"Ich mußte lachen über unsere guten christlichen Pastoren, die, weil sie nur den Norden kennen und seinen dürftigen Weinbau, in jeder Traurede von dem Ulmbaum predigen, um den sich die Weinrebe rankt. Solch ein südlicher Baum mit seinen vielen Reben ist ein ganz glückseliges, vergnügtes Bild echt mohammedanischer Polygamie. [...]
Der Baum sieht nicht so ernsthaft darein als unsere nordischen Bäume, und die Weinrebe ist nicht allein bei ihm und ist ihm nicht treu. Solch ein Baum sieht aus wie ein stattlicher Pascha, den in neckischem, gaukelndem Spiele schäkernde Odalisken umtanzen. Hier fällt eine schmiegsame Ranke vom Stamme herab, schleicht ein Ende an der Erde im Verborgenen hin und schmiegt sich schnellkräftig an dem untersten Aste des Baumes wieder empor bis zu seiner Krone. Sie sind wie kokette Weiber, diese Weinranken, die scheinbar verlassen, um wiederzukehren und wiederkehrend doppelt willkommen zu sein nach kurzer Trennung. [...]
Dann wendete sich der Weg vom Meere ab in die Berge hinein, und der Kurier fuhr die Abhänge so blitzschnell herunter, daß man in dem nebelhaften Halblicht des Mondes, von Schatten und weißen Nebelstreifen getäuscht, in jedem Augenblick in einen Abgrund zu stürzen fürchtete. Von der Hitze ermüdet, kam ich bei dem schnellen Fahren in jenen Zustand, der, halb Schlaf, halb Wachen, das rechte Gebiet des Träumerischen in sich schließt. Wie ein funkelndes Meer voll Brillanten lagen die Täler da, im reichen Tau die Mondesstrahlen widerspiegelnd. Blaue, leichte Schatten schienen umherzuschweben zwischen der Erde und der Luft wie Geister der Blüten, deren Düfte mich umwehten; das Wirkliche zerfloß in Nebel, das Unkörperliche nahm Gestalt. Plötzlich streckte ein wüster Menschenhaufen seine Köpfe hervor, und die feurigen Augen sahen mich an, als wunderten sie sich über mein Dasein. Ein langer Arm dehnte sich nach mir aus, mich traf ein Schlag – ich fuhr empor! Es waren Zweige eines Baumes. Sie hatten in das Cabriolet gestreift und mich aus meinem Schlafe erweckt, der den letzten Eindruck des Wachens, einen irdischen Feigenbaum von Glühwürmchen umleuchtet, zu schreckhaften Ungetümen verwandelt hatte. Helle Lichter flammten mir entgegen, Raketen stiegen empor, und bunte, chinesische Lämpchen schienen in flimmernden Girlanden auf dem Meere zu schweben. Es war Sestri, das man zu Ehren eines Heiligen an dessen Namenstage illuminiert hatte. Ich nahm mir fest vor, nicht wieder zu schlafen; ich wollte die südliche Nacht, den Mondschein am Meere, die Illumination in Sestri genießen; aber Sestri ward ein funkelnder, großer Stern, von dem es glutrote, strahlende Blumen herabregnete auf die Erde. [...]
Hier in La Spezia, dünkt mich, war es auch, wo Lord Byron die Asche seines Freundes Percy Bysshe Shelley verbrannte, dem er in Rom auf dem Protestantenkirchhofe an der Pyramide des Cestius ein einfaches Denkmal errichtete. Ganz nahe an der Mauer des Kirchhofes liegt dort die flache Marmortafel über einem niedrigen Hügel; Shelleys Name, sein Geburts- und Todesjahr sind darauf verzeichnet. Darunter stehen die Worte: »Cor cordium!« – Herz der Herzen. [...]
Ich werde es niemals glauben lernen, daß Menschen Diebe und Räuber würden, wenn nicht die Mangelhaftigkeit unserer Einrichtungen sie zu diesen Verbrechen zwänge. [...]
Diese Art der Industrie, bei der die Arbeiter nicht in engen Fabrikstuben eingesperrt sind, sondern sich frei und plaudernd in Gottes frischer Luft bewegen, hat etwas sehr Erfreuliches. Darum ist auch die Spindel der Italienerin, mit der sie so stattlich umherschreitet, viel schöner als das nordische Spinnrad, das die Arbeiterin festbannt an ihren Spinnstuhl; und man nimmt in Italien gern mit einem gröbern Bettuche fürlieb, wenn man denkt, daß die Frauen, welche das Garn dazu spannen, eben jene vor Gesundheit und Lebensfülle strotzenden, unverkümmerten Gestalten Italiens sind."
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