Lais lernt einen jungen, wunderschönen, reichen persischen Fürsten kennen, der ihr jeden Wunsch von den Augen abliest. Daraufhin schmiedet sie einen Plan.
Lais an Aristipp
Du erinnerst dich vielleicht noch, daß mir anfangs ein wenig bange war, er möchte wohl einige Anlage zur [33] Eifersucht haben; aber von der Art Eifersucht, womit der arme Mensch geplagt ist, ließ ich mir wenig träumen. Er ist nicht etwa darüber eifersüchtig, daß ich nicht zärtlich genug gegen ihn bin, oder vielleicht einen andern lieber haben könnte als ihn: er ist es über sich selbst, weil er immer zu wenig zu thun glaubt, und immer einen Arasambes im Kopfe stecken hat, der noch viel mehr thun möchte und könnte. Auch geht sein Eifer mir gefällig zu seyn, und mir keinen möglichen Wunsch übrig zu lassen, bis zum Unglaublichen. Hat er nicht neulich zwanzig schöne Hyrkanische Pferde zu Tode reiten lassen, um einen gewissen Fisch, mit einem barbarischen Namen den ich wieder vergessen habe, herbeizuschaffen, von welchem jemand über der Tafel erzählt hatte, er habe wechselsweise gold- und purpurfarbne Schuppen, und würde nirgends als im Ausfluß des Phasis gefangen? Ich Unglückliche lasse mir in der Unschuld meines Herzens das Wort entfahren; diese Fische müßten in einem Gartenteiche nicht übel aussehen. Augenblicklich springt mein Arasambes auf, ist wie ein Blitz aus dem Saal verschwunden, und in weniger als einer halben Stunde höre ich das Trampeln einer ganzen Schwadron Reiter, die den Befehl haben, Tag und Nacht zu rennen, um etliche Fäßchen voll dieser Fische, sie möchten kosten was sie wollten, vom östlichen Ende des Euxins herbeizuholen. Du kannst nicht glauben, wie ich mich in Acht nehmen muß, daß solche Dinge nicht alle Tage begegnen. Und nun vollends den Zwang, den ich mir anthun muß, wenn ich nicht in meinen eignen Augen die undankbarste Person von der Welt scheinen will, ihm über dergleichen ausschweifende Beweise[34] seiner sublimen Leidenschaft eine Freude zu zeigen, die ich nicht fühle! Ich sage dir, wenn das noch lange so währen sollte, ich behielte keinen ehrlichen Blutstropfen im Leibe! [...] (Wieland: Aristipp 2. Band 9.Brief)Glücklicherweise hat sich eine Göttin meiner angenommen, deren besondere Gunst ich in meinem Leben schon oft genug erfahren habe, um es meine erste Sorge seyn zu lassen, wenn ich nach Aegina zurückkomme, ihr einen kleinen Tempel vom schönsten Lakonischen Marmor zu erbauen. Dieser Tage läßt sich ein Cilicischer Sklavenhändler bei mir melden, und bietet mir eine junge Sklavin aus Kolchis an, die (wie er sich sehr höflich ausdrückte) wofern Lais unter die Sterblichen gerechnet werde, an Schönheit die zweite in der Welt sey. In der That überraschte mich ihre Gestalt, als sie aus dem dreifachen Schleier, der sie allen profanen Augen unsichtbar gemacht hatte, wie der Vollmond aus einem Gewölbe hervor trat, und in dem zierlichen Anzuge einer jungen Korbträgerin31 der Athene oder Demeter32 vor mir stand. Schwerlich hast du jemals so große, so schwarze und so blitzende Augen gesehen, von schönerm Ausschnitt, und die das Hygron, das die Dichter und Maler der Aphrodite geben, in einem so hohen Grade gehabt hätten, noch Lippen, die so unwiderstehlich zum Kuß herausfordern, wie Anakreon sagt! Ich nahm sie sogleich ins Bad mit mir, und ich könnte dir über das Erstaunen, womit wir einander beide ansahen, sonderbare Dinge erzählen, wenn sie nicht unter die unaussprechlichen gehörten. Laß dir genug seyn, Aristipp, daß ich gewiß bin, durch den glücklichsten Zufall[41] gefunden zu haben, was ich lange vergebens hätte suchen können, und daß Arasambes diesem Iynx nicht widerstehen wird. Kurz und gut, ich habe mir mit tausend blanken Dariken eine Nebenbuhlerin erkauft, die mir in kurzem die Wonne verschaffen soll, mein geliebtes Griechenland wieder zu sehen, und die herzerquickende Luft der Freiheit wieder zu athmen, außer welcher ich nicht gedeihen kann. Das Mädchen scheint nicht über sechzehn Jahre alt, ist eine Griechin von Geburt und absichtlich für das Gynäceum irgend eines Persischen Satrapen erzogen; denn sie singt und spielt verschiedene Instrumente sehr gut, tanzt wie eine Nymphe, und weiß ihre großen funkelnden Augen meisterlich zu regieren. [...] (Wieland: Aristipp 2. Band 11. Brief)
Mein Anschlag ist gelungen. Arasambes läßt sich gefallen – [...] Arasambes biß getrost an die Angel. Seine Leidenschaft wuchs nun mit jedem Tage schneller, und man murmelte schon im ganzen Palast davon, bevor er selbst vielleicht wußte, wie weit sie ihn führen könnte. Aber wer bei allem diesem mit gänzlicher Blindheit geschlagen zu seyn schien, war deine Freundin Lais. Sie allein merkte nichts davon, daß sie sich thörichter Weise mit schwerem Gelde eine gefährliche Nebenbuhlerin erkauft habe; ahnete so wenig davon, daß sie ihren Fall noch sogar beschleunigte, indem sie dem zärtlichen Perser, nach einem paar schwerfälligen Stunden, die er mit ihr zuzubringen genöthiget war, den Vorschlag that, den ihr der weise Aristipp unter den Fuß gegeben hatte. Arasambes machte, wie billig, einige Schwierigkeiten, mußte sich aber, da er keinen Begriff davon hatte, wie man ihr etwas abschlagen könnte, endlich doch ergeben; zumal wie [46] er hörte, daß sie ihre geliebte Perisäne zum Unterpfand ihrer Wiederkunft zurücklassen wolle, wofern sie sich versprechen dürfe, daß er das gute Kind in seinen Schutz nehmen werde; eine Bedingung, die er ihr in den gefälligsten Ausdrücken von der Welt zugestand.
Nicht wahr, Aristipp, das nennt man doch eine Sache mit guter Art machen? So zart und schonend pflegen Liebende bei euch Griechen einander nicht zu behandeln!
Meine Abreise von Sardes nach Milet wird nicht länger aufgeschoben werden als die nöthigen Zurüstungen erfordern. Arasambes hat mir zu diesem Ende zehntausend Dariken, theils in Golde, theils in Anweisungen auf bekannte Häuser in Milet zustellen lassen – ein Reisegeld, das vielleicht den Argwohn bei dir erregen wird, als ob er nicht sehr auf meine Zurückkunft rechne. [...] (Wieland: Aristipp 2. Band 12.Brief)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen