29 Oktober 2012

Michael Thomas: Deutschland, England über alles

Michael Thomas, bei Kriegsausbruch am 1.9.1939 nicht rein durch Zufall auf englischem Boden, war als Sohn von Felix Hollaender nach Nazigesetzen deutscher Halbjude, wurde als solcher in England interniert, meldete sich zum britischen Militärdienst, kämpfte von der Invasion (6. Juni 1944) ab gegen Nazideutschland und  beobachtete als Verbindungsoffizier von General Templer den Aufbau der deutschen Nachkriegspolitik in der britischen Zone aus nächster Nähe. Vermutlich war sein Einfluss darauf, dass die britische Militärregierung ihr Misstrauen gegenüber den deutschen Politikern trotz anfänglich sehr großen Vorbehalten dann doch relativ rasch abbaute, nicht gering.
Als Sohn seines Vaters kannte er die intellektuelle Szene um Max Reinhardt (wenn auch nur aus der Perspektive des Kindes), als Schüler stand er in enger Beziehung mit Personen des Stefan-George-Kreises nahe, den er freilich nicht so genannt sehen wollte, als Student gewann er die Freundschaft oder doch zumindest ein freundschaftliches Verhältnis mit Carlo Schmid. In seiner Eigenschaft als Presseoffizier freundete er sich mit dem damals 23-jährigen Rudolf Augstein an.
Ganz uninteressant kann das, was er über diese Zeiten zu schreiben hat, nicht sein. Dass er als Konservativer Kurt Schumacher näher stand als Konrad Adenauer (S.149) und Axel Springer als ideenreichen Innovateur des deutschen Pressewesens schildert (S.176-179), macht seinen Bericht noch interessanter.
Ein Interview mit ihm ist 1984 in der ZEIT erschienen (leider beim Einscannen ziemlich verderbt).

Hier zunächst nur ein Zitat über britische Internierungslager:
Ich ließ nicht locker und wurde nun mit den haarsträubenden Vorgängen in Bad Nenndorf konfrontiert. - Folterungen bei Verhören! Nazimethoden in den eigenen Reihen! Ich traute meinen Ohren nicht.
[...] Ich wußte, daß die Verpflegung in den Lagern miserabel war, aber ich hatte keine Ahnung von den Verhörmethoden, bei denen, wie man später erfuhr, Grausamkeiten und Folter vorkamen. Und mit einem der Verantwortlichen hatte ich das Badezimmer geteilt.
Wer aber hätte mir meine Unkenntnis geglaubt? Seither kann ich mir vorstellen, daß es selbst im Reichssicherheitshauptamt Leute gab, die "von alledem nichts gewußt" haben. (S.165)



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