25 August 2019

Wilhelm Speyer: Der Kampf der Tertia revisited


Die Handlung spielt in einem Internat wie bei Harry Potter (übrigens einzügig).
Die 9. Klasse mit sehr guter Klassengemeinschaft, damals noch Obertertia genannt, stand in Konkurrenz zur 10. Klasse, der Untersekunda, die sich sehr viel erwachsener vorkam.

Bei der Klassensprecherwahl hatte Daniela, das einzige Mädchen der Klasse, nur zwei Stimmen bekommen, alle anderen der Große Kurfürst. Seinen Namen trug er nach dem Großen Kurfürsten von Brandenburg-Preußen, der dort den Absolutismus durchgesetzt hatte. Der Schüler der Große Kurfürst war redegewandt und diplomatisch und konnte Strategien entwickeln.

Daniela grollte nach dieser Wahlniederlage der Klasse, entzog sich der Klassengemeinschaft und lebte in ihrer Freizeit von da ab in einem selbst gebauten Baumhaus im Wald. Am Rande des Wäldchens hatte sie Schilder aufgehängt: "Wer weitergeht, wird erschossen." Sie verteidigte sich mit ihren zwei Doggen und Pfeil und Bogen.

Meine große Schwester Elisabeth identifizierte sich mit Daniela. Meine Schwester Gertrud schwärmte für Otto Kirchholtes, einen von den beiden, die Daniela gewählt hatten. Ich selbst identifizierte mich zum Teil mit Lüders, dem Stärksten aus der Klasse, zum Teil mit Borst, einem Namenlosen, der Daniela die andere Stimme gegeben hatte, weil ich wie er der Kleinste war und um Anerkennung lang. (Natürlich hatte Borst wie alle Schüler einen bürgerlichen Namen, aber er hatte sich in der Klassengemeinschaft noch keinen Namen gemacht. Freilich, im Unterschied zu den anderen Schülern, die in dieser Erzählung namenlos bleiben, hat er eine Sonderrolle, dank der ihm in der Erzählung eine Name zusteht.

Daniela liebte Otto Kirchholtes (wie er sie) und nahm Borst nicht ernst, doch benutzte sie ihn, um der Klasse Botschaften zu überbringen, und so wird er zu einem wichtigen Handlungsträger.

Daniela war naturverbunden wie die Indianer (Pfeil und Bogen) und genoss den Schutz des Doktors, des Leiters der Schulstaates.

Im Zentrum der Erzählung stehen ein Fußballspiel der Tertia gegen die 10. Klasse und eine Tierschutzaktion der Tertia, bei der die Schulregeln durchbrochen wurden (wie bei Fridays for Future), die Tertia aber das Wohlwollen der jüngeren Lehrer genießt und wohl die stillschweigende Billigung durch den Direktor.
(Die Tertianer retteten die Katzen von Maineweh, die alle getötet werden sollten, weil eine Tollwut vermutet wurde, die es aber nicht gab. Insofern "reagiert" Speyer schon auf das Töten von Millionen von Nutztieren, das heute bei Seuchen praktiziert wird.)
Folgendes möchte ich noch hinzufügen: Noch heute gefallen mir am Kampf der Tertia die Anspielungen auf die Indianer, auf Preußen, auf Napoleon und nicht zuletzt auf Shakespeare wie gegen Schluss der Folgeerzählung des Kampfes "Die goldene Horde", wo es heißt:

" 'Bestimme du, Borst! Du bist nun einmal unser Häuptling!'
'Sollte ich nicht doch erst Rechenschaft ablegen?' fragte Borst mit einem Blick zum Kurfürsten, und er war bescheiden wie Mark Anton vor den Römern am Sarge des großen Cäsar." 

Thomas Mann hat sich für Wilhem Speyer sehr eingesetzt und eins seiner Werke sehr gelobt, freilich nicht den Kampf der Tertia, sondern den 1947 erschienenen Roman "Das Glück der Andernachs".

Wer mehr über die Handlung des Buches erfahren will, kann hier nachlesen.

Zitate:
"Die Tertianer hatten sich noch eben gewaltig gestritten. [...]  Man stritt sich [...] aus Müßiggang, aus nichts und wieder nichts, sozusagen um einen Dreck. So hatten die Truppen des Hannibal in Capua* und die Ostgoten in der Romagna gehadert, wenn es nichts zu erschlagen, zu stürmen und zu plündern gab... (S.9)

* "Die Römer hatten ihre anfängliche Strategie unter Einfluss des „Zauderers“ Fabius Maximus gewechselt und griffen die Karthager in Italien und Spanien nur noch in Hannibals Abwesenheit an. Als Capua 211 v. Chr. durch römische Truppen belagert wurde, unternahm Hannibal doch noch einen Scheinangriff auf Rom, um dadurch die Belagerer Capuas zum Rückzug zu bewegen. Laut Cicero (der rund hundert Jahre später lebte) soll dabei der berühmte Ausruf Hannibal ad portas ertönt sein („Hannibal bei den Toren“), der meist als Hannibal ante portas zitiert wird („Hannibal vor den Toren“).[4]Hannibal konnte jedoch den Fall Capuas nicht verhindern, was schon von antiken Historikern als Wendepunkt des Krieges angesehen wurde." (Hannibal)

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