07 März 2024

Brecht: Kriegsfibel

Brecht dichtete die Vierzeiler zu aus Illustrierten ausgeschnittenen Fotos, damit sie nicht im Sinne der Kriegsverherrlichung interpretiert werden konnten. Er nannte die Kombination „Fotoepigramm“. Ruth Berlau schrieb dazu: "Dieses Buch will die Kunst, lehren, Bilder zu lesen." Denn für den,." der nicht darin geübt sei, sei es " ebenso schwer, ein Bild zu lesen wie irgendwelche.Hieroglyphen

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"Was macht ihr, Brüder?" – "Einen Eisenwagen."
Und was aus diesen Platten dicht daneben?
"Geschosse, die durch Eisenwände schlagen."
"Und warum all das, Brüder?" – "Um zu leben."

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Er war zwar ihres Feindes Feind, jedoch
War etwas an ihm, was man nicht verzeiht
Denn seht: ihr Feind war seine Obrigkeit.
So warfen sie ihn als Rebell ins Loch.

15
Wir sind's, die über deine Stadt gekommen
Oh Frau, die du um deine Kinder bangst!
Wir haben dich und sie aufs Ziel genommen
Und fragst du uns warum, so wiss': aus Angst

17
Noch bin ich eine Stadt, doch nicht mehr lange.
Fünfzig Geschlechter haben mich bewohnt
Wenn ich die Todesvögel jetzt empfange:
In tausend Jahren erbaut, verheert in einem Mond.

Zum Foto einer beim Anblick ihres
toten Kindes schreienden Frau 
im britisch kolonisierten Singapur, 
das von Japan bombardiert worden ist:

Oh Stimme aus dem Doppeljammerchore
Der Opfer und der Opferer in Fron
Der Sohn des Himmels, Frau, braucht Singapore
Und niemand als du selbst braucht deinen Sohn.


Dazu:

"Schneiden Sie aus!" der Freitag, 22.2.2024 von Sabine Kebir

 "Ein in seiner Bedeutung bislang unterschätztes Antikriegswerk Bertolt Brechts ist die Kriegsfibel. Sie entstand aus einer im Exil angelegten Sammlung von Kriegsfotos, ausgeschnitten aus deutschen Zeitungen und aus Blättern in Brechts skandinavischen Exilländern sowie den USA. Kombiniert mit Vierzeilern, die Brecht zu den Aufnahmen dichtete, wurde daraus die erst 1955 erschienene Kriegsfibel, ein Gemeinschaftswerk mit Brechts Mitarbeiterin und Geliebten Ruth Berlau
Seit 1937 sammelten sie Zeitungsbilder, beginnend mit Aufnahmen aus dem Spanischen Bürgerkrieg, sodass ein erster Grundstock für das spätere Werk entstand. Aus dem finnischen Exil dankte Berlau 1941 dem in Dänemark gebliebenen Freund Knud Rasmussen enthusiastisch für die Illustrierte Billedbladed, die bei "himself" Jubel ausgelöst habe. [...]
Das Publikum, dem die ursprüngliche propagandistische Funktion mancher Fotos aus der NS- Zeit noch gegenwärtig war, forderte er auf, Bilder grundsätzlich zu prüfen. Hintergründe zu erforschen und gegebenenfalls neu zu kontextualisieren. Mit der Kriegsfibel erwies er sich als gewiefter Medien- und Kommunikationsexperte, der seiner Zeit weit voraus war."

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