02 Oktober 2011

Mozart auf der Reise nach Prag

Eduard Mörikes Novelle Mozart auf der Reise nach Prag stellt eine - frei erfundene - glückliche Begegnung Mozarts aus der Entstehungsgeschichte seiner Oper Don Giovanni mit einer gräflichen Familie dar.
Ein kleiner Übergriff - Mozart pflückt im frei zugänglichen Park des Grafen eine Bitterorange - führt zur Begegnung mit der kunstsinnigen Familie, bei der Mozart Entscheidendes zur Verlobungsfeier der musikalisch besonders aufgeschlossenen Eugenie beitragen kann.
Constanze Mozart wird dabei als geradezu ideale Gattin dargestellt, die Mozarts auf finanziellen Notlagen beruhende Verstimmungen in heiterer Weise mit pädagogisch-optimistischen Zukunftsbildern aufzufangen weiß. Die zur damaligen Zeit sehr aufreibenden Reiseanstrengungen - Mozart verbrachte über zehn Jahre seines Lebens auf Reisen - werden als Weg zum - kurzfristigen - Glück gezeigt, doch klingt auch die Erfahrung an, dass manchmal während einer Reise ein neuer Wagen gekauft werden musste. Wieder in angenehmster Weise: der Graf schenkt Mozart einen Wagen.
Die gelöste Stimmung während dieser Begegnung kommt in einem improvisierten Terzett zum Ausdruck:
"Der Graf begann hierauf mit großer Macht und Sicherheit der Intonation, kraft eigener Eingebung, zu singen:
Mögen ihn die Götter stärken

Zu den angenehmen Werken –
Max (fortfahrend):

Wovon der da Ponte weder,
Noch der große Schikaneder –
Mozart:

Noch bi Gott der Komponist
's mindest weiß zu dieser Frist!
Graf:

Alle, alle soll sie jener
Hauptspitzbub von Italiener
Noch erleben, wünsch ich sehr,
Unser Signor Bonbonnière!2
Max:

Gut, ich geb ihm hundert Jahre –
Mozart:

Wenn ihn nicht samt seiner Ware –
Alle drei con forza:

Noch der Teufel holt vorher.
Unsern Monsieur Bonbonnière.
Durch des Grafen ausnehmende Singlust schweifte das zufällig entstandene Terzett mit Wiederaufnahme der letzten vier Zeilen in einen sogenannten endlichen Kanon aus, und die Fräulein Tante besaß Humor oder Selbstvertrauen genug, ihren verfallenen Soprano mit allerhand Verzierungen zweckdienlich einzumischen. Mozart gab nachher das Versprechen, bei guter Muße diesen Spaß nach den Regeln der Kunst expreß für die Gesellschaft auszuführen, das er auch später von Wien aus erfüllte."
(Monsieur Bonbonnière war der Spitzname, den Mozart dem Komponisten Salieri gegeben hatte, weil der gern Süßes aß.)


Die Tragik, die Mozarts Leben und auch seine Oper Don Giovanni umweht, beherrscht das Schlussgedicht der Novelle:

Ein Tännlein grünet wo
Wer weiß, im Walde;
Ein Rosenstrauch, wer sagt,
In welchem Garten?
[622] Sie sind erlesen schon,
Denk es, o Seele,
Auf deinem Grab zu wurzeln
Und zu wachsen.

Zwei schwarze Rößlein weiden
Auf der Wiese,
Sie kehren heim zur Stadt
In muntern Sprüngen.
Sie werden schrittweis gehn
Mit deiner Leiche;
Vielleicht, vielleicht noch eh
An ihren Hufen
Das Eisen los wird,
Das ich blitzen sehe!

Wenn man das Lied hören will, besteht bei Youtube, wenn man die Novelle nachlesen will, besteht hier Gelegenheit. (zeno.org)
Einen ganzen Zyklus von Mörikeliedern bietet Dietrich Fischer-Dieskau.

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