Alexander Wendt: Verachtung nach unten. Wie eine Moralelite die Bürgergesellschaft bedroht - und wie wir sie verteidigen können.
Als Nutzer sozialer Medien stelle ich fest, dass viele Nutzer die AfD und ihre Wähler kollektiv abwerten mit Begriffen/Kürzeln wie noafd oder durch Verbindung mit schmutzigen Wörtern.
Wer sich zur Antifa zählt, glaubt sich oft zu hoher Militanz gegen AfD-Anhänger berechtigt, die bei Gegendemonstrationen gegen rechte Demonstrationen bis zur Gewaltanwendung gehen kann.
Wendts Buch verspricht vom Titel her eine Erklärung solcher zur Schau gestellten Verachtung.
Bei der Lektüre sah ich mich eine Zeit lang in meiner Vermutung bestätigt, bis ich darauf stieß, dass er zur Moralelite, die er ablehnt, auch Black lives matter, Fridays for Future und Letzte Generation zählt und auch die Verfechter einer moralischen Überlegenheit von LGBTQ-Menschen.
Hier meine Kurzfassung seiner Aussagen (aufgrund einer kursorischen Lektüre der ersten 344 Seiten):
Die Moralelite bezeichnet er auch als Erleuchtete, Erwachte, Wohlmeinende und Wohlgesinnte. Von ihnen gehe ein Versuch aus, das Denken in einer bestimmten Richtung festzulegen.
Zu dieser Gruppe, die Denkgebot erlassen, zählt er Vertreter der Identitätspolitik, der Kritischen Rassentheorie und des Postkolonialismus. Sie streben aus seiner Sicht eine Steuerung und Entindividualisierung und Beseitigung des selbstverantwortlichen Bürgers an. 'Sie öffnen das Denken nicht, sondern sie schließen es'. Sie vereinfachen grob in der Absicht, möglichst viele Follower zu finden.
Der Antikapitalismus des solcherart gelenkten Moralbürgertums trete vor allem als Wachstumskritik auf.
Solches jugendliche Vertreten von Fridays for Future entlarve sich freilich als Heuchelei, da gegenwärtig der Anteil von Jugendlichen bei Flugreisenden und Autobesitzer zunehme.
Zitat:
"Verteidigung gründet sich allerdings auf die Bereitschaft zur Konfrontation.
Die folgenden zwölf Regeln, eine Summe aus der Geschichte von Bürger-, Macht- und Rechtsverständnis, können dabei helfen.
1. In einer offenen Gesellschaft lässt sich aus der Hautfarbe weder eine generelle Privilegierung noch eine generelle Diskriminierung ableiten.
2. Schuld ist immer individuell und konkret. Niemand muss sich eine Schuld für den Kolonialismus und die Sklaverei einreden lassen. Es gibt keine ’white guild‘.
3. Niemand kann eine moralischere , höherwertige Sicht der Dinge für sich beanspruchen, weil er eine Minderheit angehört.
4. Wenn sich jemand durch eine legitime Meinungsäußerung verletzt fühlt, ist das ein Affekt, aber kein Argument, das jemand kümmern müsste./
5. Im öffentlichen Raum hat niemand Anrecht auf einen 'safe space', also einen Schutzraum vor Kritik und überhaupt anderen Meinungen.
6. Institutionelle Macht, Mitteilung, Rede und Gegenrede gehören zu allen öffentlichen Angelegenheiten. Zweifel gehört zur Wissenschaft.
7. Von keinem Mitarbeiter in einem Unternehmen und einer Institution dürfen Bekenntnisse verlangt werden, die über das hinausgehen, was Verfassung und allgemeine Gesetze vorsehen.
8. Es ist völlig legitim, eine pauschale Anklage gegen den Westen als kolonialistisch, rassistisch und unterdrückerisch genauso pauschal als anmaßend zurückzuweisen.
9. Wer die Existenz einer 'weißen Schuld' und einer kollektiven, westlichen Schuld für die Vergangenheit behauptet, sollte umgekehrt mit der Frage konfrontiert werden, was ihn dazu legitimiert.
10. Weder der Staat mit seinen Ressourcen noch überwiegend deutlich staatlich finanzierte Organisationen haben sich am öffentlichen Meinungsstreit zu beteiligen.
11. Der Staat und seine Repräsentanten befinden sich gegenüber den Bürgern in einer dienenden Position. Sie sind den Bürgern verantwortlich, nicht umgekehrt.
12. Erwachsene sind keine Erziehungsobjekte. Auch die beste Absicht rechtfertigt keinen Übergriff auf die Souveränität des Bürgers." (S.347/348)
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