22 Oktober 2024

Lebe lieber leichter

Lebe lieber leichter ein Blog


Lebe lieber leichter. Geschichten und Gedichte vom Glück  (Anthologie)

Hermann Hesse: Seine kürzeren Erzählungen habe ich mir nie vorgenommem. Hier in dieser Zusammenstellung, auffallend bibliophil, vom Anspruch nicht fordernd, sondern eher wie das Feuilleton eines Sonntagsboten überrascht mich Hesses "Geschenk einer Frühlingsstunde" mit dem Blick auf die Weißdornhecke (als Einzäunung), wo ein Holunder ein "Strauchunkraut" ist, weil er wegen seiner Kurzlebigkeit für "Lücken im Zaun" sorgen könnte, durch seine Ernsthaftigkeit. Eine Buche, ein Eindringling in die Hecke, wird wegen der Entschiedenheit, mit der sie ihre Blätter bis tief in den Winter hinein behält, gelobt, bewundert? Wie sie dann die Blätter, die sie monatelang bewahrt hat, plötzlich in wenigen Stunden freigibt.

Anthropomorphisierung, aber mit Blick auf die Pflanzenphysiologie: die Blätter als Schützling für die neuen Knospen. (S.46-52)

Erich Kästner: Besagter Lenz ist da

Es ist schon so. Der Frühling kommt in Gang.
Die Bäume räkeln sich. Die Fenster staunen.    
Rezitation: Heinz Rühmann
Die Luft ist weich, als wäre sie aus Daunen.
Und alles andre ist nicht von Belang.
 
Nun brauchen alle Hunde eine Braut.
Und Pony Hütchen sagte mir, sie fände:
Die Sonne habe kleine, warme Hände
Und krabble ihr mit diesen auf der Haut.          Videolyrik
 
Die Hausmannsleute stehen stolz vorm Haus.
Man sitzt schon wieder auf Caféterrassen
Und friert nicht mehr und kann sich sehen lassen.
Wer kleine Kinder hat, der fährt sie aus.
 
Sehr viele Fräuleins haben schwache Knie.
Und in den Adern rollt´s wie süße Sahne.
Am Himmel tanzen blanke Aeroplane.
Man ist vergnügt dabei. Und weiß nicht wie.
 
Man sollte wieder mal spazierengehn.
Das Blau und Grün und Rot war ganz verblichen.
Der Lenz ist da! Die Welt wird frisch gestrichen!
Die Menschen lächeln, bis sie sich verstehn.
 
Die Seelen laufen Stelzen durch die Stadt.
Auf dem Balkon stehn Männer ohne Westen
Und säen Kresse in die Blumenkästen.
Wohl dem, der solche Blumenkästen hat!
 
Die Gärten sind nur noch zum Scheine kahl.
Die Sonne heizt und nimmt am Winter Rache.
Es ist zwar jedes Jahr dieselbe Sache,
doch es ist immer wie zum ersten Mal.




18 Oktober 2024

Han Suyin: Bis der Tag erwacht

 Han Suyin: Bis der Tag erwacht, 1982 (Schilderung Chinas in der Mitte den 20. Jhs)

Die Liebesgeschichte hat mich nicht interessiert, beeindruckt bin ich von der Darstellung der Situation in der Kulturrevolution und Han Suyins Schreibtechnik.
Sie schildert immer wieder anschauliche Szenen aus der Sicht einzelner Personen.
Indem sie die Namen wechselnd mit der Übersetzung bildhafter chinesischer Namen und einzelnen chinesischen Silben wiedergibt (und damit abwechselnd auch jeweils nur mit einem der beiden Bestandteile), erreicht sie einerseits leichte Wiedererkennbarkeit "Hsu Ragende Wolke", "Hsu", "Ragende Wolke" und andererseits Verfremdung. 
Die Heldin ist Mrs. Jen, Frühlingsschnee und Stephanie. Stephanie heißt sie, wenn aus ihrer Sicht geschildert wird. Ihr Sohn heißt Winterschatz, wenn er aus ihrer Sicht geschildert wird.
So ermüdend mir das Liebesverhältnis ist, so sehr berühren mich die Vergegenwärtigungen von Situationen aus der Kulturrevolution. Große Teile des Romans während des Krieges und des Bürgerkrieges spielen in Tschungking.
Inzwischen habe ich doch mitfühlend eine längere Passage zu Stephanies Mann Dr. Jen Yong gelesen. (ab S.563) Gehalten in sozialistischem Realismus. Ganz Pflichterfüllung und Tragen von Schwierigkeiten mit äußerster Disziplin, Bewunderung seiner Leistungen durch die einfacheren Leute von Lingfu. Dann seine Rehabilitierung von seiner vorherigen Stellung als Rechtsabweichler. Zu Stephanie in gefühligem Stil wie in Alle Herrlichkeit, aber nicht wirklich kitschig. Winterschatz, jetzt erwachsen als der in China Gebliebene jetzt Jen Lin genannt, Schwalbe, die Tochter von Jen Yong, kommen nach China im Zuge der Aussöhnung mit den USA. Dass Jen Yong von einer Bande ermordet worden ist, erfahren sie erst jetzt (damit sie nicht allein trauern muss, sondern zusammen mit der chinesischen  Verwandtschaft.) (S.640)
Da Han Suyin 95 oder 96 Jhre alt geworden ist (1916 oder 1917 bis 2012), interessiert mich ihre 7-teilige Autobiographie, auch ihre historische Studie Eldest Son: Zhou Enlai and the Making of Modern China* (1898-1976) von 1994. Wie hat die Autorin von Liebesromanen mit 87 Jahren über selbst erlebte Geschichte berichtet?
* "In den Jahren, als die Kommunistische Partei ihre Basis in Yan’an hatte, kämpfte Zhou für eine vereinigte Front gegen Japan. So spielte Zhou eine wichtige Rolle im Zwischenfall von Xi’an. Er verhandelte im chinesischen Bürgerkrieg mit den Nationalisten. Während des Chinesisch-japanischen Krieges war Zhou Botschafter bei der Kuomintang in deren Übergangshauptstadt Chongqing. Er nahm auch an den gescheiterten Verhandlungen nach Ende des Zweiten Weltkriegs teil.

Im Jahre 1949, nach der Errichtung der Volksrepublik China, war Zhou Premierminister und Außenminister. Im Juni 1953 verkündete er die Fünf Deklarationen für Frieden. Er war Vorsitzender der kommunistischen chinesischen Delegation bei der Genfer Konferenz von 1954 und der Bandung-Konferenz 1955." (Wikipedia*

*"Zhou ermöglichte die Aufnahme von Beziehungen mit dem Westen in den 1970er Jahren.[6] Er begrüßte im Februar 1972 den amerikanischen Präsidenten Richard Nixon zu seinem Besuch in China und unterzeichnete mit ihm das Shanghai-Kommuniqué.

Bei Zhou wurde erstmals im November 1972 Blasenkrebs diagnostiziert. Das Ärzteteam berichtete, dass er bei sofortiger Behandlung eine 80- bis 90-prozentige Heilungschance hätte, aber die medizinische Behandlung für die höchsten Parteimitglieder musste von Mao genehmigt werden. Mao befahl, dass Zhou und seine Frau nicht von der Diagnose erfahren sollten, keine Operation sollte durchgeführt werden und keine weiteren Untersuchungen sollten erfolgen.[7] Im Jahr darauf hatte Zhou erhebliche Blutungen im Urin. Nach Druck von anderen chinesischen Führern, die von Zhous Zustand erfahren hatten, ordnete Mao schließlich im Juni 1974 eine chirurgische Behandlung an, jedoch hatten sich bereits Metastasen in anderen Organen gebildet.

Daraufhin gab er viele seiner Funktionen an Deng Xiaoping ab. Am 8. Januar 1976 starb Zhou einige Monate vor Mao Zedong. Im April 1976, einen Tag vor dem chinesischen Totengedenktag, wurden Kränze und Blumen zum Gedenken an Zhou von der Polizei entfernt, was allgemein als Tian’anmen-Zwischenfall bezeichnet wird."

Zu diesem Zwischenfall: Dass 100 000 nach einer von der Polizei bekämpften Ehrung Zhou En Lais am 4.4.1976 Regierungsgebäude stürmten, führte zum Vorgehen der Polizei gegen Deng Xiaoping:
"Am 7. April wurde Deng Xiaoping im Namen Maos und des Zentralkomitees aller Parteiposten enthoben und unter Hausarrest gestellt. In den kommenden Monaten wurde die Kampagne gegen ihn fortgesetzt und Deng wurde als ein neuer Imre Nagy attackiert und der Zwischenfall auf dem Tian’anmen-Platz in negativer Weise mit dem ungarischen Aufstand von 1956 verglichen." (Wikipedia

Das Schicksal Imre Nagys, der die ungarische Revolution gebilligt hatte, hatte ich vergessen. Als die sowjetischen Truppen anrückten, ließ er "in Westungarn den Widerstand organisieren und einige Fluchtwege nach Österreich offenhalten, auf denen bis zum 21. November 1956 etwa 210.000 Ungarn fliehen konnten. Er selbst floh in die jugoslawische Botschaft" (WikipediaEr wurde, nachdem ihm freies Geleit zugesichert worden war, verhaftet und nach einem Geheimprozess hingerichtet. 


10 Oktober 2024

Han Kang erhält den Literaturnobelpreis

 Han Kang (Wikipedia)

gaus58 auf gutefrage.net:

"Der südkoreanischen Autorin Han Kang wurde der Literaturnobelpreis zuerkannt. Sie ist eine Schriftstellerin, die ihren eigenen Stil gefunden hat. Ihre eher düsteren Werke handeln von Identitätsfragen, von der Fragilität menschlichen Lebens, von Gewalt und Sozialkritik. Sie dringt tief in die Psyche des Menschen ein. Ihre Beschreibungen nehmen manchmal groteske Züge an, die interpretationsbedürftig sind.

Bekannt wurde sie insbesondere mit "Die Vegetarierin". Es ist die seltsame Geschichte der unscheinbaren Yong-Hye, die sich gegen Konventionen auflehnt und eine Verwandlung durchlebt. Im Fokus dieser finsteren Geschichte stehen Selbstbestimmung und Realitätsverlust. Es ist ein sozialkritischer Roman, der Fragen aufwirft hinsichtlich der Brutalität gesellschaftlicher Normen.

"Menschenwerk" handelt von dem Aufstand 1980 in der südkoreanischen Stadt Gwanju gegen die Militärdiktatur. Die Demokratiebewegung wurde mit roher Gewalt niedergeschlagen. Die Menschen sind hilflos. Jugendliche Unbekümmertheit prallt auf brutale Staatsgewalt. Auffallend sind die unterschiedlichen Perspektiven. Der Roman trägt dazu bei, dass das Massaker in Erinnerung bleibt.

Menschen verbergen ihr wahres Ich hinter Masken, Makel sollen unsichtbar bleiben. "Deine kalten Hände" handelt von dem Künstler Jang Unhyang, der getrieben davon ist, Masken von Menschen zu erstellen, um hinter die Fassaden schauen zu können. Es geht um existenzielle Fragen. Künstler und Modell sind in ihren Rollen gefangen. Sie funktionieren, können Fragen nach dem "Warum" nicht beantworten.

In "Griechisch Stunden" geht es um persönliche Verluste, um zaghafte Annäherung, um ein Weiterleben in schwierigen Verhältnissen, die die Protagonisten überfordern. Träume, Visionen und Erinnerungen sind eingeflochten. Ein Griechisch- Kurs ist die einzige Schnittstelle für Begegnungen. Der Leser kann sich verlieren in Handlungssträngen, die sich übergangslos ändern.

Han Kang hat ihren eigenen oftmals düsteren aber äußerst kreativen Stil gefunden. In ihren Werken geht es auf groteske Art und Weise um Selbstbestimmung, Identität und Erwartungen. Sie bricht mit gesellschaftlichen Konventionen und entwickelt Geschichten, die fremdartig aber auch einzigartig wirken, weil es ihr auf unnachahmliche Weise gelingt, das Innere nach Außen zu kehren."

06 Oktober 2024

Grenzen

Grenzen, 2015, hrsg. von Gisela Dachs (in der Reihe Jüdischer Almanach der Leo Baeck Institute)

Der Eruv ist in der Zeit der babylonischen Gefangenschaft entwickelt worden, um es  orthodoxen Juden zu erleichtern, mit Ungläubigen zusammenzuleben. Er ist besonders in der Diaspora für orthodoxe Juden, die streng nach dem Gesetz leben, wichtig.

Das gedanklich Anspruchsvolle dabei ist, dass er gleichzeitig Grenze wie Abgrenzung ermöglicht, so wie eine Tür durch das Öffnen ermöglicht, einen geschlossenen Raum zu verlassen und gleichzeitig durch Schließen einen für andere verbotenen Raum herstellen kann.  Das kennt man im bürgerlichen Leben von der Trennung von privat und öffentlich.

Der Eruv ist freilich gedanklich weit anspruchsvoller, zum Beispiel, weil Brot, das Mischen und Zäune bzw. Drähte dazu dienen können, öffentliche Räume zu (dem Gesetz nach) privaten Räumen einer Gemeinschaft zu machen. 

Dazu passt die jüdische Anekdote vom Wunderrabbi, der eine Gruppe von Orthodoxen eine Weiterreise am Sabbath ermöglichte: "Wir saßen im Zug und konnten nicht aussteigen, doch der Sabbath fing an. Da half unser Rabbi mit einem Wunder: 'Rechts war Sabbath, links war Sabbath, aber im Zug war kein Sabbath.' "

Astrid von Busekist: Der Eruv, S.13-25

Dieses Konzept könnte in einer zerstrittenen Welt Zusammenarbeit ermöglichen, wo (zeitweise) unüberbrückbare Gegensätze bestehen.

David Rechter: Habsburg Bukowina: Juden am Rande des Reichs, S.84-94

BukowinaCzernowitz

"Wegen ihrer traditionell stark multikulturellen Bevölkerung benutzt der Rechtswissenschaftler Gunther Teubner den Begriff Bukowina als Metapher zur Beschreibung pluralistischer Entwicklungen auch im internationalen Recht, wie sie sich im Zuge der Globalisierung seit den 1990er Jahren zeigen, und spricht von einer „globalen Bukowina“.[13]" (Wikipedia)

22 September 2024

Gabriel García Márquez: Hundert Jahre Einsamkeit

PierreVL: "Ich habe nie auch nur ansatzweise verstanden, was so viele Leute an dem Buch finden. Eigentlich mag ich phantastische Literatur ja schon, auch den magischen Realismus, z.B Juan Rulfo "Pedro Paramo". Auch die Liebe in den Zeiten der Cholera von Garcia Marquez habe ich total gerne gelesen.

Aber Hundert Jahre Einsamkeit habe ich bestimmt dreimal angefangen und nach ein paar dutzend Seiten entnervt weggelegt. Was soll das, ein Autor, der sich über seine eigenen Figuren lustig macht? Ich fand die ganze Handlung total klamaukig, pubertär und echt zum Fremdschämen.

Gibt es noch mehr Leute, die gerade dieses Buch exzeptionell schlecht finden?"

Fontanefan: "Nicht exzeptionell schlecht, aber: nichts für mich.

Ich habe mehr als nur ein paar dutzend Seiten gelesen und keinen Zugang gefunden. Die weiteren Werke habe ich - wenn überhaupt - nur kurz angelesen und bald aufgegeben.

Dagegen fand ich die Autobiographie von Gabriel García Márquez anregend und interessant: 2002 Vivir para contarla (Leben, um davon zu erzählen, dt. von Dagmar Ploetz; Kiepenheuer & Witsch, Köln 2002, ISBN 3-462-03028-0.

 Hundert Jahre Einsamkeit hat mich erfolgreich abgeschreckt.

Noch steht das Buch im Regal. Eingelegt ist eine Rezension (29.4.78) von "Der Herbst des Patriarchen". Ich bin überzeugt, dass Márquez ein bedeutender Autor ist, aber ich habe den Zugang zu seinem Werk 1976 verpasst.

Sollte ich es mit Die Liebe in den Zeiten der Cholera versuchen?

Es geht auch bei "100 Jahre ...": "Er fühlte, wie Amarantas Finger, wie warme, begierige Würmer seinen Bauch absuchten. So drehte er sich zum Schein im Schlaf zu ihr um, um jede Schwierigkeit auszuschalten, und fühlte die Hand ohne schwarze Binde, wie eine blinde Moluske zwischen die Algen seines Sehnens tauchen. Wenngleich sie so taten, als wüssten sie nicht, was sie beide wussten, und wovon jeder von beiden wusste, dass der andere es wusste, waren sie von jener Nacht an durch eine unverbrüchliche Mitwisserschaft aneinander gekettet." (S.113). 

Er kann es, aber er versteckt es unter Klamauk. Und der ist - Millionen Leser bezeugen es - offenbar ebenso oder sogar weit besser gekonnt, aber leider nichts für mich.

Bei Gelegenheit schaue ich wieder hinein.

Auf gutefrage.net schreibt Skoph zu Márquez:

"Ich meine, dass Márquez einer der sehr wenigen Menschen der Welt ist, der jeden vieler Romane fast völlig anders schreiben kann, vielleicht sogar will. [...]

"Hundert Jahre... ist kein magischer Realismus, sondern eine real-satirische Darstellung einer Dorfbevölkerung, die mit abergläubischen Ritualen ihrer Religion lebt und sich daraus zumeist entsetzlich primitiv den Alltag erklärt und auch noch so handelt,

Liebe in den Zeiten... ist magischer Realismus, weil man diese lebenslange unbefriedigende Liebesgeschichte als real annehmen kann UND erst am Ende augenscheinlich auf magischer Ebene in den Frohsinn durch glückliche Erfüllung des Lebens erhoben wird. Leider gibt es noch keine mehrteilige, um viel mehr die so feinen Details des Romans darzustellen, Verfilmung dieser epischen Poesie."

20 September 2024

Christa Wolf: Kassandra

 Christa WolfKassandra 

Zitate: 

"Die Leute des Eumelos waren an der Arbeit. Sie hatten Anhänger und der Palastschreiber und Tempeldiener gewonnen. Auch geistig müssten wir gerüstet sein, wenn der Grieche uns angreife. Die geistige Rüstung bestand in der Schmähung des Feindes (von 'Feind' war schon die Rede, eh noch ein einziger Grieche ein Schiff bestiegen hatte) und im Argwohn gegen die, welche verdächtig waren, dem Feind in die Hände zu arbeiten:/ Panthoos, der Grieche. Briseis, des abtrünnigen Kalchas  Tochter. Die weinte abends oft in meinem Schlafraum. Auch wenn sie sich, um ihn nicht in Gefahr zu bringen, von Troilos trennen würde: er ließ sie ja nicht gehen. Auf einmal war ich die Beschützerin eines gefährdeten Paares. Mein junger Bruder Troilus, der Sohn des Königs, wurde angefeindet, weil er sich eine Liebste nach seinem Geschmack nahm: Unvorstellbarer Vorgang. Tja, sagte König Priamos, schlimm, schlimm." (S.84/85) 

"Sie leisteten es sich, Mord und Totschlag weniger zu fürchten als die rollende Augenbraue ihres Königs und die Denunziation durch Eumelos. Ich leistete mir ein bißchen Voraussicht und ein kleines bißchen Trotz. Trotz, nicht Mut.

Wie lange habe ich an die alten Zeiten nicht gedacht. Es stimmt: Der nahe Tod mobilisiert noch mal das ganze Leben. Zehn Jahre Krieg. Sie waren lang genug, die Frage, wie der Krieg entstand, vollkommen zu vergessen. Mitten im Krieg denkt man nur, wie er enden wird. Und schiebt das Leben auf." (S.87)