31 Juli 2019

Thor Heyerdahl: Kontiki

Thor Heyerdahl: Kontiki, 1949

"Es gab keine Brücke hier, und der Wasserlauf war reißend und tief. Die Indianer aber waren gerne bereit, uns und den Jeep auf einem Floß überzusetzen. Am Ufer drunten lag das Weltwunder. Armdicke Stämme waren mit Bambus und Pflanzenfasern zu einer Art Floß zusammengebunden, doppelt so lang und so breit wie unser Jeep eine Planke unter jedem Rad, und mit angehaltenem Atem fuhren wir den Jeep hinaus auf das Balkenwerk. Wenngleich die meisten Balken im Schlammwasser untertauchten, so trugen sie dennoch den Jeep und uns und noch vier halbnackte Schokolademänner, die uns mit langen Stangen hinausstakten.
"Balsa?" fragten Herrmann und ich wie aus einem Munde.
"Balsa", nickte einer von den Kerlen und gab den Stämmen respektlos einen Fußtritt.
Die Strömung ergriff uns und wirbelte uns den Fluss hinunter, während die Leute an den richtigen Stellen stakten und so das Floß in Kurs hielten, schräg über den Strom hinüber und in das schnellere Wasser auf der anderen Seite hinein. Das war unsere erste Begegnung mit dem Balsaholz und unsere erste Fahrt auf einem Balsafloß. (Tor Heyerdahl: Kontiki, S. 51)

Die Mannschaft für das Floß ist beisammen. 

"Keine zwei von den Burschen hatten einander früher gesehen, und alle waren in ihrem Typ restlos verschieden. Auf diese Art konnten nämlich einige Wochen auf dem Floß vergehen, bevor sie ihrer gegenseitigen Geschichten müde wurden. Keine Sturmwolke mit Tiefdruck und Unwetter lag drohender vor uns als die Gefahr eines psychischen Schiffbruchs, wenn sechs Mann monatelang auf ein treibendes Floß beschränkt waren. Hier war ein guter Witz oft ebenso wichtig wie eine Schwimmweste." (S. 62)

Das Floß wird aus den Küstengewässern herausgeschleppt.
"Der Schlepper lag in der Nähe, und da wir ängstlich besorgt waren, das Floß möglichst weit weg zu halten, setzten wir unser kleines aufgeblasenes Gummiboot zu Wasser. Das hüpfte wie ein Fußball über die Wellen und tanzte mit Erich, Bengt und mir los, bis wir die Strickleiter zum "Guardian Rio" zu fassen bekamen und an Bord klettern konnten. Bengt verdolmetschte unsere genaue Position auf der Karte. Wir waren jetzt 50 Seemeilen von Land, nordwestlich von Callao, und mussten in den ersten Nächten noch Laternen tragen, um nicht von Küstendampfern gerammt zu werden. Weiter draußen würden wir keinem Schiff mehr begegnen, denn es gab keine Route, die diesen Teil des Pazifiks durchschnitt. (S.77)

"Die Steuerung bedeutete augenblicklich unser größtes Dilemma. Das Floß war wohl genauso gebaut, wie ist die Spanier beschrieben, aber heutzutage konnte uns kein Mensch mehr einen praktischen Einführungskurs im Segeln auf Indianerflößen geben. Das Problem war zwar unter den Experten an Land gründlich diskutiert worden, aber mit mageren Resultaten. Sie verstanden genauso wenig davon wie wir selbst.
Da der Südost rasch an Särke zunahm, wurde es notwendig, den Kurs des Floßes so zu halten, dass das Segel von Achtern gut gefüllt wurde. Wenn das Floß die Seite zu stark gegen den Wind drehte, schlug plötzlich das Segel um und drängte auf Last und Volk und Hütte, während sich das ganze Floß wendete und denselben Kurs zurücknahmen. Das wurde ein schwerer Gefechtsgang, wenn dann drei Männern mit dem Segel rauften und die anderen an dem langen Steuerruder arbeiteten, Um die Nase des Floßes herum und wieder an den Wind zu bekommen. Und sobald wir ist fertig gebracht hatten, musste der Steuermann aufpassen wie ein Schießhund, das nicht im gleichen Augenblick das ganze Theater von vorne los ging.
Das 6 m lange Steuerruder lag frei zwischen zwei Haltepflöcken auf einem mächtigen Klotz am Achterende." (S.79)


Nachher stellten sie fest dass man im Normalfall das Steuer fest anbinden konnte und das Steuern mit Senkbrettern zwischen den Balsaholzstämmen abstimmen konnte ohne großen Kraftaufwand, indem man diesn Bretter leicht anhob oder leicht weiter nach unten drückte. Heyerdahl ist der Überzeugung, dass die Inkas so gesteuert haben.


Fortsetzung bei Gelegenheit

Thor Heyerdahl: "Ich habe die Bedeutung der Zeit nie begreifen können. 
Ich glaube nicht, dass sie existiert. Ich habe das immer und immer wieder empfunden, wenn ich allein und draußen in der Natur war."

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