkünstler einen Musikanten dargestellt, den die Archäologen mitunter scherzhaft den Orchestermenschen oder die Ein-Mann-Kapelle nennen. Dieser sitzende musikalische Alleskönner, der auf so vielen Gefäßen der Nazca zu sehen ist, bläst mit dem Mund auf einer Panflöte und mit dem Ohr (!) auf einer großen Trompete, die er in der einen Hand hält, in der anderen Hand schwingt er eine aus einem Kürbis [S.105/106] gefertigte Rassel, und auf seinen Beinen liegt eine Trommel, die dieser fantastische Musikant mit dem einzigen Körperteil schlägt, das noch übrig geblieben ist – mit seinem steifen männlichen Glied.
Neben diesen realistischen, manchmal wirklich entzückenden Motiven auf der Nazca-Keramik sind die Gefäße dieser südperuanischen Indianer, auch mit unvergleichlich komplizierten Malereien verziert, die die Hauptgestalten ihrer religiösen Vorstellungswelt darstellen: mit Bildern jener 'Sphinxe', halb tierischer, halb menschlicher Dämonen, und mit Bildern jener katzenartigen Hauptgottheit, die manchmal ein maskenhaftes Menschengesicht und mitunter sogar eine Art Bart trägt." (S.104/06)

"Die Nazca-Linien, oft auch Nasca-Linien geschrieben, sind über 1500 riesige, nur aus der Luft und von umliegenden Hügeln aus sicht- und erkennbare Scharrbilder (Geoglyphen) in der Wüste bei Nazca und Palpa in Peru. Benannt sind die Linien, die Wüste und die Kultur nach der unweit der Ebene liegenden Stadt Nazca. Als Urheber der Linien gelten die Paracas-Kultur und die Nazca-Kultur. Die Nazca-Ebene zeigt auf einer Fläche von 500 km² schnurgerade, bis zu 20 km lange Linien, Dreiecke und trapezförmige Flächen sowie Figuren mit einer Größe von etwa zehn bis mehreren hundert Metern, z. B. Abbilder von Menschen, Affen, Vögeln und Walen. Oft sind die figurbildenden Linien nur wenige Zentimeter tief. Durch die enorme Größe sind sie nur aus großer Entfernung zu erkennen, von den Hügeln in der Umgebung oder aus Flugzeugen.[1]

Eine systematische Erkundung und Vermessung zusammen mit archäologischen Grabungen zwischen 2004 und 2009 im Umfeld und zum Teil in den Linien konnte ihre Entstehung und ihren Zweck mit hoher Wahrscheinlichkeit klären: Es handelt sich demnach um Gestaltungen im Rahmen von Fruchtbarkeitsritualen, die zwischen 800 v. Chr. und 600 n. Chr. angelegt und durch periodische Klimaschwankungen veranlasst wurden.[2][3]"

Stingl (S.119-126)


Maria Reiche (Erforscherin der Nazca-Linien)

Geschichte Perus

Wikipedia: "[...] Möglicherweise bereits um 40.000 v. Chr. wanderten über die damals trockene Beringstraße Menschen vom asiatischen Kontinent ein und besiedelten den amerikanischen Kontinent. Die Einwanderung in Südamerika erfolgte demnach etwa 20.000 bis 10.000 v. Chr. Jedenfalls stammen aus diesem Zeitraum die Höhlenmalereien in der Gegend um die Stadt Ayacucho und den Lauricocha-Höhlen an der Quelle des Rio Marañón, die 1957 gefunden wurden.

Die ältesten bisher bekannten Monumentalbauten der Norte-Chico-Kultur stammen aus der Zeit um 3200 v. Chr.[4] Stufenförmige Pyramiden, Prozessionsstraßen und riesige eingefasste Höfe fanden sich in Sechín Bajo im Casmatal, 370 Kilometer nördlich der Hauptstadt Lima.[5] Die 1992 entdeckte Fundstätte wird seit 2003 von deutschen Archäologen ausgegraben. Als gesichert gilt, dass die Kultur Mais, Erdnüsse, Maniok und Kürbisse anpflanzte und künstliche Bewässerung kannte.

In Grabungsschichten aus der Zeit um 1700 v. Chr. fanden sich zudem zahlreiche Ritzzeichnungen, die ein Mischwesen aus Kaiman und Mensch darstellen. Da französische Archäologen im Osten Ecuadors Relikte einer Kultur fanden, die gleichfalls den Kaiman darstellte, und die auf 2450 v. Chr. datiert wurden, könnten kulturelle Einflüsse aus dem Dschungelgebiet die Kultur von Sechin inspiriert haben. In den Anden konnten jedenfalls keine Kaimane leben, daher liegt der Verdacht nahe, dass diese Kultur aus den Niederungen am Ostrand der Anden stammte.

Um 4000 v. Chr. begann die Züchtung von Lamas.


Die Stadt Caral ist nach heutigem Kenntnisstand die älteste Stadt auf dem amerikanischen Kontinent.[6][7] Die dortige Stufenpyramide wurde 2001 auf das Jahr 2627 v. Chr. datiert. Gefunden wurden Häuser für zumindest 3000 Menschen, Amphitheater und Tempelanlagen. Weitere Funde beweisen, dass die Bevölkerung Handel mit den Küsten- und Amazonasgebieten trieb.

Die Kultur von Chavín de Huántar existierte etwa 800 v. Chr. bis 300 v. Chr. Die in der Huántar-Kunst verwendeten Motive JaguarPumaVogel und Schlange, legen eine Verbindung zur Olmeken-Kultur nahe. In denselben Zeitrahmen fällt die durch ihre Mumien bekannte Paracas-Kultur in der Gegend um die Hauptstadt. Es ist allerdings unklar, ob in dieser Gegend wirklich eine eigene Kultur existierte oder die Toten wegen der trockenen, konservierenden Luft von weit her herangeschafft wurden.

Um den Titicacasee bestand von etwa 1500 v. Chr. bis 1200 n. Chr. die Tiahuanaco-Kultur. Ob es tatsächlich ein Tiahuanaco-Reich gegeben hat, ist nicht geklärt. Spuren dieser Kultur finden sich zudem in Bolivien und im Norden Chiles.

Im engen Zusammenhang dürfte die Wari-Kultur stehen, die viel später um die Stadt Ayacucho existiert hat.



Um 200 v. Chr. bis 600 n. Chr. finden sich Spuren der so genannten Nazca-Kultur, die nach dem Ort Nazca, etwa 500 km südlich von Lima benannt wurde. Auf sie gehen die vieldeutigen Nazca-Linien zurück. Auch diese Kultur basierte auf künstlicher Bewässerung, worauf zahlreiche Bewässerungskanäle hinweisen.

Zwischen dem 1. und dem 8. Jahrhundert existierte im Norden die Mochica-Kultur, die im Wüstenstreifen an der Pazifikküste Landbau mit ausgeklügelten Bewässerungssystemen betrieb. Sowohl die Keramik als auch die Metallverarbeitung waren hoch entwickelt. Neben Gold und Silber wurde Kupfer verarbeitet. Es bestanden mehrere Fürstentümer, die möglicherweise infolge eines El-Niño-Ereignisses untergingen.

In der Zeit von 1250 bis 1470 dominierten die Chimús mit der riesigen Hauptstadt Chan Chan in der Gegend um Trujillo, im nordwestlichen Teil des heutigen Perus. Ihre Fähigkeiten im Kunsthandwerk waren weniger ausgeprägt. Sie legten mehr Wert auf die Serienproduktion von Nutzgegenständen. Es gelang ihnen, die steigende Einwohnerzahl mittels gewaltiger Bewässerungssysteme zu versorgen. (Wikipedia)

Martin Geck: Matthias Claudius

 Martin Geck: Matthias Claudius (Perlentaucher)

Die ländliche Idylle, die Dichterfreunde aus dem Hainbund, sie gerade fertig mit dem Studium, er junger Ehemann.
Sein "Nachbar" in Wandsbeck mit seinem Schloss der Großunternehmer und Sklavenhändler Schimmelmann.
Dazu die Armut und die Suche nach Mäzenen, um ihr zu entgehen.
Eine eindrückliche Lektüre. 


Täglich zu singen
Ich danke Gott und freue mich
Wie's Kind zur Weihnachtgabe,
Daß ich bin, bin! Und daß ich dich,
Schön Menschlich Antlitz! habe;

Daß ich die Sonne, Berg und Meer,
Und Laub und Gras kann sehen,
Und Abends unterm Sternenheer
Und lieben Monde gehen;

Und daß mir denn zu Muthe ist,
Als wenn wir Kinder kamen,
Und sahen, was der heil'ge Christ
Bescheeret hatte, Amen!

Ich danke Gott mit Saitenspiel,
Daß ich kein König worden;
Ich wär geschmeichelt worden viel,
Und wär vielleicht verdorben.

Auch bet' ich ihn von Herzen an,
Daß ich auf dieser Erde
Nicht bin ein grosser reicher Mann,
Und auch wohl keiner werde.

Denn Ehr' und Reichthum treibt und bläht,
Hat mancherley Gefahren,
Und vielen hat's das Herz verdreht,
Die weiland wacker waren.

Und all das Geld und all das Gut
Gewährt zwar viele Sachen;
Gesundheit, Schlaf und guten Muth
Kann's aber doch nicht machen.

Und die sind doch, bey Ja und Nein!
Ein rechter Lohn und Segen!
Drum will ich mich nicht groß kastey'n
Des vielen Geldes wegen.

Gott gebe mir nur jeden Tag,
So viel ich darf zum Leben.
Er giebt's dem Sperling auf dem Dach;
Wie sollt' ers mir nicht geben!

An den Tod

An meinem Geburtstage

Lass mich, Tod, lass mich noch leben! –
Sollt ich auch wenig nur nützen,
Werd ich doch weniger schaden,
Als die im Fürstenschoß sitzen
Und üble Anschläge geben,
Und Völkerfluch auf sich laden;
Als die da Rechte verdrehen,
Statt nach den Rechten zu sehen;
Als die da Buße verkünden,
Und häufen Sünden auf Sünden;
Als die da Kranken zu heilen,
Schädliche Mittel erteilen;
Als die da Kriegern befehlen,
Und grausam ihnen befehlen;
Der Helden Kriegskunst nichts nützen,
Um Länder weise zu schützen.
Tod, wenn sich diese nicht bessern,
Nimm sie aus Häusern und Schlössern!
Und wenn du sie nun genommen,
Dann Tod, dann sei mir willkommen.


Diese Gedichte sind Ausdruck von Bescheidenheit

und damit wohl auch vom Wunsch, nicht überfordert zu werden.


21 August 2025

Günter Gaus und Christian Klar

Nachwort von Bettina Gaus, der Tochter von Günter Gaus, zu dessen Autobiografie: Widersprüche. Erinnerungen eines linken Konservativen, 2004, S.329-345

 "[...] Ungeschrieben bleibt auch das letzte Kapitel seiner Erinnerungen. Es sollte die Überschrift tragen: "Klar". Noch einmal widerfuhr meinem Vater im Dezember 2001, was ihm [S.344/345] im Laufe seines Lebens so oft widerfahren ist: Er interessierte sich für ein Thema, er sah eine berufliche Herausforderung – und er fand einen Menschen. Im Besucherraum des Gefängnisses Bruchsal in Baden-Württemberg führte er für seine Reihe "Zur Person", das erste Fernsehinterview mit dem ehemaligen RAF-Terroristen, Christian Klar, der zu diesem Zeitpunkt seit neunzehn Jahren inhaftiert war.

Nervös wirkte der damals Neunundvierzigjährige auf ihn. Die erkennbare Mühe, die es dem Häftling bereitete, sich zu konzentrieren, hat meinen Vater tief verstört. Er konnte keinen Sinn in einer Fortdauer der Haft mehr sehen. Weder den der Resozialisierung noch den der Vereitelung weitere Straftaten. Er sah nur einen Mann, dessen Taten er missbilligte, und für dessen Recht auf eine eigene, wenigstens in Teilen noch selbstbestimmte Biografie er bis zur letzten eingetreten ist.

Ich habe meinen Vater nur sehr selten weinen sehen. Als er mir erzählte, dass Klar auf einer Postkarte um Gnade gebeten hat, die ein Segelschiff zeigte, da weinte er. Er hat das Maß der Sehnsucht nach Freiheit, das er aus diesem Motiv herausgelesen hat, nur schwer ertragen. Seinen diskreten Bemühungen um eine Begnadigung des Gefangenen blieb der Erfolg versagt. Das hat er nicht mehr erleben müssen. Es war uns, seiner Familie vergönnt, ihn an seinem Todestag – an dem er sich zum letzten Mal nach dem Stand der Dinge erkundigte – wahrheitsgemäß zu sagen, die Angelegenheit sei noch nicht entschieden. Das ist sie, wenn man so will, noch immer nicht. Nichts ist endgültig, solange Menschen leben.

Berlin, im Juni 2004"


Zum Interview von Gaus von 2001:

  Klar: Die RAF hat bewusst aus der Position der Minderheit gekämpft. Man muss ja nicht auf eine Massenbasis setzen. Die RAF ist von den Widersprüchen ausgegangen und hat die Taktik Stadtguerilla benutzt, um einen Bruch herzustellen.
   Gaus: In der 3. Welt war für uns Gewalt verständlich, aber in Europäischen Gesellschaften nicht. 
  Klar: Ein polit. Konzept, das auf Freiheit aus ist, hat guten Grund, abstrakt zu sein. Der einzelne muss das Konkrete ja selbst ausgestalten. Ich habe Illegalität als große Freiheit erlebt. Das Lebensgefühl war frei, man war für alles verantwortlich. Mit der Gefangenschaft war man in der Hand des Feindes. 
  Gaus: Eine Hoffnung für später?  Klar: Mit Leuten zusammenkommen, mit denen man darüber sprechen kann.


18 August 2025

Wichtige Sachbücher des 21. Jahrhunderts

2024 Was wir von der Welt wissen sollten von Jens Bott

2023 Triggerpunkte von Steffen MauThomas LuxLinus Westheuser

2022 Das Klima-Buch von Greta Thunberg und ca. 100 weiteren Autoren

2020 A Promised Land von Barack Obama

2019 Diese Wahrheiten von Jill Lepore

2018 Becoming - Meine Geschichte von Michelle Obama

         Der Pilz am Ende der Welt von Anna L. Tsing

2017 Die Gesellschaft der Singularitäten von Andreas Reckwitz

2014 Das Kapital im 21. Jahrhundert von Thomas Pickety

2012 Schnelles Denken, langsames Denken von Daniel Kahneman

* Gern schnell. Besser langsam. Gerade noch hatte der Mensch als rational gegolten, aber dann kam Kahneman. Und alles war ganz schön anders..Von  ZEIT Nr. 22/2025  23. Mai 2025

         2052. Der neue Bericht an den Club of Rome von Jørgen Randers

         Schulden von David Graeber

2011 Warum Liebe weh tut von Eva Illouz

2010 Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten von Neil MacGregor

2002 Empire von Michael Hardt und Antonio Negri


 Arm und Reich. Die Schicksale menschlicher Gesellschaften von Jared Diamond: 1999, Neuausgabe 2006.

Aufstieg und Fall der großen Mächte von Paul Kennedy,1987 TB 2000