Von Zeit zu Zeit greife ich ins Bücherregal, um mir kurzfristig Texte wieder vor Augen zurufen, die ich lange nicht mehr gelesen habe. Was mir für einen zweiten Blick und zur Gedächtnisauffrischung dienen soll, ist für andere vielleicht Anregung.
Im zweiten Teil der Fausttragödie kommt Faust von der bürgerlichen Welt, wo er als Gelehrter die Welt verstehen wollte, an den kaiserlichen Hof, wo es gilt, die Wünsche des Kaisers zu befriedigen. Da gelingt ihm auf dem Finanzsektor mit Mephistos Hilfe durch die Einführung des Papiergelds Dann folgt die nächste Anforderung:
Wikipedia: Finstere Galerie. Faust. Mephistopheles.
"Faust berichtet Mephisto davon, dass der Kaiser ihm aufgetragen habe, Helena und Paris, die Urbilder der Schönheit, an seinen Hof zu holen. Denn: „Erst haben wir ihn reich gemacht, Nun sollen wir ihn amüsieren“ (6190–6191). Mephisto erklärt ihm, das Mittel, die beiden heraufzubeschwören, sei ein „glühender Dreifuß“ (6283), den Faust mit Hilfe eines magischen Schlüssels im Reich der „Mütter“, dem tiefsten Mysterium, finde: „Göttinnen thronen hehr in Einsamkeit, um sie kein Ort, noch weniger eine Zeit“ (6213–6215). Faust macht sich daraufhin auf, hinunter ins Reich der Mütter zu steigen."
FAUST.
Du hast, Geselle, nicht bedacht,
Wohin uns deine Künste führen;
Erst haben wir ihn reich gemacht,
Nun sollen wir ihn amüsieren.[190]
MEPHISTOPHELES.
Du wähnst, es füge sich sogleich;
Hier stehen wir vor steilern Stufen,
Greifst in ein fremdestes Bereich,
Machst frevelhaft am Ende neue Schulden,
Denkst Helenen so leicht hervorzurufen
Wie das Papiergespenst der Gulden. –
Mit Hexen-Fexen, mit Gespenst-Gespinsten,
Kielkröpfigen Zwergen steh' ich gleich zu Diensten;
Doch Teufels-Liebchen, wenn auch nicht zu schelten,
Sie können nicht für Heroinen gelten.
FAUST.
Da haben wir den alten Leierton!
Bei dir gerät man stets ins Ungewisse.
Der Vater bist du aller Hindernisse,
Für jedes Mittel willst du neuen Lohn.
Mit wenig Murmeln, weiß ich, ist's getan;
Wie man sich umschaut, bringst du sie zur Stelle.
MEPHISTOPHELES.
Das Heidenvolk geht mich nichts an,
Es haust in seiner eignen Hölle;
Doch gibt's ein Mittel.
FAUST.
Sprich, und ohne Säumnis!
MEPHISTOPHELES.
Ungern entdeck' ich höheres Geheimnis.
Göttinnen thronen hehr in Einsamkeit,
Um sie kein Ort, noch weniger eine Zeit;
Von ihnen sprechen ist Verlegenheit.
Die Mütter sind es!
FAUST aufgeschreckt.
Mütter!
MEPHISTOPHELES.
Schaudert's dich?
Faust. Die Mütter! Mütter! – 's klingt so wunderlich!
MEPHISTOPHELES.
Das ist es auch. Göttinnen, ungekannt
Euch Sterblichen, von uns nicht gern genannt.
Nach ihrer Wohnung magst ins Tiefste schürfen;
Du selbst bist schuld, daß ihrer wir bedürfen.
FAUST.
Wohin der Weg?
MEPHISTOPHELES.
Kein Weg! Ins Unbetretene,
Nicht zu Betretende; ein Weg ans Unerbetene,
Nicht zu Erbittende. Bist du bereit? –
Nicht Schlösser sind, nicht Riegel wegzuschieben,
Von Einsamkeiten wirst umhergetrieben.
Hast du Begriff von Öd' und Einsamkeit?[191]
FAUST.
Du spartest, dächt' ich, solche Sprüche;
Hier wittert's nach der Hexenküche,
Nach einer längst vergangnen Zeit.
Mußt' ich nicht mit der Welt verkehren?
Das Leere lernen, Leeres lehren? –
Sprach ich vernünftig, wie ich's angeschaut,
Erklang der Widerspruch gedoppelt laut;
Mußt' ich sogar vor widerwärtigen Streichen
Zur Einsamkeit, zur Wildernis entweichen
Und, um nicht ganz versäumt allein zu leben,
Mich doch zuletzt dem Teufel übergeben.
MEPHISTOPHELES.
Und hättest du den Ozean durchschwommen,
Das Grenzenlose dort geschaut,
So sähst du dort doch Well' auf Welle kommen,
Selbst wenn es dir vorm Untergange graut.
Du sähst doch etwas. Sähst wohl in der Grüne
Gestillter Meere streichende Delphine;
Sähst Wolken ziehen, Sonne, Mond und Sterne –
Nichts wirst du sehn in ewig leerer Ferne,
Den Schritt nicht hören, den du tust,
Nichts Festes finden, wo du ruhst.
FAUST.
Du sprichst als erster aller Mystagogen,
Die treue Neophyten je betrogen;
Nur umgekehrt. Du sendest mich ins Leere,
Damit ich dort so Kunst als Kraft vermehre;
Behandelst mich, daß ich, wie jene Katze,
Dir die Kastanien aus den Gluten kratze.
Nur immer zu! wir wollen es ergründen,
In deinem Nichts hoff' ich das All zu finden.
MEPHISTOPHELES.
Ich rühme dich, eh' du dich von mir trennst,
Und sehe wohl, daß du den Teufel kennst;
Hier diesen Schlüssel nimm.
FAUST.
Das kleine Ding!
MEPHISTOPHELES.
Erst faß ihn an und schätz ihn nicht gering.
FAUST.
Er wächst in meiner Hand! er leuchtet, blitzt!
MEPHISTOPHELES.
Merkst du nun bald, was man an ihm besitzt?
Der Schlüssel wird die rechte Stelle wittern,
Folg ihm hinab, er führt dich zu den Müttern.[192]
FAUST schaudernd.
Den Müttern! Trifft's mich immer wie ein Schlag!
Was ist das Wort, das ich nicht hören mag?
MEPHISTOPHELES.
Bist du beschränkt, daß neues Wort dich stört?
Willst du nur hören, was du schon gehört?
Dich störe nichts, wie es auch weiter klinge,
Schon längst gewohnt der wunderbarsten Dinge.
FAUST.
Doch im Erstarren such' ich nicht mein Heil,
Das Schaudern ist der Menschheit bestes Teil;
Wie auch die Welt ihm das Gefühl verteure,
Ergriffen, fühlt er tief das Ungeheure.
MEPHISTOPHELES.
Versinke denn! Ich könnt' auch sagen: steige!
's ist einerlei. Entfliehe dem Entstandnen
In der Gebilde losgebundne Reiche!
Ergetze dich am längst nicht mehr Vorhandnen;
Wie Wolkenzüge schlingt sich das Getreibe,
Den Schlüssel schwinge, halte sie vom Leibe!
FAUST begeistert.
Wohl! fest ihn fassend fühl' ich neue Stärke,
Die Brust erweitert, hin zum großen Werke.
MEPHISTOPHELES.
Ein glühnder Dreifuß tut dir endlich kund,
Du seist im tiefsten, allertiefsten Grund.
Bei seinem Schein wirst du die Mütter sehn,
Die einen sitzen, andre stehn und gehn,
Wie's eben kommt. Gestaltung, Umgestaltung,
Des ewigen Sinnes ewige Unterhaltung.
Umschwebt von Bildern aller Kreatur;
Sie sehn dich nicht, denn Schemen sehn sie nur.
Da faß ein Herz, denn die Gefahr ist groß,
Und gehe grad' auf jenen Dreifuß los,
Berühr ihn mit dem Schlüssel!
FAUST macht eine entschieden gebietende Attitüde mit dem Schlüssel.
MEPHISTOPHELES ihn betrachtend.
So ist's recht!
Er schließt sich an, er folgt als treuer Knecht;
Gelassen steigst du, dich erhebt das Glück,
Und eh' sie's merken, bist mit ihm zurück.
Und hast du ihn einmal hierher gebracht,
So rufst du Held und Heldin aus der Nacht,
Der erste, der sich jener Tat erdreistet;
Sie ist getan, und du hast es geleistet.[193]
Dann muß fortan, nach magischem Behandeln,
Der Weihrauchsnebel sich in Götter wandeln.
FAUST.
Und nun was jetzt?
MEPHISTOPHELES.
Dein Wesen strebe nieder;
Versinke stampfend, stampfend steigst du wieder.
FAUST stampft und versinkt.
MEPHISTOPHELES.
Wenn ihm der Schlüssel nur zum besten frommt!
Neugierig bin ich, ob er wiederkommt.
Mephisto gibt sich allwissend und erläutert Faust wie im Märchen, was er tun soll, die - an sich unlösbare - Aufgabe zu erfüllen, und erklärt dann, dass er selbst nicht wisse, ob ihm das gelingt.
Übersprungen wird das Geisterspiel mit Helena und Paris, die Schaffung des Homunkulus durch Wagner und die klassische Walpurgisnacht, um im nächsten Artikel) die Helenatragödie, das Gegenstück zur Gretchentragödie aus Faust I vorzuführen. Denn die übersprungen Teile verlangen mit Ausnahme der Szene mit Mephisto und den Baccalaureus nach einem ernsthaften Studium.
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