Die Reisegefährten
"In ein Halbkupee erster Klasse des Schnellzuges Amsterdam-Leipzig war an einem Winterabend ein alter, fein aussehender Herr gestiegen, hatte seinen Pelz und sein Handgepäck auf den leeren Plätzen ausgebreitet und sich sehr behaglich eingerichtet. Der Zug war nicht stark besetzt; der Reisende hoffte allein zu bleiben und wenn auch im rüttelnden Waggon nicht schlafen, sich doch wenigstens bequem ausstrecken zu können. Die Enttäuschung, die ihm bevorstand, wurde ihm bis zum letzten Augenblick aufgespart. Schon war das Zeichen zur Abfahrt gegeben, als eine mächtige, in einen langen Pelzrock gehüllte Gestalt in der Waggontür erschien. Ein junger Mann, ein blonder Riese, trat ein. Mit weicher, wohlklingender Stimme sagte er einige Male: »Pardon!« schloß die Tür, blieb stehen, eine Antwort erwartend. Sie erfolgte nicht, und er legte denn, nachdem er seine eigenen Reiseeffekten im Netze untergebracht hatte, die des alten Herrn sorgfältig und fast respektvoll auf den mittleren Sitz zusammen. Dann setzte er sich auf den frei gewordenen Platz, so bescheiden als möglich und ganz tief in die Ecke." (mehr ...)
Dieser Herr erfährt von seinem religiösen Reisegefährten, dass er mein, zum rechten Glauben fehle ihm die Reue. Darauf erzählt er ihm eine Geschichte, die geeignet sein könnte, ihn davon zu überzeugen, dass Reue auch gar nicht immer nötig ist, auch wenn man etwas Fragwürdiges getan hat.
Es bleibt offen, ob der Herr aus seinem Leben erzählt hat oder ob er die Erzählung erfunden hat, um seinem Reisegefährten klar zu machen, dass er wegen fehlender Reue kein schlechtes Gewissen zu haben brauche.
Im Schlusssatz "Nein, er fährt mit, aber in einem andern Wagen." deutet sich sogar noch eine Möglichkeit an. Ich nehme aber nicht an, dass Ebner-Eschenbach die intendiert hat.
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