BKA - Die Reise nach Beirut Politischer Tatsachenroman (Rowohlt 1991)
25 000 verkaufte Exemplare einschl. Taschenbücher
- DER SPIEGEL 40/1990
- Buch aktuell Herbst 1990
- Frankfurter Allgemeine Zeitung 27.11.1990
- Süddeutsche Zeitung 5.12.1990
- Mainzer Rheinzeitung 4.2.1991
- Wiesbadener Kurier 9.2.1991
- Dt. Allg. Sonntagsblatt 10.5.1991
Bereits bei den Reisevorbereitungen stellte ich fest, was ich auch im Lande selbst bestätigte: es gab in Indonesien überhaupt kein Rauschgiftproblem. Einer Bevölkerung von 147 Millionen standen 491 Rauschgift Fälle gegenüber. Zum Vergleich: In der Bundesrepublik gab es damals 62.395 Fälle bei61 Millionen Einwohnern. Und als im Folgejahr die Rauschgiftkriminalität in Indonesien auf ganze 901 Fälle kletterte, konnte man, ohne zu lügen, von einer Steigerung um fast 100 % sprechen. Statistisch gewaltig, aber in absoluten Zahlen einen Witz.
Mit meiner Hilfe wurden also die Millionen im Staate der Todesschwadronen investiert:; der Polizeiminister sagte schmunzelnd, dass die Begründung den 'Umbrella' Rauschgift haben müsse." (S.83)
Weitere Publikationen:
Schenk belegt in seiner historischen Analyse der Entstehung des BKA, dass 1959 45 der 47 leitenden Beamten ehemalige Mitglieder der NSDAP waren, fast die Hälfte hatte sich aktiv an kriminellen Handlungen beteiligt. Fünf von ihnen waren Schreibtischtäter im Reichskriminalpolizeiamt, fünfzehn Mitglieder von Einsatzgruppen in Polen. Besonders die Laufbahn Paul Dickopfs und des "Charlottenburger Kreises" stehen im Zentrum seiner Untersuchungen.[1][2][...] Das BKA würdigt in der Selbstdarstellung seiner Geschichte die Arbeit Schenks:
Erst durch seine grundlegenden Forschungen sei eine Aufarbeitung der Geschichte des BKA
möglich und die Bedeutung ihrer Aufarbeitung deutlich geworden.[4][5][6]"
Schenk über die SOKO-Fernsehserie, die er anstieß und für die er viele Jahre als Fachberater arbeitete:
"[...]. Der uralte Krimi-Trick, den wirklichen Täter über lange Strecken als harmlos und unverdächtig erscheinen zu lassen, um ihn zum Schluß zur großen Überraschung aus dem Hut zu zaubern, ist nicht immer der beste. Denn so ist das Leben nicht. Täter haben ein Motiv, das sich finden läßt, nicht ohne Grund ist die Aufklärung von Mordfällen so hoch. Und die Polizei hat entweder gar keinen Verdacht und tappt zunächst im Dunkeln oder der Verdacht entwickelt sich irgendwann in eine bestimmte Richtung, die schließlich zum Erfolg führt. Keineswegs entspricht es polizeilicher Erfahrung, daß der Verdächtige unschuldig und der vermeintlich Unschuldige der Täter ist. Aber es muß auch Fiktion erlaubt sein, denn schließlich soll der Zuschauer unterhalten und nicht belehrt werden. Ein Fernsehkrimi ist keine Dokumentation, sondern fällt unter die Gattung Kunst und genießt verfassungsrechtlich die "Freiheit der Kunst". Die Qualität macht aus, wenn das Grundthema der Geschichte weder banal noch trivial ist und sich die Spannung nach und nach aufbaut, ohne daß der Bogen durch logische Fehler unterbrochen wird. Zum Schluß muß der Zuschauer das Gefühl haben, gemessen an seiner Alltags- und Lebenserfahrung weder manipuliert noch getäuscht worden zu sein. Nach den Gesetzen der Dramaturgie ist das filmische Showdown, der abschließende Höhepunkt legitim. [...]"
Auszüge aus einem Vortrag von Dieter Schenk von Anfang 2022
Über Südafrika:
Die Waffen lieferte Israel, wie ich erfuhr, obwohl Südafrika ähnliche Rassengesetzte praktizierte, wie sie einmal von den Nazis gegen die Juden angewandt worden waren. [...]
Mein Fahrer erzählte mir, dass das Gericht in Pretoria 130 Todesurteile verhängt hätte, alle seien gehenkt worden, nur einer unter ihnen war ein Weißer. [...]
Drei Monate danach meldeten zwei südafrikanische Obristen ihren Besuch im BKA an, was wegen des Embargos eigentlich gar nicht statthaft war. Der Vize-Präsident wollte sie im Namen der Amtsleitung begrüßen und ordnete an, dass ich daran teilnehmen soll. Ich ging davon aus, dass wir die eigentlich unerwünschten Besucher reserviert behandeln werden und er gut vorbereitet war. Ich traute meinen Ohren nicht, als er u.a. zu den Besuchern sagte: „Man muss sich schämen, wie unsere Presse wahrheitswidrig über Ihr Land berichtet.“ [...]
Laos:
"[...] Private Einladung beim deutschen Geschäftsträger, der vom unverhohlenen Abhören der Telefone berichtete. War mal das Abhörpersonal knapp, seien die Telefonverbindungen einfach stillgelegt worden. Der Geheimdienst bewies sogar Sinn für Satire. Der Geschäftsträger besprach mit seiner Frau am Telefon den Einkauf von Fleisch und Wurst, und als seine Frau zum Metzger kam, wurde es ihr bereits eingepackt überreicht.
Vietnam – ein Überwachungsstaat. Blockwartsystem, Geheimpolizei, Parteidiktatur. Kirchen waren zu Lagerhallen umfunktioniert, Tempel brutal zerstört. Hunderttausende flüchteten als Boatpeople. Ich besichtigte mit dem Botschafter ein Gebäude, das als Kanzlei vorgesehen war und beobachtete dabei zufällig eine uniformierte Kindergartengruppe: absoluter Gehorsam und Drill unter einer Kommandostimme der Kindergärtnerin.
Ich stand auf der eisernen Brücke über den Roten Fluss, die immer wieder von den Amerikanern bombardiert worden war und deren geschwungene Silhouette weltbekannt wurde – und dachte an Napalm, den Vietkong, die Kopfschüsse, die Krebskranken hier und an die Krankheitsrate bei den ehemaligen US-Soldaten, verursacht durch das Entlaubungsmittel „agent orange“, und ich dachte an die hohe Suizidrate unter Kriegsveteranen in den USA.
Tausende Intellektuelle verschwanden spurlos in Vietnam, viele erlitten die Todesstrafe wegen angeblich konterrevolutionärer Verbrechen oder wurden in Umerziehungslager jahrelang psychisch gefoltert.1
Obwohl Folter das schlimmste Menschheitsverbrechen überhaupt ist und obwohl fast jeder Staat die UN-Menschenrechtskonvention unterschrieben hat, zeigt sich, dass die Folter nicht auszurotten ist.
Drei Merkmale sind für Folter charakteristisch:
-die Begehung durch eine staatliche Instanz;
-die Intensität der Ausführung, hohe körperliche und/oder seelische Schmerzen zu bereiten;
-und die Intention, nämlich die Tötung, oder die Bestrafung oder das Erlangen eines Geständnisses, oder das Zerbrechen der Persönlichkeit und als Abschreckung gegen jede Form des Widerstandes.2
„Wir können Folter beschreiben oder definieren, aber wirklich erfassen können wir Folter nicht, wenn wir sie nicht selbst erlebt haben.“ (Manfred Nowak, UN-Sonderberichterstatter über Folter).3
Gefoltert wird auch durch Demokratien. Siehe zum Beispiel die USA durch die CIA in Guantanamo auf Kuba und andernorts. Outsourcing von Folter will ich nur erwähnen, aber jetzt nicht vertiefen. Auch gehe ich nicht drauf ein, dass Korruption und Menschenrechtsverletzungen zwei Seiten derselben Medaille sind. [...]
Als „Dank für Mogadischu“, dass nämlich die somalische Regierung den Einsatz der örtlich nicht zuständigen deutschen Spezialeinheit gestattet hatte, leistete die Bundesrepublik Entwicklungshilfe, und das Bundeskriminalamt bildete Beamte aus, richtete ein Kriminallabor ein. Ich ließ es mir zeigen, traf fingerdicken Staub, Flugrost, Feuchtigkeit, Schimmelbildung, defekte Geräte, korrodierte Batterien, alles in allem ein Gerätemuseum an.
Stattdessen fanden in Mogadischu an jedem Samstag auf dem zentralen Platz zur Volksbelustigung öffentliche Hinrichtungen statt. Das Foltergefängnis hieß „Godka“, das Loch.4 Hier wurden Geständnisse erzielt oder das, was man für Geständnisse hielt, jedenfalls nicht mit dem Sachbeweis einer labormäßigen wissenschaftlichen Kriminaltechnik erarbeitet.
[...] In der deutschen Botschaft erfuhr ich, dass ein Todesschwadron in San Salvador den Erzbischof Oskar Romero in seiner Kirche ermordet hatte. Die Mörder waren von der CIA trainiert worden. Der im Volk beliebte Bischof hatte am Tag zuvor in einer Predigt den Terror und die Unterdrückung durch Armee, Nationalgarde und Polizei angeprangert.5 [...]
[...] Unsere Botschaft in Sanaa, Hauptstadt des Jemen, hatte sich zweimal schriftlich beschwert, dass ständig fremde Fahrzeuge im Halteverbot vor der Kanzlei geparkt wurden. Eines Tages fuhr der Innenminister mit seinem Begleitkommando vor, stieg aus, schlug mit einem Baseballschläger die Scheiben der Falschparker ein und fuhr wieder davon. [...]
[...] Angola war ein sowjetischer Satelliten-Staat, und der DDR-Staatssicherheitsdienst hatte dort mit seiner Entwicklungshilfe das Sagen.6
Meine Einreise verlief jedoch ohne Komplikationen, dank Diplomatenpass wurde ich gar nicht kontrolliert.
Das verkrampfte Verhältnis der beiden Botschafter Deutschland-Ost und Deutschland-West im Umgang miteinander, das ich bei einem Empfang in Luanda beobachten konnte, wäre eigentlich eine weitere Darstellung wert. Die beiden einzigen qualifizierten Ärzte vor Ort kamen aus Ost-Deutschland und behandelten insgeheim auch die West-Deutschen. Als Honorar erbaten sie in der Regel die Hefte von SPIEGEL und STERN.
[...] El Salvador war so ein Staat, in dem viele Zivilisten verschwanden oder durch Todesschwadrone erschossen wurden, auch Gewerkschafter und Akademiker. Andere kamen in Incommunicado-Haft ohne Kontakt zu einem Anwalt oder zu Angehörigen.7 Ich schrieb 1988 das Gutachten und sicherte meine Erkenntnisse ab durch die exakte Buchführung der Erzbischöflichen Rechtsschutzstelle „Tutela Legal“ in San Salvador, die alle Vorfälle registrierte. 1259 Opfer gingen auf das Konto von Todesschwadronen. Ich berichtete, dass paramilitärische Gruppen - aber auch die einheimischen Sicherheitskräfte und Polizei - an den Todesschwadronen beteiligt seien.
Letzteres wollte die Amtsleitung des Bundeskriminalamtes nicht lesen. Sie bezweifelten nicht die Richtigkeit, aber Polizisten, die Todesschwadrone bilden, so etwas müsse nicht in einem BKA-Bericht stehen, das ging ihnen offensichtlich gegen den Strich. Ich weigerte mich, es zu ändern. Daraufhin wurden aus dem Text Sätze und Absätze entfernt, und das Gutachten ging unter meinem Namen wie gewöhnlich an das Bundesinnenministerium und an das Auswärtige Amt. Ich remonstrierte dagegen und wurde belehrt, dies sei nicht mein Text, sondern ein solcher des Bundeskriminalamtes, und was darin steht „bestimmen wir“. Außerdem verbot mir der Vize-Präsident, künftig Amnesty zu zitieren. Für mich war es Zensur. [...]
Die Zeit nach dem aktiven Dienst im Bundeskriminalamt.
Den Schlusspunkt der Auseinandersetzung mit dem BKA in Sachen Menschenrechte setzte ich im Jahre 2008 mit dem Buch “BKA – Polizeihilfe für Folterregime“. [...]
Mein Sachbuch „Tod einer Polizistin“ über Frauenfeindlichkeit und Mobbing in der Polizei, was auch eine Form von Menschenrechtsverletzung sein kann, führte dazu, dass nach Erscheinen eine Reihe von Opfern bzw. deren Angehörige mit mir Kontakt aufnahmen. [...]
Am 15. Dezember 2008 wurde ich als „Sachverständiger“ in den Innenausschuss des deutschen Bundestages geladen. Anlass war mein Buch „BKA. Polizeihilfe für Folterregime“, das in diesem Jahr erschienen war und das sich in einem Kapitel Afghanistan widmete.8 [...] Ich erinnere mich, wie bei der Anhörung und Diskussion um den heißen Brei „drumherum geredet“ wurde, um zu verschweigen, dass in Afghanistan eigentlich ein Krieg herrscht. Denn hätte man das eingeräumt, wäre verfassungsrechtlich ein Polizeieinsatz von vorneherein unzulässig gewesen. [...]
Ich verwies in meiner Stellungnahme und auch auf Fragen von Abgeordneten darauf, dass in Afghanistan von Polizei und Geheimdienst weiter systematisch gefoltert werde, das sei unerträglich und spreche dem bisherigen siebenjährigen deutschen Engagement Hohn. [...]
Außerdem erwähnte ich Fakten, die sich auch in den letzten Wochen nach dem Desaster in Afghanistan im Juni bis September 20219 als durchaus aktuell erweisen.
Anmerkungen:
1 AI Jahresbericht 1981, Sozialistische Republik Vietnam
2 Amnesty International: Stop Folter. Hintergrundinformation zur Folter (2014), S. 3; vgl. Dieter Schenk: BKA. Polizeihilfe für Folterregime. Mit einem Vorwort von Barbara Lochbihler, AI-Generalsekretärin der Deutschen Sektion, Dietz-Verlag Bonn, 2008
3 Manfred Nowak: Folter. Die Alltäglichkeit des Unfassbaren, Wien 2012, S. 7
4 AI-Jahresbericht 1981, Somalische Demokratische Republik
5 vgl. Dieter Schenk: BKA Polizeihilfe, S. 35
6 AI Report 1981, 1989, Volksrepublik Angola
7 AI Report 2020, Republik El Salvador; vgl. Dieter Schenk: Interview am 21.6.1994 von Ernesto Cardenal, Kath. Priester, Menschenrechtsverteidiger u. Kultusminister von Nicaragua, Poet u. Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1980 in der Frankfurter Rundschau; Datenbank FR, Dok. Nr. 06061858
8 Dieter Schenk: BKA Polizeihilfe, S. 255-263
9 Abzug der letzten Bundeswehreinheiten am 30.6.2021, der US-Truppen Ende August 2021
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen