02 August 2023

A.E. Johann: Steppenwind

 Als Vorinformation von der Webseite A.E. Johann (mit Korrektur von Tippfehlern):

Steppenwind

Steppenwind
Roman einer Flucht nach Hause

Band III der Trilogie "Der Wind der Freiheit"


Unermüdlich gleitet Woche um Woche die "Neptuna" durch die tropische Inselwelt dem australischen Kontingent entgegen. Gleicht sie nicht einem Traumboot, das uns, die schönheitsdurstigen Leser, über die Weltmeere zu Erdteilen führt, die wir niemals schauen werden? Ist die "Neptuna" nicht ein Märchenschiff, das uns Erlebnishungrigen von den buntgewürfelten Schicksalen seiner Passagiere erzählen wird?

Auf den Planken diesen Tropenschiffes genießen Paul Knapsack und Peter Bolt, die Weitgereisten, Vielumhergetriebenen, als "Kanadier" unter heitersten Zwischenfällen die erste, unbeschwerte Gastlichkeit Australiens. Bald schon werden sie als reisende Buchhändler im australischen Busch mit dem einträglichen Vertrieb von Kochbüchern und sonstigen, hier unentbehrlichen "Prachtwerken" den Ernst des Lebens wieder erfahren. Paul Knapsack will endlich heim, doch der fünfte Kontingent ist unermeßlich groß, und drohend lagert vor dem großen Ziele die Wüste Never-Never. Die Freunde werden als Treiber einer fast tausendköpfigen Ochsenherde in meilenweiten Ritten bei Tag und Nacht, umdroht von Regenfluten und sengender Dürre, überwinden müssen. Unvergeßlich sind die Szenen von diesem Reiten ohne Romantik mit Lasso und Lederpeitsche und verzweifelt brüllendem Vieh, bis nach Wochen der Treck die Küste erreicht und - die Vergangenheit wieder aufsteht mit Botschaften des Glücks und des Unheils.

So löst sich Peter Bolt schmerzlich vom heimgekehrten Freund. Der portugiesische Frachter "Sao Thomé", dessen listiger Kapitän mit der großen Melone ihm schon einmal zum Schicksal wurde, entführt den Passagier über Ceylon an Afrikas Küste. Endlich, endlich grüßt den Heimwehkranken Sansibar mit dem Duft seiner Gewürznelken. Noch einmal knüpft ein gütiges Geschick Liebesfäden zwischen zwei einander ebenbürtigen Menschen, und nun wird - prosaisch und romantisch in einem - Peter Bolt als Chauffeur einer Reisegesellschaft im Wildparadies Ostafrikas seine letzte Safari - unfreiwillig - beschließen.

Zitate:

"Ein großer, schwerer Mann tritt in das erleuchtete Viereck der Tür zum Wohnhaus und fragt ins Dunkel: 

'Wer ist da?'

'Zwei Reisende bitten um eine Nachtquartier', ruf Peter über den Hof.
'Right-o', kommt die Antwort. 'Kommt herein! Wir sind gerade beim Essen. Platz ist noch genug da'.
So einfach ist das hier, denkt Paul. Sie treten in eine weite Vorhalle. Der mächtige Mann – mit einem ruhigen gleichmütigen Gesicht – reicht Ihnen eine riesige Rechte. Die beiden Freunde hängen ihre Hüte an den Nagel und folgen ihrem Führer in ein großes Nebenzimmer, wo an einem langen Tisch eine ältere Frau, drei Mädchen, vier Knaben wie die Orgelpfeifen und ein halb Dutzend Männer um große Schüsseln versammelt sind und sich an ganzen Serien von Hamelkoteletts gütlich tun.
'Da unten sind noch Stühle frei', sagt Clayton – denn Clayton ist es, den sie gefunden haben – und nimmt wieder neben seiner Frau Platz, die der Tafel oben präsidiert. Paul und Peter sind ein wenig erschüttert von dieser einfachen und selbstverständlichen Gastfreundschaft, geben sich aber Mühe, sich nichts merken zu lassen, nehmen Platz und greifen ohne viel Federlesens zu. [...]]
Gesprochen wird nicht viel bei Tisch. Das scheint hier gegen die Sitte zu verstoßen. Denn jedesmal, wenn einer der Knaben die Stimme erhebt, fällt ihm der Vater nicht unfreundlich, aber doch jeden Widerspruch ausschließend, ins Wort: 'Sei still! Iss deinen Teller leer!' " (S.83/84)

"Der Mann liegt an der Erde, und tatsächlich wäre Peter beinahe über ihn gestürzt, denn der Unbekannte ist im Schatten des Busches, unter dem er sich ausgestreckt hat, nicht zu ahnen gewesen.
Solche Begegnungen geben Peter immer wieder von neuem Rätsel auf. Der Mann weiß nicht, wer Peter ist. Und Peter weiß nicht, wen er in dem nächtlich umhergeisternden Menschen vor sich hat. Jeder mag vom anderen denken, dass er etwas Böses im Schilde führt. Aber beide vertrauen darauf, dass man am allerseltensten in der gewaltigen Einsamkeit der Wildnis Übelwollenden begegnet; nein, gerade hier, wo die Menschen dichtbesiedelter Länder Gefahr und Überfall am ehesten erwarten zu müssen meinen, kann man gewöhnlich sicherer schlafen als irgendwo in den großen Städten. Die wenigen Menschen fühlen sich im Kampf gegen die Unerbittlichkeit der harten, erbarmungslosen und ungebändigten Natur als Kameraden. Die Gestalt vor Peter fragt, anscheinend höchst vergnügt: 
'Well, auch auf Dingos? Oder hat sie bloß das Geheule der Bestien in ihrem Zelt nicht schlafen lassen?'
'Das letztere, das letztere. Sie haben mir einen schönen Schrecken eingejagt, als Sie vorhin im Tal plötzlich unter mir loslachten.' [...]
'Wissen Sie was', sagt Peter, 'kommen Sie mit zu unserem Lager. Ich koche uns einen Topf Tee.'
'Gut!' sagt der Mann. Für heute haben wir die Dingos ohnehin vergrämt; trinken wir noch ein Glas Tee!" (S.113/114)

16. Kapitel
"Paul und Peter sind als "Stockmen" eingesprungen, dasselbe, was man in Amerika "Cowboys" nennt. Cowboy bedeutet auf Deutsch "Kuhjunge", Stockman aber "Viehmann". Dieser Unterschied in der Bezeichnung findet sein Spiegelbild in der Arbeitsweise der australischen Rinderhirten. In Australien verraten die Hüter der ungeheuren Herden im leeren Norden des Kontinents in keiner ihrer Sitten und Gewohnheiten, dass sie sich einer romantischen oder gar spielerischen Tätigkeit mit Fransenhosen, großen Hüten, bunten Hemden, Silbersporen und Flattertüchern verschrieben haben; sie sind nichts weiter als nüchterne Reiter, die in einem grenzenlos leeren, gefahrvollen und schwierigen Lande, ewig zu Pferde und ohne jeden Weg und Steg, die halb oder ganz wilden Rinder bewachen.

Der Tag war so entsetzlich trocken, das Viehan dieser Wasserstelle zeigte sich so ungebärdig, dass die Reiter an den ungeheuren Wolken des Staubes fast erstickt sind, der von den tausend oder zweitausend angstvoll und aufgeregt galoppierenden Rindern aufgewühlt wurde. Endlich ist die Sonne gesunken." (S.126/127)

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