"Jetzo saß, Hand in Hand, das Brautpaar zum erstenmal allein im Finstern nebeneinander... Schöne Stunde, worin in jeder Wolke ein lächelnder Engel stand und aus jeder statt der Regentropfen Blumen niederwarf, möge dein Widerschein bis auf mein Papier langen und da noch sichtbar sein! – Der Neuvermählte hatte noch nie seine Braut geküßt. Er wußte oder glaubte, sein Gesicht sei mehr geistreich, angespannt, eckig und scharf als glatt-schön; und da er noch dazu seine Gestalt immer selber lächerlich machte: so meinte er, sie komme auch andern so vor. Daher bracht' er, der sich sonst über die Augen und Zungen einer ganzen Gasse wegsetzte, doch nicht so viel Mut zusammen, um, außer den Zeiten der freundschaftlichen Dithyramben, nur seinen – Leibgeber zu küssen, geschweige seine Lenette. Er drückte ihre Hand jetzo heftiger und wandte kühn sein Gesicht gegen ihres, zumal da er nichts sehen konnte, und wünschte, die Treppe habe so viel Staffeln wie der Münsterturm, damit Leibgeber später mit dem Lichte erschiene. Auf einmal hüpfte ein gleitender bebender Kuß über seinen Mund und – nun schlugen alle Flammen seiner Liebe aus der weggewehten Asche auf. Denn Lenette, so unschuldig wie ein Kind, glaubte, es sei die Pflicht der Braut, diesen Kuß zu geben. Er umfaßte die zagende Geberin mit aufmerksamer schüchterner Kühnheit und glühte mit allem Feuer, das ihm Liebe, Wein und Freude gaben, auf ihren Lippen mit seinen; aber sie wandte – so sonderbar ist dieses Geschlecht – den gefesselten Mund von dem brennenden ab und kehrte den beglückten Lippen wieder die Wangen zu. – – Und hier blieb der bescheidene Gatte mit einem langen Kusse ruhen und drückte seine Wonne bloß durch unaussprechlich-süße Tränen aus, die wie glimmende Naphthatropfen auf Lenettens Wangen fielen und darauf in ihr zitterndes Herz. Sie lehnte das Angesicht immer weiter zurück; aber im schönen Staunen über seine Liebe zog sie ihn doch enger an sich. – – Er ließ sie, eh' sein Liebling kam. Der auf den Bräutigam gefallene verräterische Puderschnee – dieser Schmetterlingstaub, der vom kleinsten Anfassen dieser weißen Schmetterlinge an den Fingern bleibt, daher Pitt mit Bedacht 1795 eine Taxe auf den Puder legte
(Jean Paul: Siebenkäs, 1. Kapitel)
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