»Wir gehen von hier fort, beste Tine!« sagte Havelaar, und reichte diesen Kabinettsbrief Verbrügge hinüber, der ihn mit Düclari zusammen las.
Verbrügge hatte Thränen in den Augen, aber sagte nichts.[284] Düclari, ein sehr gebildeter Mensch, brach in einen wilden Fluch aus:
»Gott verdamm mich! Ich habe hier Gauner und Diebe in der Verwaltung gesehen ... sie sind in Ehren abgegangen, und Ihnen schreibt man solch einen Brief!«
»Es ist nichts,« sagte Havelaar, »der General-Gouverneur ist ein ehrlicher Mann ... er muß betrogen sein ... wenn er sich auch hätte vor dem Betrug hüten ... mich erst hätte hören sollen. Aber ich werde zu ihm gehen und ihm erklären, wie hier die Dinge stehen ... er wird Gerechtigkeit üben, des bin ich gewiß.«
»Aber wenn Sie nach Ngawi gehen?«
»Jawohl, ich weiß. Zu Ngawi ist der Regent mit dem Djokjokartschen Hof verwandt. Ich kenne Ngawi. Ich war zwei Jahre lang zu Bagelen. Ich würde zu Ngawi dasselbe thun müssen, was ich hier gethan habe. Es hat keinen Zweck, hin und her zu reisen. Überhaupt ist es für mich unmöglich, Dienst auf Probe zu thun, als ob ich mich schlecht geführt hätte: – und endlich, ich sehe ein, daß ich, um all diesem Betrug ein Ende zu machen, kein Beamter zu sein brauche. Als Beamter stehen zwischen mir und der Regierung zu viele Personen, die ein Interesse daran haben, das Elend des Volkes zu leugnen. Es sind noch mehr Gründe, die mich abhalten, nach Ngawi zu gehen. Die Stelle war gar nicht vakant, sie ist erst für mich frei gemacht worden, sehen Sie!«
Und er zeigte im »Javaschen Courant,« der eben mit der Post angekommen war, daß in der That durch denselben Beschluß der Regierung, der ihm die Verwaltung von Ngawi übertragen hatte, der Adsistent-Resident dieses Platzes in einen anderen Bezirk versetzt worden war, der gerade vakant war.
»Wissen Sie, warum ich gerade nach Ngawi soll und nicht nach dem vakanten Bezirk? Der Resident von Madiun, wozu Ngawi gehört, ist der Schwager des früheren Residenten von Bantam. Ich habe gesagt, daß hier immer eine so schändliche Wirtschaft geherrscht hat, daß der Regent früher so schlechte Beispiele gesehen hat ...«
»Ah!« riefen Verbrügge und Düclari zu gleicher Zeit. Sie verstanden, warum Havelaar gerade nach Ngawi versetzt[285] wurde, um auf Probe zu dienen, ob er sich etwa bessern werde.
»Und aus noch einem anderen Grunde kann ich nicht dahin gehen,« sagte er. »Der jetzige General-Gouverneur wird bald abgehen – seinen Nachfolger kenne ich nicht und weiß nicht, was von ihm zu erwarten steht. Wenn ich also noch rechtzeitig etwas für das arme Volk thun will, muß ich den jetzigen Gouverneur sprechen, bevor er abgeht, und das wäre unmöglich, wenn ich jetzt nach Ngawi ginge ... Tine!«
»Lieber Max?«
»Du hast Mut, nicht wahr?«
»Max, du weißt, daß ich Mut habe, wenn ich bei dir bin.«
»Also!«
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