14 Juni 2013

Kitsch oder nicht? (Begegnung III)

Das Mädchen ließ die Rechte mit der Sichel sinken; es fiel ihr aber nicht ein, das Gerät auf die Erde zu werfen. »Ich werde so lange arbeiten und auf meinem Posten bleiben, bis ein Ersatz für mich da ist,« entgegnete sie ernst gelassen. »Und weshalb ›meine Dame‹ auf eine Kunst verzichten soll, die sie liebt, das verstehe ich nicht.« »Ei, sagten Sie denn nicht, daß sie über das Meer gehen würde? Nun sehen Sie, das ist der direkte Weg ins Schlaraffenland, zu dem erträumten Diamantenprinzen!« Sie verzog geringschätzend die Lippen. »Was doch solch ein reicher Mann für eine hohe Meinung von der Macht des Besitzes hat,« sagte sie bitter. Er lachte. »Wäre sie etwa falsch, diese Meinung? Gott bewahre! Sie bestätigt sich alle Tage! – Geben Sie einen Diamantenregen über Kopf und Schultern, einen Palast in volkreicher Großstadt und ein märchenhaftes Sommerhaus inmitten reicher Pflanzungen, und solch ein begehrliches Erzieherinnenpersönchen wird den Spender all dieser Herrlichkeiten hinreißend finden, und wäre er schwarz und roh wie der Teufel selbst ... Glauben Sie das nicht?« »Mein Gott, ja – wenn Sie es sagen!« antwortete sie ebenso leichthin, wie er gesprochen. »Die eine, die ich meine, hat ja auch ihren Sparren. Ist es nicht grenzenlos vermessen, daß sie sich auch erlaubt, Neigungen und Vorurteile zu haben, ganz wie Sie? Ich weiß, daß sie den Vorzug des Reichtums genau auf dieselbe Stufe stellt, wohin Sie die verhaßten Erzieherinnen verweisen – tief unter ihre Wünsche.« [...]
Glauben Sie, ich könnte auch nur einen Bissen Brot von dem Tische eines Mannes essen, der in seinem Innern fortwährend mit dem Verdacht kämpfte, nicht die Liebe, sondern das Verlangen nach einer begehrenswerten äußeren Lebensstellung habe mich in seine Arme getrieben? – Nein, dagegen ist das selbstverdiente Brot der Erzieherin ein süßes, ein hoch ehrenhaftes! Und ich werde es essen, solange mir Leben und Schaffenskraft verbleiben!« »Agnes!« ... Er hatte ihre beiden Hände ergriffen; er hielt sie, trotz alles Sträubens, fest und zog sie an sich. »Wollen Sie wirklich den übermütigen Burschen so grausam züchtigen, der, von einem Wahn, einem oberflächlichen Vorurteil ausgehend, selbst nicht gewußt hat, was er verübt?« ... Ein schelmisches Lächeln zuckte um seinen Mund. – »Soll ich hier, in diesem verregneten Garten, Ihnen zu Füßen sinken und um Verzeihung bitten? Soll ich das bißchen Geld, um deswillen Sie den bösen, eingebildeten Menschen nicht wollen, in die Spree werfen? (Amtsmanns Magd)

Gibt es Parallelen zu Pride and Prejudice?
Wenn Jane Austens Roman kein Kitsch ist, wieso sollte dieser Text es sein?
Was unterscheidet die Texte?



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