In der Kindheit das "Klassikerregal" mit einer einheitlichen Aufmachung aller bedeutenderer Autoren von Klopstock bis - ja, wo hörte die auf? Einige Romantiker jedenfalls hatten eine andere Aufmachung, freilich auch die einheitlich. Alles ohne bibliographische Angaben, ohne Register. Und so lasen die Kinder nicht nur im dreibändigen Lexikon (das 20 oder 25-bändige stand für die Kinder zu weit oben, hatte auch nicht das Glanzpapier und die schönen Bilder), sondern auch in "den Klassikern", was sich gerade so ergab. Immer waren es - freilich unvollständige - Gesamtausgaben, nicht gesammelte Werke. Der Anspruch der Ausgaben war, was nicht drin ist, zählt nicht.
Bücher, immer vorhanden, immer bereit, aber nur nach und nach erschließbar. Mit Liebe dann erste eigene Bücher. Mein Lektüretagebuch nennt als erste Titel "Burri", ein Wildesel, "James Cook, der Weltumsegler", "Tom Sawyer".
In der Jugend dann ein vorläufiges Verstehen. Im Studium Fach- und Taschenbücher.
Jetzt ein Zeitungsartikel mit der Überschrift "Bühne für Bücher", Unterüberschrift: "Zeig deine Bildung [...] für die Präsentation seiner Sammlung gibt es viele Möglichkeiten".
Präsentation?! Eine Powerpointpräsentation von Buchrücken das Bildungsideal der Zukunft?
Bücher "sammeln" wie Zigarettenbildchen und Briefmarken?
"In der Privatbibliothek spiegelt sich [...] die eigene Biografie. Diese will gut dargestellt sein [...]."
Nun denn, dann habe ich aufgrund der verschiedenen Formathöhen von Büchern und Regalfächern ein unordentliches Leben geführt. - Wie ordentlich ist ein Klassikerregal. Alles, was man lesen muss, in einheitlichem Format, einheitlicher Aufmachung.
Aber natürlich, es gibt eine Lesebiografie, und die spiegelt sich auch in den Büchern, die man nicht hergeben will. Doch wie viel nicht prägende Zufälligkeiten gibt es daneben.
Peter Bichsel: Die schöne Schwester Langeweile (2023)
vor 13 Stunden
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