02 August 2023

A.E. Johann: Weiße Sonne

 

Die "Weiße Sonne" führt nach Indochina in die Frühphase des Indochinakrieges  (Tonkindie Rebellen Việt Minh  und Annam, das unter französischer Verwaltung stehende Gebiet).

Erster Teil:

Hier treffen Peter und Paul auf die Tochter Yü-loh des alten Tai, der intensiv in das Geschäft mit amerikanischen Waffen nach dem Zweiten Weltkrieg und dem beginnenden Indochinakriege verwickelt ist. Peter verliebt sich rasch in Yü-loh. Bei ihrem Versuch, nach Siam zu fahren, wird ihre Dschunke aufgegriffen, Paul wird von der französischen Polizei verhört, während Peter vom Schiff flieht und mit Yü-loh und mit dem alten Tai zusammentrifft. 

Und ehe sie als deutsche Kriegsgefangene wieder den USA übergeben werden, entschließen sich beide, in die französische Fremdenlegion einzutreten. (Ende 1946)

Wikipedia: Der Indochinakrieg "war ein Krieg in Französisch-Indochina   zwischen   Frankreich und der Liga für die Unabhängigkeit Vietnams (Việt Minh), die unter der Führung der vietnamesischen Kommunisten stand. Die französische Seite versuchte, ihre politische Herrschaft in der Kolonie wieder herzustellen. Die Viet Minh verfolgten das Ziel eines unabhängigen und kommunistischen Vietnams. Die französische Kolonialmacht war durch die japanische Einflussnahme und Besetzung der Kolonie im Zweiten Weltkrieg, welche die Viet Minh für die Machtübernahme im Nordteil des Landes im Rahmen der Augustrevolution nutzten, vorübergehend entmachtet worden. Nach einer kurzen Phase der Koexistenz zwischen den Viet Minh und den wiedererstarkenden Franzosen kam es 1946 zum Ausbruch gewalttätiger Auseinandersetzungen.

Bis 1949 war der Konflikt vor allem ein Guerillakrieg der Viet Minh gegen die Kolonialmacht. Ab 1949 entwickelte sich der Konflikt durch die Aufrüstung der Viet Minh durch die im Chinesischen Bürgerkrieg siegreiche Volksrepublik China und die Unterstützung der USA für Frankreich zu einem Stellvertreterkrieg innerhalb des Kalten Krieges."

Der zweite Teil spielt im Jahr 1947. Paul gerät mit einer Truppe in einen Hinterhalt der Viet Minh, Peter trifft mit Yü-Loh zusammen und kommt ins Lager der Viet Minh, wo er die gefangenen Kameraden aus der Fremdenlegion befreien kann, selbst aber nur mit Glück dem Tod entgeht. Beide Freunde wissen nichts über das Schicksal des anderen. 

Der dritte Teil sieht Yü-Loh und Peter am Oberlauf des Jangtse auf den Besitzungen des Hauses Su, das Peter nach dem Wunsch des alten Tai und Yü-Lohs adoptieren soll. Dafür hat er sich der Sippenältesten vorzustellen.


Zitate:

"Yü-loh sagt mit vollendeten Gleichmut: 'Es wird niemand gezwungen, Opium zu genießen. Wer es nicht mag, der kann es bleiben lassen. Unsere Familie ist reich daran geworden. Mein Großvater hat den Mohn ganz fern in entlegenen Tälern Ssetschwans wachsen lassen, als es verboten war und das Opium riesige Preise erzielte.'

Yü-loh hatte diese Antworten plötzlich auf Chinesisch gegeben, als ließen sich diese Dinge nicht auf Englisch sagen.

Peter ist irgendwie im tiefsten betroffen. Er weiß, dass Yü-loh ihm so vollkommen ergeben ist, wie es eine abendländische Frau mit gleicher Bedingungslosigkeit wohl niemals vermöchte. Aber müsste diese Liebe nicht auch auf alle anderen Dinge überstrahlen? In ihrer Welt scheint solches nicht zu gelten. Peter ahnt zum ersten Male, dass im Umkreis chinesischen Geistes kein Gedanke beheimatet ist ist, der sich das Wohl des Mitmenschen, des Bruders, des Nächsten, der Menschheit zum Ziele nähme – nichts dergleichen. Es gelten nur die Beziehungen in der großen Sippe, die Pflichten der Freundschaft, Gehorsam nach oben, Verpflichtung nach unten - alle anderen Menschen sind Fremde. Man kann sie bezahlen, nutzen, kaufen und verkaufen und auch zerstören. Den Menschen allgemein, den Nächsten gibt es nicht."* (S.161)

*Diese Aussage kann man wohl so formulieren, um den Unterschied des westlichen Universalismus  zum vom Konfuzianismus geprägten China zu betonen. Sie ist aber nicht ganz korrekt, weil es auch das das Konzept der allgemeinen Menschlichkeit  von Mozi gibt.

diktierter Text (nicht korrigiert)

" 'Eine schöne Suppe hast du mir eingebrockt. Ich – und Kotau machen! Weiß nicht einmal, was das eigentlich ist! Ich, ein ehrlicher, anständiger Leutnant der Kriegsmarine, und Kotau vor der Lao-tai-tai. Deine viel zitierten Ahnen in Ehren, Yü-loh – aber das kann ich dir sagen, meine würden sich vor Missfallen mit ihrem verlotterten Nachfahren im Grabe umdrehen, wüssten sie, dass ich mich zu Kotaus vor alten Familiendrachen hergebe. Weißt du übrigens, was du bist, Yü-loh? Du bist der größte kleine Satan, den Gottes Sonne je beschienen hat. Wenn alle chinesischen Frauen so sind wie du, Yü-loh, dann sind die chinesischen Männer die erbarmungslwürdigsten Geschöpfe auf Erden.'

Sie lachte unbändig. Der Mond beschien ihr Antlitz. Mit der schönen Que-hua-Blüte, die sie auf einem Tischchen neben dem Bett abgelegt hatte, verschloss sie ihm den Mund. Sie flüsterte ihm etwas zu, was er nicht verstand – es kam auf etwas weniger oder mehr dieser Art schon nicht mehr an: 'Du Yang zu meinem Yin! Du Yang zu meinem Yin!'

'Ist mir recht!' sagte Peter heiter. 'Erklär es mir morgen, wenn wir die bissige Lao-tai-terai-tai-tai hinter uns haben. Wie ist das also mit dem kunstgerechten Kotau?'

Ach, sie erstickten fast vor unterdrücktem Gelächter, denn bald übten die beiden im Mondenschein, gekleidet in ihre Nachtkittel, auf dem dicken Teppich vor ihrem Bett Kotau. Yü-loh machte die Lao-tai-tai, und Peter war sich vor ihr zu Boden, dass seine Stirn den Boden berührte, bis die jugendliche Alte zufrieden war. Dann aber kam sie selbst an die Reihe. Peter zeigte sich erbarmungslos." (S.183)

"Peter sagt sich: Wie kann man in diesem Lande glücklich sein, ja, überhaupt nur frei atmen, wo es so viel Schinderei, hündische Armut, elendestes Elend gibt? Er glaubt mit einem Male zu wissen, warum sich die Reichen dieses Landes hinter hohen, festen Mauern, die mit Glasscherben bewehrt sind, hinter baumstarken, mächtigen, immer verschlossenen Toren verstecken – ." (S.205)

"Die Missionare betrachteten Peter zuweilen forschend; aber Peter nahm keine Kenntnis davon. Später fragten sie ihn dann, ob er Lust hätte, an ihrer Abendandacht teilzunehmen. Peter bekannte, dass er christlich getauft sei, und sagte zu. Im Geheimen bewunderte er diese Männer, die im tiefsten, fernsten China saßen, von ihrer Heimat so abgeschnitten wie nur möglich, die sich selbst in eine unheimlich fremde Welt versetzt hatten, um diesen schlitzäugigen, gelbgesichtigen Menschen eine Botschaft zu bringen, nach der das völlig in sich selbst befangene und ruhende, ach, versteinte Volk nicht das geringste Verlangen trug." (S.213 )





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