02 September 2024

Fürst Pückler-Muskau über seine Besichtigung ägyptischer Altertümer II: Nubien

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Dritter Teil Nubien und Sudan Vom Verfasser der Briefe eines Verstorbenen 

" 'Nun schau der Geist nicht vorwärts nicht zurück, Die Gegenwart allein – sei unser Glück!' Goethe 

Tempel von Phtur, Haffir, Dongola  [Hafir]

Die Altertümer von Sedenga sind unbedeutend. Nur eine Säule des größeren Tempels steht noch vollständig in einem weiten Trümmerhaufen, und alle die herabgefallenen Ornamente des Gebäudes wie die erhaltne Säule selbst sind in schlechtem Stil und verraten ein neueres, wahrscheinlich römisches Bauwerk. Etwas weiter abwärts sieht man die Ruinen eines zweiten Tempels mit den Stummeln zweier Säulen, alles aus gewöhnlichem Kalkstein und von gleich geringer Qualität der Arbeit. Ganz anders verhält es sich dagegen mit dem vier Stunden von hier jenseits der Hügelkette von Dschebel-Dosch, welche die Provinz Sokkot von der von Mahaß trennt, gelegenen, auch in seiner wildesten Zerstörung noch erstaunungswürdigen großen Tempel von Phtur, ein Werk der Pharaonen, dem gegenüber in einem lieblichen Haine am Flusse unser Lager aufgeschlagen worden war. (S. 333)

"[...] um uns zu melden, daß sich nur einige hundert Schritte weit vom Ufer entfernt ein Nilpferd im Flusse zeige, das sich schon seit mehreren Wochen in dieser Gegend aufhalte. Im schnellsten Lauf eilten wir hinab und sahen sogleich den ungeheuren Kopf des Untiers wie einen schwarzen Felsen aus dem Wasser schauen, ohne daß es lange Zeit die mindeste Bewegung damit machte." (S. 334)

"[...] Erregte aber das Ungetüm eben ihre Aufmerksamkeit nicht, so richtete sich diese ausschließlich auf uns. Sie sahen erstaunt auf unsre Perspektive, bewunderten mit Entzücken ein mit Perlmutter ausgelegtes Messer des Doktors, gerieten aber wie wahre Südseeinsulaner in eine halbtolle Freude, als ich ihnen einen Spiegel bringen ließ, dessengleichen vorher keiner von ihnen gesehen zu haben schien. Es war auffallend, daß die jungen Männer dabei ungleich mehr Eitelkeit und Behagen am Anblick ihrer eignen Person zeigten als die Mädchen. Fast alle trugen eine Art Rosenkranz von Glasperlen um den Hals oder um den Arm geschlungen, an denen ein Ledertäschchen mit einem darin verwahrten Amulette hing, das ihre Schriftgelehrten, die Faki, für sie schreiben und sich gut dafür bezahlen lassen." (S.335)

"Um den Zustand ihrer Sitten etwas näher kennenzulernen, gab ich dem einen jungen Manne, der uns begreiflich gemacht, daß das hübscheste der gegenwärtigen Mädchen seine Schwester sei, durch Zeichensprache zu verstehen, er möge sie abends allein zu unseren Zelten schicken, wozu ich die Pantomime des Schlafens machte. Er und das Mädchen lachten, doch nahm er sogleich den Ring, den ich ihm geschenkt, vom Finger, und ich glaubte schon, er wolle ihn mir entrüstet zurückgeben, als er ihn in die Höhe hielt und so geschickt wie ein Taubstummer dazu ausdrückte, daß, wenn ich noch einen dergleichen hergäbe, seine Schwester kommen werde. Sehr tugendhaft in unserem Sinne scheinen also diese Naturkinder eben nicht zu sein, und für einen Missionär hätte dies eine gute Gelegenheit zu einer Predigt abgegeben. Die beiden Alten waren höchst komische Originale. Der eine hatte eine ägyptische, durchstochne Goldmünze (Kari) in ein Papier gewickelt in der Hand und machte trotz allem Abweisen je nach fünf Minuten immer einen neuen Versuch, dieses Goldstück, welches er wahrscheinlich nicht für echt hielt, uns gegen Silberpiaster zu verwechseln; der andere trug zwei Stücke hier gefertigte grobe Leinwand auf dem Kopfe und bemühte sich mit gleich unabweisbarer Beharrlichkeit, sie uns zu verkaufen, alles mit einer solchen Geduld, Sanftmut, Höflichkeit und dem ernstwürdevollsten Benehmen eines Diplomaten, der um Provinzen handelt, daß wir am Ende nicht mehr widerstehen konnten, uns beide Gegenstände aufdringen zu lassen." (S.336)

"Da nur wenige der zusammengestürzten Materialien zu andern Zwecken weggeführt worden sind, so hat man Mühe, über die enormen Haufen von Ruinen hinwegzuklettern, welche alle Teile des Tempels anfallen. Wir störten hier eine Hyäne auf, die sich aber sogleich wieder unter dem Mauerwerk verkroch, ohne daß wir sie außerhalb desselben fliehen sahen, so daß sie also wahrscheinlich ein festes Malepartus hier hatte, in das sie sich vor uns zurückzog." (S. 337)

"Der Zufall wollte, daß wir, um einen passenden, vor dem kalten Wind geschützten Fleck zu einigen Stunden Ruhe aufzufinden, einen andern Weg als die Karawane einschlugen. Dies rettete einem Matrosen von der Barke, der die Karawane begleitete, wahrscheinlich das Leben; denn auf seinem Tiere eingeschlafen, hatte er sich unbemerkt von ihr entfernt, und wir fingen ihn auf, als er in größter Angst, um sie wieder aufzusuchen, grade in voller Eile die falsche Richtung nach dem Innern gewählt hatte. Verirrung ist aber hier eine bedenkliche Sache, und es vergeht kaum ein Jahr, wo nicht Gouvernementskuriere oder sonst einzelne Reisende in der Wüste verschwinden, ohne daß man je wieder etwas von ihnen hört. Die Schnelligkeit und Ausdauer, mit der diese Kuriere die größten Touren auf so unbequemen Tieren und bei so großer Hitze zurücklegen, geht fast ins Unglaubliche, und wir fanden deren oft in der nächtlichen, schauerlichen Einsamkeit dieser Wüsten ganz allein neben ihrem Dromedare in den Sand gebettet und den Zügel um den Arm gewickelt ausruhen, um Mensch und Tier einige Stunden des erfrischenden Schlafes genießen zu lassen. Erst nach 9 Uhr, bei schon sehr heißer Sonne, erreichten wir Fakir-Bint, wo der vorige Gouverneur von Dongola als fromme Stiftung eine Moschee mit einem Khan erbaut hat, in dem jeder Reisende unentgeltlich Obdach und gekühltes Wasser erhält. Zu diesem letztern Zweck sind die durchsickernden Krüge, welche in Khene gefertigt werden, ein wahrhaft unschätzbares Hilfsmittel in diesen Ländern, und da man sie nicht immer vorrätig findet, so tut jeder Reisende wohl, sich im voraus mit der größtmöglichsten Quantität derselben zu versehen. Das laueste Wasser, wenn es dem Luftzuge nur einige Stunden ausgesetzt bleibt, wird kühl darin und in der Nacht eiskalt. Nach acht oder vierzehn Tagen aber verstopfen sich die Poren des Kruges, und er tut dann nicht mehr ganz dieselben Dienste; dabei sind diese Geschirre auch so zerbrechlich, daß der geringste Anstoß sie beschädigt oder ganz zerschellt; in der Hand wiegen sie so leicht wie eine Feder. Man hat zwar in mehreren Ländern Gefäße mit ähnlichen Eigenschaften, keine aber, die ich kenne, sind an schneller Wirksamkeit den Krügen von Khene zu vergleichen." (S.339)

"Distanz betrug nur fünf deutsche Meilen oder zehn Stunden. Schon nach der ersten Hälfte des Weges trat die Wüste ganz in den Hintergrund, und die allerdings sehr vernachlässigten Ebnen von Dongola begannen, sich allmählich vor uns auszubreiten. Wir fanden auf denselben fast ebensoviel wieder verlassnes als angebautes Land, weil in den letzten Jahren schwere epidemische Krankheiten eine Menge Menschen hingerafft haben. Auch finden hier wirklich häufige Auswanderungen nach dem Darfur statt, wo jetzt ein sehr unternehmender, fremde Kolonien begünstigender Sultan herrscht, dessen weite Länder sich täglich vergrößern und von mehreren Sklavenhändlern, mit denen ich mich unterhielt, als ein Paradies der Fülle und des Wohllebens geschildert werden." (S. 339)

"Haffir, das über eine Stunde vom Nil entfernt liegt, verriet schon durch bessre Häuser, sorgfältigere Kultur und einen gewissen mehr zivilisierten Anstrich der Einwohner wie durch die Anwesenheit ägyptischer Offiziere mit einem Detachement von dreißig Mann die Nähe der Hauptstadt. Auch hier war der Kascheff ein gebildeter Mann und kein Türke, sondern ein Eingeborner. In Haffir beginnen die weißen Ameisen, die schrecklichen Termiten, welche alle Effekten zerstören, ihre Verheerungen. Namentlich lieben sie Bücher so sehr, daß sie einen ganzen Folianten in einer Nacht fast rein aufzufressen imstande sind, wie ich später ein Beispiel davon beim Doktor Iken in Dongola mit eignen Augen sah."(S.340)

"Diese Engarebs sind ein ebenso dauerhaftes als bequemes Möbel, und ich habe eins derselben, das mir abwechselnd als Bett, Sofa oder Gartenbank diente, zwei Jahre lang mit mir geführt und zuletzt als Modell auch glücklich noch mit nach Europa zurückgebracht. Es besteht aus einem Rahmen von sehr festem Holze mit vier kurzen, gedrechselten Füßen. Ein Netz überspannt das Ganze, welches aus in Streifen geschnittner frischer Ochsenhaut angefertigt ist und, durch das Trocknen sich eng zusammenziehend, der Lagerstätte ebensoviel Dauerhaftigkeit als Elastizität gibt. Das Engareb widersteht tagelangem Regen wie der glühenden Sonnenhitze gleich gut, und man braucht nur einen Teppich darauf zu legen, um sich den bequemsten, vor Insekten gesicherten Ruhesitz zu verschaffen, der überdies ein so geringes Gewicht hat, daß er auf das leichteste überall hin zu transportieren ist. Man benutzt hier die erwähnten Hautstreifen auch noch zur Verfertigung mehrerer anderer Gegenstände, und sonst dienten sie sogar zu grausamen Exekutionen, indem man den Delinquenten damit fest an einen Baum band und dort der Wirkung der Sonne so lange überließ, bis die allgemach zusammentrocknenden Riemen ihn langsam zerquetscht hatten." (S.342)

"Als ich am Abend mein Portefeuille revidierte, fand ich mit nicht geringem Schrecken, daß der vorletzte Band meines Reisejournals darin fehlte. Ein Autor hängt an solchen Dingen wie an Schätzen, obgleich dies nur eine Torheit sein mag. Aus der angestellten Untersuchung ging hervor, daß das Buch in Haffir, welches wir mitten in der Nacht, noch im Dunkeln, verließen, im Zelte übersehen und vergessen worden sein müsse. Ich schickte sogleich einen unsrer arabischen Leute auf dem schnellsten Dromedare darnach ab, der es auch am Morgen darauf glücklich wiederbrachte. Dies war jedoch nur einem günstigen Zufall zu danken, denn schon hatte man unter Anführung des Kascheffs alle Häuser des Dorfes vergebens durchsucht, und mein Araber saß wieder bereits auf seinem Dromedare, um unverrichteter Sache zurückzukehren, als ihm einer der Landleute gegen das Versprechen der Verschwiegenheit und eines Bakschischs verriet, daß das gesuchte Buch sich zwei Stunden von hier bei einem Faki befände, der sehr wirksame Amulette gegen das grassierende Fieber daraus zu schneiden beabsichtige. Zu meiner großen Zufriedenheit hatte diese Illustration meiner unbedeutenden Schriftzüge noch kaum begonnen, als der Araber bei dem Diebe eintraf und mit Hilfe seines Kurbatsch die schnelle Restitution erzwang. Ich erhielt alles bis auf ein einziges herausgeschnittenes Blatt, was leicht zu ergänzen war, intakt wieder. [...]

Die plagenden Insekten Ägyptens dagegen: Wanzen, Flöhe, Läuse und selbst Moskitos waren zur Seltenheit geworden und wurden später gar nicht mehr angetroffen. Es muß hier zu heiß für sie sein. Dafür quälen einen aber kleine Ameisen, die sich in Kleider und Betten einnisten, und auch vor den Termiten hat man die Effekten fortwährend in acht zu nehmen. Alle Lebensmittel schienen uns in Dongola von besondrer Güte zu sein, besonders das Schlachtfleisch, und die Preise blieben noch immer sehr gering. Auch bereitet man hier eine Art Bier aus Durra, Bilbil genannt, was bis Khartum hinauf üblich ist und leichtem Nachbier gleicht, das etwas sauer zu werden anfängt. In der Hitze ist es nicht unangenehm und kühlend, muß aber wenigstens alle zwei Tage frisch gemacht werden. In Gärung übergehend, verändert es seinen Geschmack und wird zu einem sehr berauschenden, der Gesundheit nachteiligen Getränk. Frisch bereitet, empfindet jedoch niemand unter uns üble Folgen davon." (S.343)

"[...] besuchte ich den Gouverneur in seinem Lehmpalast, wo er außer seinen Weibern auch eine große Anzahl junger abessinischer und Negerknaben unterhält, deren weibische und kokette Manieren einem Europäer nicht wenig sonderbar vorkommen. Die Sklaven sind übrigens hier nicht wohlfeiler als in Kahira, und Doktor Koch mußte einen jungen Burschen von fünfzehn Jahren mit 2000 Piastern (500 Franken) bezahlen. Nachher besahen wir in Begleitung des Mudirs die Indigofabriken, welche Mehemed Ali angelegt hat und welche jetzt drei Qualitäten Indigo liefern, wovon die erste dem indischen gleichkommt. [...] " (S.344)

"Alles dem Gouvernement gelieferte Getreide, Reis usw. muß auch wiederum allen, die es verlangen, nach des Vizekönigs Vorschrift, um jeden Mangel zu vermeiden, für einen festgesetzten, allerdings etwas erhöhten, aber nicht unbilligen Preis wieder verkauft werden, wenn sie es zum eignen Bedarf brauchen. Um dies zu umgehen, bediente man sich in Dongola folgenden Mittels. Ein reicher Kaufmann im Ort und ein koptischer Beamter des Gouverneurs, der mit einigen Tausend Piastern Gehalt einen zwanzigmal größern Aufwand macht, hatten angeblich grade in der Zeit, wo ich mich in Dongola befand, bereits alle Vorräte der Regierung zu dem bestimmten Preise aufgekauft. Wer nun noch etwas bedurfte, wurde unter diesem Vorwand abgewiesen und auf die Zeit vertröstet, wo wieder neue Vorräte eingegangen wären. Von der Not gezwungen, die kein Warten zuließ, mußten daher die Leute ihren Bedarf nun zu doppelten und dreifachen Preisen von jenen beiden genannten Herren privatim erkaufen, die den Gewinnst mit dem Mudir teilten. Ebenso üben die Militärbeamten in diesen vom Sitz der Hauptregierung zu entfernten Gegenden teils bei der Rekrutierung, teils bei andern Gelegenheiten eine drückende Tyrannei aus, von der die betreffenden Individuen sich fortwährend durch Geld loszukaufen gezwungen sind. Diese Mißbräuche mögen allerdings zu den partiellen Auswanderungen beitragen, finden aber ihren Grund nur in der beispiellosen Immoralität der vornehmeren Klassen und sind nicht anders abzustellen, wenn auch Mehemed Ali alle Jahre fünfzig Gouverneuren die Köpfe abschlagen ließe – was auch der schlechteste Türke doch mit philosophischer Ruhe nur wie eine unabwendbare Schickung Gottes ansieht – als durch bessere Erziehung einer neuen Generation." (S.345)

"Nicht für Damen [Fußnote: Der folgende Absatz ist in der Buchausgabe auf dem Kopf stehend gedruckt. ] Sie haben den Ruf, sehr galant zu sein, jedoch nur für Geld, da ihnen die abscheuliche Operation des Zunähens und Wiederaufschneidens sowie das gänzliche Abschneiden eines andern Teils der Genitalien fast alles natürliche Gefühl benimmt. Es gibt Weiber, welche die erste Operation zehnmal erlitten haben, da es ganz gewöhnlich ist, daß der Ehemann, wenn er auf einige Zeit verreist, durch das Zunähen seiner Ehehälfte sich ihrer Treue zu versichern sucht, diese aber nicht aus Liebe, sondern nur aus Interesse während seiner Abwesenheit sich wieder aufschneiden, und vor seiner Rückkehr abermals zunähen läßt. Alte Weiber, die eigens dazu bestellt sind, verrichten dies kannibalische Geschäft. Auf wie tiefer Stufe hier überhaupt die Sittlichkeit und alle Achtung der Menschenrechte stehen, lehrte mich noch ein anderes Beispiel. Das elende Haus, welches mir der Gouverneur anfänglich angewiesen hatte und das ich nicht annahm, stand deshalb leer, weil der Besitzer durch den Mudir auf zwei Jahre von seinem Amte suspendiert und exiliert worden war. Weshalb aber erlitt er diese gelinde Strafe? – Weil er einen seiner Diener, den er mit seiner Lieblingssklavin «en flagrant délit» überrascht hatte, ohne weiteres im Hofe seines Hauses spießen ließ!" (S.349)

Nilfahrt nach Meravi. Ambukol, Dschebel-Barkal 

"Nachdem ich also die wenigen Merkwürdigkeiten, welche Maraka oder Neu-Dongola aufzuweisen hat, welches erst seit Mehemed Alis Eroberung des Landes zur Hauptstadt desselben wurde, hinlänglich besichtigt, meine zahlreiche europäische Korrespondenz beschickt und meine Tagebücher in Ordnung gebracht, wobei ich dennoch keinen Abend versäumt hatte, des Tages Last und Hitze durch ein kühles Bad im Nil zu erfrischen, schiffte ich mich am 1. Mai mit gutem Wind nebst meinem kleinen Gefolge auf zwei Barken des Mudirs nach Meravi ein." (S.349)

"Der größte Saki, welcher vier Feddan (ungefähr einen Magedeburger Morgen) bewässern kann, die bei der ersten Ernte 40 Ardep Frucht geben mögen, zahlt nur 15 spanische Taler und die kleineren im Verhältnisse. Es existieren keine weitern Naturalleistungen, wohl aber bleibt es den Vorstehern der Distrikte überlassen, einen Teil (doch gesetzlich nie mehr als fünf Ardep) der obigen Summe in Naturalien zu verlangen nach einem vom Gouvernement jährlich festgesetzten Tarif, welche Naturalien aber immer vom Ganzen der Abgabe deduziert werden müssen. Diese Einrichtung mag zwar häufig zu Mißbräuchen Gelegenheit geben, dient aber auf der andern Seite bei rechtlichen Vorgesetzten auch oft dazu, dem Fellah die Entrichtung seiner Abgaben zu erleichtern, und ich habe davon selbst im Verlauf meiner Reise mehrere Beispiele gesehen, wo der Landbauer sehr froh war, in Naturalien bezahlen zu dürfen." (S.350)

"Wer aber die Bewohner dieser Gegenden kennt und lange beobachtet hat, wird gestehen müssen, daß grade dies der angemessenste Zustand für sie ist und der einzige, der sie vom Nichtstun und Verderben abhalten kann, weil er sie zur Arbeit zwingt. Ginge die schlechte Administration, deren Kontrolle hier so schwierig ist, gleichen Schritt mit den Forderungen der Regierung, so würde kein Elend unter der Population stattfinden und man weder Auswanderer noch verlassne Fluren sehen. Es würde dann in den Staaten Mehemed Alis nur derjenige Zustand der arbeitenden Klassen eintreten, von dem schon der, jetzt zwar aus der Mode gekommene, deshalb aber nicht minder praktisch philosophische Voltaire in seinem Siècle de Louis XIV. sagt: «Le manœeuvre doit etre réduit au nécessaire pour travailler; telle est la nature de l'homme (und des Fellah mehr als jedes andern). Il faut que ce grand nombre soit pauvre, mais il ne faut pas qu'il soit misérable.» Dies ist auch die Ansicht Mehemed Alis, und gewiß ist es eine Narrheit, alle Leute in Überfluß und Luxus leben lassen zu wollen, weil es eben unmöglich ist. [...]

Nachdem wir Debbeh, von wo die Karawanen nach Kordofan abgehen, passiert hatten, konnten wir nur äußerst langsam vorwärtsdringen, weil sich der Nil von Debbeh an beinah gegen Norden wendet und der Wind uns grade daher entgegenblies. Glücklicherweise ist die Einrichtung getroffen, daß bei solcher Gelegenheit die Einwohner allen Gouvernementsschiffen hilfreiche Hand leisten müssen, was ihnen auch wenig Beschwerde macht, da die Schiffahrt im ganzen sehr gering ist und sie sich überdem von Saki zu Saki ablösen, also kaum eine Viertel- oder halbe Stunde mit dem Schiffsziehen beschäftigt bleiben. Ein eigentümliches, gellendes und weithin schallendes Geschrei kündigt die Ankunft jeder Abteilung beim nächsten Saki an, worauf die Ablösung auch immer so schnell wie auf englischen Poststationen erfolgte." (S.352)

"Am 5ten erreichten wir Ambukol, den Sitz eines Kascheffs, welches auf der Hälfte Weges zwischen Debbeh und Meravi liegt, auf den Karten aber ganz falsch plaziert ist. Es war eben Markt daselbst, der in einem Sandfelde neben den Lehmhütten des Dorfes abgehalten wurde. Nichts konnte ärmlicher sein, dennoch bestand die Hälfte der Waren aus europäischen Produkten, als: kleine Spiegel, Glasperlen, geringe Eisenwaren und einige grobe englische Kattune. Das übrige bot nur die ordinärsten Landesprodukte dar, meistens zur Konsumtion gehörig, und das einzige mir Neue, was ich antraf, waren ein Paar bunte Sandalen aus dem Hedschas, die ich ziemlich teuer erkaufte. Der Kascheff war ein hübscher, kriegerisch aussehender Mann, der mich in seinem Hause mit einer recht guten türkischen Mahlzeit bewirtete, während der Boden des Zimmers (um die Luft darin abzukühlen) außerhalb der Matte, auf der wir saßen, fortwährend mit Wasser begossen wurde. An den ungetünchten Erdwänden hingen schöne Waffen und mitten darunter eine altertümliche Zither von wunderlicher Form mit drei Saiten. Der Kascheff, welcher ein großer Liebhaber der Musik zu sein schien, spielte uns selbst nach Tisch ein ohrzerreißendes Stück darauf vor, [...]

Der Kascheff von Meravi ward mir durchgängig als ein sehr rechtlicher Mann gerühmt, auch zeichnet sich seine Provinz, welche 1200 Sakis enthält, durch ein besonders blühendes Ansehen und eine sichtlich größere Wohlhabenheit der Einwohner aus. " (S.354)

"die reiche Stadt Napata" (S.355)

"[...] Meravi erreichten, scheinbar quer vor dem Nile liegend, der hier einem weiten See gleicht, am Horizonte sichtbar geworden." (S.355)

"[...] beim Dorfe Barkal von dessen Schech empfangen, einem jungen Manne von großer Schönheit, der kaum 18 Jahre zählen konnte und den mehrere tiefe Schnitte in die Backen, die hier üblich zu werden anfangen und als Zierde dienen sollen, nur wenig entstellten. Er war vom Stamme der Schaki-Araber, von rotbrauner Farbe und verband mit dem fast allen Arabern natürlichen Anstande eine Grazie der Manieren, die in jedem europäischen Salon Beifall erlangt haben würde. (S.357)

"Die kolossalen Widder aus grauem Granit vor dem Eingang, deren Herr Rüppel ebenfalls gedenkt, sind jetzt erst ganz freigegraben und außerhalb unter Reisighütten (zum Transport nach Kahira bestimmt) aufgestellt worden. [...]

Wir wandten uns jetzt nach den pyramidalischen Grabmonumenten, die sich kaum einige Minuten von dem letzterwähnten Tempel entfernt in zwei Gruppen darstellen, wovon die eine nur wenige, die andere mehr als doppelt so viele, meistens sehr wohl konservierte Pyramiden enthält." (S. 360)

"Sie sehen zum Teil so glatt und unversehrt aus, als wären sie eben erst fertig geworden, und in einer derselben, auf die ich hinaufstieg, was ohne Schwierigkeiten bewerkstelligt werden konnte, da jede Steinlage eine bequeme Stufe bildet und nur die vier Kanten der Pyramide von oben herab mit einem polierten, runden Steinwulst ohne Absatz überkleidet sind – fand ich auf der Höhe einen hölzernen Querbalken inwendig eingemauert, der durch das Herabfallen eines Steines sichtbar geworden war und, obgleich dadurch dem Wind und Wetter ausgesetzt, sich dennoch so frisch und intakt erhalten hatte, als sei er neu. Keine dieser Pyramiden ist über 80 Fuß hoch und ihre Form weit schmaler in der Basis und spitzer zulaufend als die der ägyptischen. Fast alle haben nach Süden zu einen niedrigen kastenartigen Vorbau mit einer Türöffnung, und es scheint, daß hier die Leichen versenkt wurden. Bis jetzt hat noch keine erschöpfende Untersuchung deshalb stattgefunden, wiewohl man sieht, daß öfters dergleichen begonnen wurde. Einige dieser Eingänge sind erst später angesetzt, einige mit den Pyramiden zugleich aufgeführt worden, was man stets sehr deutlich unterscheiden kann. Nur in wenigen fanden wir Skulpturen, deren Formen weicher und üppiger waren, als es der ägyptische Stil mit sich bringt. Eins dieser Hautrelief-Bilder stellte eine Königin auf ihrem Throne dar, dessen Fußgestell aus Löwen bestand, die mit einer reichen Decke behangen waren. Auch diese Tiere waren nicht im ägyptischen Stil, sondern eher persischen Darstellungen dieser Art ähnlich. [...]

Wie es häufig hier der Fall ist, haben die Eingebornen den Platz um die alten Grabmäler auch zum eignen Kirchhof erwählt und eine Menge von alten Töpferscherben, die um den Berg her liegen, zur Ausschmückung ihrer modernen Ameisenhäufchen sorgsam benutzt." " (S.361)

"Oben angelangt, hat man eine ausgedehnte Wüstenaussicht, und nahe jenseits des Flusses erblickten wir die große Pyramidengruppe von Nur oder El Belal in klarster Nähe. Herr Rüppel gibt die Entfernung dieser Pyramiden, die er nicht besucht hat und die man selbst zu Fuß bequem in drei Stunden erreicht, als sieben Stunden weit an, obgleich er versichert, den Dschebel-Barkal bestiegen zu haben, von welchem er sich doch sogleich durch den bloßen Augenschein hätte überzeugen müssen, daß die Entfernung in grader Richtung von hier kaum zwei Stunden beträgt. Eine so handgreifliche Unzuverlässigkeit kam mir auffallend bei einem Schriftsteller vor, der die Vorrede zu seinem Werke mit folgenden herausfordernden Worten beginnt: «In gegenwärtiger Zeit scheint eine wahre Schreibwut sehr viele Gelehrte und noch bei weitem mehr Ungelehrte befallen zu haben. [...] 

Damen werden ersucht, das nun folgende, selbst wenn sie griechisch lesen können, ebenfalls zu überschlagen.[Fußnote: Die folgenden Absätze sind nicht in griechischer, sondern in deutscher Sprache, aber griechischer Schrift geschrieben; in deutscher Schrift lauten sie: Als Beitrag zur Schilderung der Landessitten mag auch noch Folgendes dienen. Am Abend ehe ich Ouad-Medina verließ, erschien im Audienzsaale des Kascheffs, zu welchem jeder Zutritt hat, ein junger Mann, der völlig wie eine Frau, und in noch übertriebnerem Schmuck gekleidet war; auch in allen Manieren dem weiblichen Geschlecht, mit einem Anflug von Karikatur nachzuahmen suchte. Ich erkundigte mich bei dem neben mir sitzenden Arzte des Kascheff's, was diese Verkleidung bedeute? «Oh», erwiderte dieser mit einer ausdrucksvollen Pantomime, «das hier ist die beliebteste Soldatenhure in Ouad-Medina, die man alle Nächte in der Nähe der Kaserne antreffen kann.» Der nämliche junge Mann, der zugleich den öffentlichen Possenreißer zu spielen schien, sagte nachher zum Kascheff selbst, als dieser ihm einige Neckereien adressirte, die auf sein Handwerk Bezug hatten: «O, laßt mich in Frieden und gebt mir lieber einen Backschis, denn wenn Ihr es nicht thut, und ich mit leeren Händen nach Hause komme, so wird mein Kind schreien, das Ihr mir im vorigen Jahr gemacht habt.» Alle Welt schien diese spaßhafte Antwort sehr ergötzlich zu finden. Ein andresmal sah ich, von einem weiten Männerkreise, auch meistens Soldaten, umgeben, ein Mädchen den gewöhnlichen laskiven Tanz des Orients ausführen, aber in einem remarkablen Kostüme. Denn sie war völlig nackt, und hatte nur eine lange Schnur von bunten Glasperlen um den Hals, an der ein monströser, schwarzgefärbter Priap tief herabhing, der unter dem wildesten Applaus und Gelächter der Umstehenden bei allen obskönen Bewegungen ihres Körpers mit agierte."  (S.466)

"alle diese krassen Unsittlichkeiten sind, besonders beim Militär, durch die Gesetze sehr streng verpönt, aber so weit ins Land hinein reichen diese Gesetze kaum mehr, und auch in unmittelbarer Nähe bleiben sie großentheils unwirksam, da diese uralten Gewohnheiten oft, je schlechter sie sind, desto schwerer ausgerottet werden. Der Kultus des Priapus, so alt als die Welt, hatte sich ja bis in die neueren Zeiten sogar im Katholizismus dergestalt fortvererbt, daß in Italien an mehr als an einem Orte Thonbilder desselben Weibern, um sie fruchtbar zu machen, als Reliquie umgehangen wurden, und in Frankreich selbst ein Heiliger aus dem alten Gotte gemacht ward. [...]

Fernerer Aufenthalt im Sudan. Mandera 

Nachdem meine Reisegesellschaft durch einen neuen hier gekauften oder vielmehr losgekauften Sklaven und einen lebendigen Strauß vermehrt worden war, wandte ich am 15. Mai mein Segel vorläufig wieder dem Norden zu. Ein heftiger konträrer Wind zwang uns, den größten Teil der Fahrt bis Abu Haraß zu kreuzen, was uns den Vorteil, nun mit dem Strome zu schwimmen, wenig genießen ließ, aber das Gute hatte, mir endlich eine glückliche Krokodiljagd zu verschaffen. Die Sonne war schon ihrem Untergange nahe und Abu Haraß im Angesicht, als einer der Matrosen mir meldete, daß vier Krokodile nicht fünfzig Schritte von uns entfernt auf einer Sandinsel lägen. Ich eilte schleunigst aufs Verdeck und sah mit Verwunderung, daß keins dieser bisher so scheuen Tiere sich bei unsrer Annäherung regte, sondern alle wie erstarrt bewegungslos mit offnem Rachen liegenblieben. Sogleich ergriff ich die geladne Muskete eines der uns begleitenden Soldaten und feuerte auf das nächste, welches ungefähr 12 Fuß in der Länge maß, traf es auch unter dem Panzer, aber doch nicht hinlänglich, um es zu töten. Es fuhr erschrocken auf und sprang mit der blitzschnellen Behendigkeit einer Eidechse ins Wasser, das es mit seinem Blute rötete, ohne daß die andern sich weder durch dies Schauspiel noch den Knall des Schusses stören ließen." (S.469)

"Jetzt reichte mir Ackermann mein Gewehr, das ich ohne Zeitverlust auf das letzte und kleinste abdrückte und es glücklich erlegte, da die Kugel grade in seinen aufgesperrten Rachen fuhr und so mehrere edle Teile nacheinander verletzte. Das noch junge Krokodil blieb, fast ohne zu zucken, wie schon tot ausgestreckt liegen. Als wir aber eilig aufs Land sprangen und uns alle darüber herwarfen, um uns seiner ohne Zeitverlust zu bemächtigen, raffte es sich noch einmal auf und kroch ziemlich schnell dem Flusse zu, erhielt aber auf dem kurzen Wege von den Negern so viel furchtbare Keulenschläge auf Hals und Kopf, daß es mit Blut überströmt bald regungslos und nun allem Anschein nach auch wirklich tot von neuem liegen blieb. Es war aber noch keineswegs so weit mit ihm gekommen, denn nach wenig Sekunden gab es mit großer Gewalt einen perfiden Schlag mit seinem Schweif, der mich selbst beinah getroffen hätte und einen der Matrosen so heftig in den Sand warf, daß seine Pfeife mehrere Ellen hoch gen Himmel flog. Wirklich, die Lebenszähigkeit bei diesen Tieren geht fast ins Unglaubliche. Als diesem von uns erlegten schon die Haut größtenteils abgezogen war, sowie alle Eingeweide ausgenommen, und man sich eben damit beschäftigte, zum Behuf des Ausstopfens die Knochen aus den Beinen zu lösen, gab es noch einen letzten galvanischen Schweifschlag, der im Augenblick den darum formierten dichten Menschenkreis wie Spreu auseinanderfegte, obgleich sich die Erschrockenen schnell wieder lachend und jubelnd darum herreihten. Denn sie freuten sich auf die leckere Mahlzeit, und in der Tat ward während der Nacht der ganze Vorrat von dem stark nach Moschus duftenden Fleische mit großem Genuß von den afrikanischen Gourmands verzehrt. [...]

Das unglückliche Opfer unsrer Jagdlust war ein Weibchen, und bevor man ihm den Bauch aufschnitt, hatte man uns dessen Geschlechtsteile gezeigt, die in Größe wie in Form auffallend den menschlichen gleichen. Man versichert, daß, wenn diese Tiere sich begattet haben, das Weibchen mehrere Stunden lang wie ohnmächtig auf dem Rücken liegen bleibt, in welchem Zustande man es dann sehr leicht und ganz gefahrlos töten kann. Ja, es soll sogar nichts Seltnes sein, daß Neger diese Lethargie… " (S.470)

"Jetzt erst erfuhr ich die volle Wahrheit über Mandera. Statt 12-16 Stunden Entfernung, wie man zuerst versichert, fand es sich nun, daß es vier bis fünf Tagesmärsche weit sei, ohne auf dieser Strecke einem einzigen Brunnen zu begegnen. Dies mache, sagte der Efendi, 150 Kamele allein für den Transport des Wassers nötig, weil sie sich fortwährend truppweise ablösen müßten, um immer frisches Wasser aus dem Nil herbeizuholen. Mit weniger könne ich nicht auskommen, da die Araberstämme in dieser Gegend sich fast alle…"  (S.474)

"Wir hatten drei Stunden lang von Fedassa an eine schöne kultivierte Ebne des vortrefflichsten Bodens durchritten und mehrere ansehnliche Dörfer darauf verteilt gesehen. Da die Häuser derselben alle nur in Form spitzer, auf der Erde anfliegender Dächer aus geflochtenem Rohr aufgeführt waren, so glichen sie großen Zeltlagern und machten mit den sie umgebenden Büschen und Bäumen einen höchst gefälligen Effekt. Jede dieser Hütten ist mit einem runden oder viereckigen Hofe umgeben, den ein hier so leicht zu erlangender Zaun aus stachligen Zweigen schützt, und auf den alten Bäumen horsteten wie gewöhnlich Hunderte der storchartigen weißen und schwarzen Ibisse. Einige Paare derselben hatten sich sogar auf den Dachspitzen der Hütten, so niedrig diese sind, zutraulich ihre Nester gebaut." (S.475)

"Die ganze Nacht warf ich mich bei der Illumination der Blitze und dem Rauschen des Regens auf meinem harten Lager umher, ohne vor Schmerzen schlafen zu können. Ich zündete also meine Papierlaterne, die einzige, die mir noch übrig geblieben ist, an, weil der durch die offnen Fenster pfeifende Wind kein Licht auf andere Weise brennen ließ, und las in der Stereotypausgabe von Voltaires Werken, die mir Herr Boreani geborgt hatte, zum zehntenmal den Candide, eine Lektüre, die hier im wüsten Afrika allerdings etwas Seltsames hatte, aber hinsichtlich der Panglosschen Philosophie ganz gut zu meiner Lage paßte." (noch ohne Seitenangabe)

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