Jaques Offenbach: Orpheus in der Unterwelt
Von Offenbach kannte ich bisher nur den Cancan aus Orpheus in der Unterwelt und die Oper Hoffmanns Erzählungen mit der berühmten Barcarole (die ziemlich gut).
Dass Orpheus in der Unterwelt keine tragische Oper ist, wusste ich schon lange; aber dass die Öffentliche Meinung darin eine Hauptrolle spielt und dass und wie sie erklärt, dass sie die Stelle des antiken Chores vertrete, habe ich jetzt nachdem das Reclamheft mit dem Operntext schon seit Jahrzehnten in meinem Bücherregal steht, mit Erstaunen gelesen. Ob ich das schon einmal wusste??
Hier der französische Text der Erstaufführung.
Der Anfang in Maschinenübersetzung:
Die Öffentliche Meinung:
Wer bin ich? - des antiken Theaters
Ich habe den Chor perfektioniert,
Ich bin die öffentliche Meinung,
Eine symbolische Figur,
Was man einen Raisonneur nennt.
Der antike Chor im Vertrauen
Übernahm die Aufgabe, den Menschen zu erklären
Was sie im Voraus verstanden hatten,
Wenn sie klug waren.
Ich mache es besser. Ich handle selbst;
Und nehme an der Handlung teil,
Von der Palme oder dem Anathema.
Ich mache die Verteilung.
Die Frau soll sich vor mir hüten
Die ihren Mann betrügen will,
Und hüte sich auch der Ehemann
Der seiner Frau Züge machen würde! ...
(Übersetzt mit DeepL.com, kostenlose Version)
"seiner Frau Züge machen / Qui ferait des traits à sa femme" heißt im deutschen Operntext: "Seitenpfade geht".
Die gesamte Handlung der Oper bezieht sich darauf, dass Orpheus und Eurydike sich nach ihren Ehejahren inzwischen hassen und gern "Seitenpfade" gehen. Die antiken Götter Jupiter und Pluto wollen Eurydike für sich. Als Pluto Eurydike in die Unterwelt entführt hat, ist Orpheus hocherfreut; doch die Öffentliche Meinung fordert von ihm, dass er bei Jupiter Eurydike für sich zurückfordern soll. Dieser sieht darin eine Chance, Eurydike zu verführen, was ihm - Eurydik hat umgedacht - aber nicht gelingt. Als Orpheus jetzt Eurydike u sich nach Hause nehmen will, greift Jupiter mit seinem Blitz ein, doch in die Unterwelt lässt er sie nicht zurück, weil er sie seinem Rivalen Pluto nicht gönnt, sondern verwandelt sie in eine Bachantin (griechisch: Mänade). Nun folgt sie also als eine unter vielen (wahnsinnig, in Ekstase oder im Alkoholrausch?) dem Gott Bacchus.
"Zur Zeit der Uraufführung konnten sich viele Personen der Pariser Gesellschaft in dem Stück wiedererkennen. Die griechische Mythologie war ein beliebtes Gesprächsthema der feinen Leute, und Offenbach nahm mit seinem Orpheus den Antikenkult gehörig auf die Schippe. Selbst der regierende Kaiser Napoléon III. blieb nicht verschont. Er konnte sich in der Figur des liebestollen obersten Gottes Jupiter wiederfinden. Die Oper gefiel dem Kaiser; er nahm Offenbach die Anspielungen anscheinend nicht übel und applaudierte laut." (Wikipedia)
Die Einführung zum Operntext, der mir vorliegt, stammt aus DDR-Zeiten und sieht Offenbach hauptsächlich als Zeitkritiker und Erfinder der Operette. Hoffmanns Erzählungen sieht er als enttäuschenden Rückfall in das alte Operngenre.
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