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Die Entführer Chloes erleben eine Reihe von bedrohlichen Zeichen, die sie erkennen lassen, dass ein Gott beschlossen hat, sie zu bestrafen.
Die Entführer Chloes erleben eine Reihe von bedrohlichen Zeichen, die sie erkennen lassen, dass ein Gott beschlossen hat, sie zu bestrafen.
Soviel erkannten nun bei diesen Vorfällen alle, die gesunden Sinnes waren, daß diese Trugbilder und Stimmen ein Werk des Pan wären, der den Schiffern zürne. Die Ursache aber konnten sie nicht erraten; denn kein Heiligtum des Pan war beraubt worden; bis um die Mittagszeit, nicht ohne göttliche Schickung, der Feldherr in Schlaf fiel, den Pan erblickte und folgendes von ihm vernahm: »O ihr aller Menschen Ruchloseste und Gottvergessenste, wie habt ihr rasenden Sinnes solchen Frevel begangen? Ihr habt über Fluren, die ich liebe, den Krieg zu verbreiten gewagt, ihr habt Herden von Rindern und Ziegen und Schafen, die unter meiner Obhut stehen, hinweggetrieben, ihr habt von den Altären eine Jungfrau weggerissen, aus welcher Eros eine Geschichte der Liebe machen will; und weder die Blicke der Nymphen habt ihr gescheut, noch mich, den Pan. Ihr werdet Methymna nicht wieder sehen, wenn ihr mit solcher Beute schifft, noch werdet ihr dieser Syrinx entrinnen, die euch mit Schrecken erfüllt hat; sondern ich werde euch in die Fluten versenken und den Fischen zum Futter geben, wenn du nicht auf das schleunigste Chloe den Nymphen zurückgibst und Chloes Herden, die Ziegen wie die Schafe. Auf denn, und schiffe das Mädchen aus mit dem, was ich gesagt habe. Dann werd' ich dich geleiten auf deiner Fahrt und jene auf ihrem Wege.« In großer Bestürzung sprang Bryaxis – dies war des Feldherrn Name – auf, rief die Befehlshaber der Schiffe zusammen und befahl ihnen, auf das schleunigste unter den Gefangenen Chloe aufzusuchen. Sie fanden sie schnell und führten sie zu ihm; denn sie saß mit dem Fichtenzweige bekränzt; und da er auch hierin eine Bestätigung seines Traumgesichtes sah, brachte er sie auf seinem eigenen Schiffe an das Land. Und kaum war sie ausgestiegen, als wiederum der Ton der Syrinx von dem Felsen her vernommen wurde, aber nicht mehr kriegerisch und furchtbar, sondern hirtlich, wie der Ton, der die Herden zur Weide führt. Auch eilten die Schafe die Schiffstreppe hinab, ohne auf dem Horne ihrer Klauen auszugleiten, und noch weit kecker die Ziegen, weil sie auf Felsen zu klettern gewohnt sind. [...]
Die Hirten freuen sich, dass Chloe befreit worden ist und feiern.
Und nun, nach zechender Greise Art, sprachen sie viel miteinander; wie sie in ihrer Jugend geweidet und vielen Überfällen der Räuber entronnen waren. [...]
Lamon aber erbot sich, ihnen das Märchen von der Syrinx zu erzählen, das ihm einst ein sizilischer Ziegenhirt für einen Bock und eine Syrinx gesungen hatte. »Diese Syrinx, das Instrument, war kein Werkzeug, sondern eine schöne gesangreiche Jungfrau. Sie weidete Ziegen, scherzte mit den Nymphen und sang wie jetzt. Als sie nun weidete, scherzte, sang, trat Pan zu ihr hin und wollte sie bereden zu dem, was er wünschte, und verhieß ihr, allen ihren Ziegen zwiefache Junge zu verleihen. Sie aber spottete seiner Liebe und sagte, sie begehre einen Liebhaber nicht, der weder ein Bock, noch ein ganzer Mensch sei. Da schickte er sich an zur Gewalt; und Syrinx floh den Pan und seine Gewalt; fliehend, ermüdet, verbirgt sie sich in dem Röhricht und verschwindet in einen Sumpf untertauchend. Zornig schneidet Pan das Rohr, und da er die Jungfrau nicht findet und ihr Schicksal gewahrt, ersinnt er dies Instrument und verbindet ungleiche Rohre mit Wachs, um zu bezeugen, daß ihre Liebe ungleich gewesen war; und sie, vordem eine schöne Jungfrau, ist jetzt eine tönende Syrinx.« [...]
Daphnis und Chloe schwören sich gegenseitig ewige Liebe. Die Sicherheit, die Daphnis bietet, scheint Chloe aber zu gering, und sie fordert ihn auf, bei den Tieren zu schwören, die ihnen beiden so wichtig sind.
Daphnis freute sich ihres Mißtrauens, stellte sich dann mitten in die Herde, faßte mit der einen Hand eine Ziege, mit der andern einen Bock und schwur, Chloe zu lieben, solange sie liebte, und wenn sie dem Daphnis einen andern vorzöge, statt ihrer sich selbst zu töten. Da freute sie sich und traute ihm als Mädchen und als Hirtin, weil sie Ziegen und Schafe für der Schäfer und Ziegenhirten eigentliche Götter hielt. [...]
Über die Nymphen
Tochter einer dieser Nymphen war Echo; sterblich zwar, denn ihr Vater war sterblich; aber schön, so wie ihre Mutter schön war. Sie ward erzogen von den Nymphen, von den Musen unterwiesen im Flötenspiel und auf der Syrinx, auch zur Leier zu singen und zur Zither, jede Art des Gesangs; so daß sie auch in der Blüte jungfräulichen Alters mit den Nymphen tanzte und mit den Musen sang; die Männer aber floh sie insgesamt, so Götter als Menschen, ihren Stand als Jungfrau liebend. Pan aber zürnte dem Mädchen, weil er ihr den Gesang beneidete und nicht zum Genuß ihrer Reize gelangt war und erfüllte die Schäfer und Ziegenhirten mit Wahnsinn. Diese zerrissen sie, wie Hunde oder Wölfe, und zerstreuten die noch singenden Glieder über die ganze Erde. Und die Erde bedeckte, den Nymphen zuliebe, die sämtlichen Glieder, damit sie die Kraft des Gesanges bewahrten und nach dem Willen der Musen ihre Stimme erschallen ließen und alles nachahmten, wie vormals die Jungfrau: Götter, Menschen, Tonwerkzeuge und Tiere; auch selbst den flötenden Pan. Und er, wenn er die Stimme vernimmt, springt auf und jagt ihr auf den Bergen nach, nicht um sie zu fangen, sondern um zu erfahren, wer der verborgene Lehrling sei.« [...]
(Longos: Daphnis und Chloe, Buch 2 und Buch 3)
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(Longos: Daphnis und Chloe, Buch 2 und Buch 3)
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